„Blackbird” heißt das CD-Debüt von Andrea Schroeder. Produziert von Walkabouts-Kopf Chris Eckman ist ein Album von dunkler Schönheit entstanden. Am 3. April kommt die Berlinerin mit Band ins Bett, präsentiert vom JOURNAL FRANKFURT.
Interview: Detlef Kinsler /
Journal Frankfurt: Die erste Frage, die sich mir stellt: bei der Tiefe der Stimme und den Orchestrierungen auf dieser Platte – wie sieht da die Liveumsetzung aus und welcher Besetzung schafft ihr es, diese Stimmungen und Atmosphären auf die Bühne zu bringen? Andrea Schroeder: Jeder Song transportiert eine Atmosphäre, die sich auf unterschiedliche Weise abbilden lässt. Seit einem Jahr spielen wir fest mit unserer Band in Berlin und es hat sich eine eigene Liveumsetzung der Songs entwickelt, getreu der Komposition, aber auf unsere Bandbesetzung arrangiert, ausgearbeitet mit den besonderen Stärken jedes Musikers. Meine Band sind Jesper Lehmkuhl (Dänemark) an der Gitarre, Dave Allen am Bass und Chris Hughes (beide Australien) am Schlagzeug. Ich selbst spiele ein indisches Harmonium und die Shrutibox. Die Instrumentennamen mögen wild esoterisch klingen, geben aber einen wunderbar warmen dunklen Sound.
Es ist noch gar nicht allzu lang her, da waren wirklich außergewöhnliche Produktionen von Frauen, zumal in Deutschland, eher selten. Im Moment sind Veröffentlichungen im weiten Feld der Singer/Songwriter ja fast inflationär und gerade Berlin bietet da – auch wegen der ganzen zugereisten Musikerinnen – einiges sehr Spezielles, Julia Marcell, Kat Frankie, um nur zwei zu nennen. Ich sehe im Moment aber nichts Vergleichbares zu Andrea Schroeder. Woher kommt dieses Singuläre, wie ist Deine stilsitisch-musikalische Ausrichtung, wo würdest Du Dich positionieren und wer hat Dich inspiriert? Berlin ist ein inspirierender Ort, es gibt sehr viele tolle Musiker zu entdecken. Die eigene Musik kann man nur schwerlich selbst einordnen. Beeinflusst haben mich sicherlich ganz verschiedenste Arten von Musik aus unterschiedlichen Phasen meines Lebens, und natürlich auch sehr stark die Musiker, die mich umgeben und auf meinem Weg begleitet haben. Jeder Song bedarf auch seiner eigenen Umsetzung, d.h. manche Songs können einfach nur bluesig sein, wobei andere eher zum Chanson oder Folk oder Rock werden. Vielleicht kann man deswegen meine Musik im Ganzen auch nicht so wirklich einordnen, oder erklären was das eigentlich ist. Wir versuchen nicht in eine bestimmte Musikrichtung zu gehen, sondern lassen uns darauf ein, was sich richtig anfühlt.
