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Dr. Peter Birkner im Interview

Neue Energien bei der Mainova

Dr. Peter Birkner ist Vorstandsmitglied des Energieversorgers Mainova. Im Gespräch mit dem Journal Frankfurt spricht er über Beteiligungsmodelle, ein klimaneutrales Frankfurt und steigende Stromkosten.
JOURNAL FRANKFURT:Nach der Fertigstellung des Bürgersonnenkraftwerks auf dem Dach der Stadtwerke Frankfurt sollen weitere Anlagen auf Dächern der Stadt folgen. Sie gehören seit Mitte März zum Expertenteam, das den Oberbürgermeister bezüglich der Umsetzung der Energiewende in Frankfurt berät. Für wie relevant schätzen Sie derartige Bürgerbeteiligungen ein?
Dr. Peter Birkner: Ich halte das Thema, dass sich Bürger an der Energiewende beteiligen, für extrem wichtig. In absehbarer Zeit werden mehrere hundert Milliarden Euro benötigt, um die Energiewende zu finanzieren. Und weder die Stadtwerke noch die „Großen Vier“, also RWE, Eon, Vattenfall und EnBW, haben eine Chance diese Summe aufzubringen. Das heißt, es ist eine volkswirtschaftliche Anstrengung notwendig. Daher sind Bürgerbeteiligungen sehr, sehr wichtig, um für die Energiewende genügend Geld bereitstellen zu können. Außerdem entsteht durch den Eigentumserwerb eine ganz andere Identifikation der Bürger mit dem Projekt „Energiewende“.

Sehen Sie an dieser Stelle Alternativen, die eventuell nutzenbringender für die Energieversorgung sein dürften als das Modell der Mitarbeiter- und Bürgersonnenkraftwerke?
Was wir hier haben, sind zwei grundsätzliche Modelle. Bürger geben ein Darlehen oder aber Bürger gründen eine Genossenschaft, die Anteile an der Anlage erwirbt. Das geht sowohl in kleinem als auch großem Maßstab. Bei Mainova führen wir im Moment mit mehreren Gemeinden Gespräche, allerdings vor allem zum Thema „Wind“. Die einen wollen die Darlehensvariante, die anderen bevorzugen eine Beteiligung. Die Darlehensvariante hat den Vorteil, dass sie nach drei Jahren das Geld wieder freihaben und es dann erneut anlegen können. Wenn sie Anteile über eine Genossenschaft erwerben, dann sind sie für die Lebensdauer des Windrades oder der Photovoltaikanlage, also für rund 20 Jahre, mit ihrem Kapital erst einmal gebunden.

Wie sieht es aber mit der Förderung durch die Bundesregierung aus? Fließen keine Gelder aus Berlin, um die Energiewende voranzutreiben?

Also das läuft über die Kfw, die Kredite vergibt, um diese Projekte zu finanzieren. Der Eigenkapitalanteil muss dabei von Unternehmen wie der Mainova oder von den genannten Genossenschaften kommen. Insoweit könnte man sagen, der Bund vergibt Kredite. Was man aber auch nicht vergessen darf, ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das die Bundesregierung erlassen hat. Dieses sieht eine feste Vergütung für regenerativen Strom vor. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Förderbeitrag. Erneuerbare Energien haben zudem immer Vorrang vor konventionellen. Das heißt, es gibt eine Abnahmegarantie. Sie wissen außerdem