Der Begriff Songpoetin taucht im Info auf, wir erfahren, dass Dein Songwriting aus Gedichten heraus entwickelt wird, Du hast ein Poem von Charles Plymell (ein Mann der Beat Generation) vertont, bevorzugst eine starke Bildhaftigkeit in Deinen Lyrics... Wenn man das richtig auf sich wirken lässt, assoziert man vielleicht Romantik, Namen wie Nick Cave (nicht nur wegen der Rosen :)), vielleicht „Punk"-Ladies wie Siouxsie Sioux, eine Avantgardistin wie Diamanda Galas und bei aller Internatonalität dieser „Referenzen” einen deutschen Namen (auch wenn der via New York bekannt wurde): Nico (der deutsche Harmonium-Song). Findest Du Dich zwischen diesen Koordiniaten wieder? (und vielleicht kommt ja dann wo auch der Begriff Chanson in Rezis zu finden ist Hildegard Knef dazu, „Von nun an ging´s bergab”, auch eine Art Optimismus zu verbreiten :)) Ich bin sicherlich hoffnungslos romantisch und auch in der Literatur verankert – Ingeborg Bachmann ist in ihrer Bildsprache eine meiner Lyrik-Favoritinnen, auch Klassiker wie Rilke und natürlich darf hier auch Bertolt Brecht nicht fehlen. Der Großteil der Songs auf „Blackbird” basiert auf Gedichten von mir, der Ausdruck der Worte führt die Musik. Hin und wieder finde ich es aber auch sehr spannend die Texte von befreundeten Dichtern zu vertonen. Charles Plymell hat seinen eigenen Schreibstil, seine eigene Rythmik in den Worten, so wird ein Song auf Basis eines seiner Beatpoems auch ganz anders als mit meinen eigenen Texten. Es findet sich teils Romantik, aber auch rohe Gefühle und Rockelemente in meinen Songs. Ich werde tatsächlich oft mit Nico verglichen, sicher wegen meinem deutschen Akzent und der dunklen Stimme, aber auch Nick Cave oder Patti Smith werden genannt, es fällt auch oft Marlene Dietrich. Große Namen, die mich ehren, wenn man damit ansatzweise in Verbindung gebracht wird. Ich habe vor ein paar Wochen übrigens Nick Caves Konzert zum neuen Album in Berlin gesehen – ganz wundervoll!
Dank Kollegen wie David Eugene Edwards wissen wir, dass sich Country und Gothic nicht ausschließen. Eine ermunternde Tatsache? Durch den Mix von Genres kann ein eigener Stil entstehen und David Eugene Edwards ist großartig darin. Ob er langsame Songs oder Rock spielt, am Ende ist es doch immer er selbst.
Welchen Einfluss hatte Chris Eckman auf Deinen „Sound”, wie kam es zu dieser Zusammenarbeit, hat seine eigene Definition von „Americana” bei den Walkabouts (um nicht Folk Rock zu sagen wie Wikipedia) auf Dich abgefärbt und was hat die Wahl der Studios in Tschechien (für die Orchesteraufnahmen) und Slowenien (located in a 400-year old building in the old town of Ljubljana steht auf Eckmans Webiste) gebracht und hast Du die slawische Seele entdeckt und Dich da wiedergefunden? Seit den einst goldenen Myspace-Zeiten stehe ich in engem Kontakt mit Chris Eckman, er hat mich unterstützend auf meinem Weg begleitet bis wir dann endlich das Album aufnehmen konnten. Er ist ein ganz großartiger Mensch, Musiker und Produzent, der die kreative Freiheit gibt und stets den Überblick behält. Er hat das Gespür, was wichtig für den Song ist, und seine spezielle feinfühlige Art die Songs zu mixen. Da auch seine Art Musik zu machen sich im ähnlichen Spektrum bewegt, ist er in jeder Hinsicht eine große Bereicherung. Es war eine traumhafte Zeit bei Sono Recording Studios aufzunehmen und die Songbasics einzuspielen, Milan Cimfe aus Prag spielt auch die Drums auf dem Album. Chris Eckmans Studio Zuma ist in Ljubljana, dort haben wir entspannt weitergearbeitet und auch die Cellistin Soma Allpass aus Kopenhagen eingeflogen. Wir haben eine besondere Zeit an beiden Orten verbracht. Prag strahlt voll dunkler Melancholie und Ljublijana ist die kleinere und buntere Variante davon.
Eine Hommage an die Schönheit des Lebens heißt es zu „Blackbird”. Beim mitteleurpäischen Blues-Missverständnis, wo Depression oft als Synonym für Melancholie genommen wird, überrascht das sicherlich nicht wenige, die die Grundstimmung des Albums als eher dunkel empfinden und Schönheit eher mit anderen Farben in Verbindung bringen... (obwohl – Farben spielen ja in ihrer ganzen Palette in den Texten eine Rolle, aber selbst bei blue sieht man eher den blauen Himmel eines Sonnentages, sondern eher ein feeling blue) Es ist ganz unterschiedlich und interessant wie das Album auf Menschen wirkt. Für manche kann es dunkel sein und bedrückend, manche schöpfen Hoffnung daraus oder schätzen die dunkle Schönheit darin. Es soll jedem das sein, was er sieht. Jedoch möchte ich natürlich niemanden mit Gewalt ins Dunkel ziehen. Auch Texte wie "Death Is Waiting" können auf verschiedene Art interpretiert werden. Einerseits die Verheißung auf das Paradies, sozusagen endlich Ruhe nach dem Sturm, aber auch die Bewusstheit, dass die Zeit auf niemanden wartet. Musik ist etwas sehr persönliches, und es kann sich verändern für jeden Hörer in jeweiliger persönlicher Stimmung. Das ist sehr faszinierend.
Schmerz, Tränen, graue Gedanken, die kalte Hand, Geisterschiffe - man könnte auf die Idee kommen, es handele sich hier um eine Herbst- oder gar Winterplatte, ganz sicher aber um eine Sehnsuchtsplatte (und hat von daher eine positive Botschaft?!), die den Mangel an Wärme und Nähe in unserem Leben/der Gesellschaft beklagt... Ich liebe das Meer, die süße Melancholie, wenn man auf das Wasser blickt und von unerklärlicher Sehnsucht erfüllt wird. Natürlich liebe ich auch die Zeit, wenn der Herbst kommt und alles in Farben prächtig verfällt oder wenn im Frühjahr das erste Grün erscheint. Es ist für mich kein spezielles Jahreszeiten-Album, da die Bilder Gedanken oder Gefühlswelten darstellen. Melancholie ist zeitlos. Jeder der Songs könnte einer anderen Zeit oder einem anderen Land zugeordnet werden, außer vielleicht “Kälte”, da geht es schon recht frostig zu, wobei dieses eher ein Gefühl ist ein tatsächliches Landschaftsportrait. Und ich persönlich höre und mache auch im Sommer dunkle Musik.
Der Blackbird ist natürlich die Schwarzdrossel/Amsel, aber man könnte ihn in diesem Kontext auch als „schwarzer Vogel” lesen. Denn auch den Tod sparst Du in Deiner Poesie/Musik nicht aus... Der Tod ist natürlich ein Element, das zu unserem Leben gehört. Der schwarze Vogel als Sinnbild der Mystik, der dunkle Hoffnungsbringer um die Seele an andere Orte zu tragen. „Blackbird" steht für mich für einen schwarzer Vogel, der durchaus eine Amsel sein kann, aber nicht sein muss. Wobei die Amsel sicherlich schönere Melodien singen kann als z.B. ein Rabe.
Wenn man mal Stildefintionen außer Acht lässt, ist „Blackbird” am Ende ein Soulalbum auf Basis (dazu passt die Aussage: nicht komponiert, sondern zugelassen) von „Meditationen”, die aber – ähnlich wie bei Powwows (zur Stärkung von Körper, Seele und Geist) etwas Rituelles haben (nicht von ungefährt arbeitet Eckman ja auch mit Bands wie Tamikrest)... Jetzt fehlt nur noch ein Begriff wie Spiritualität... Spiritualität ist ein wichtiges Element. Es gibt etwas in Musik, das uns zu diesem unbekannten Ort bringt, wenn wir uns darauf einlassen. Wenn man zwar im Hier und Jetzt ist, sich dennoch in einem Land befindet, welches nur Klänge beschreiben können. Was auch immer der Text sagt und die eigene Interpretation erklärt, die Musik trägt uns fort in nie besuchte Landschaften. Das ist die Magie.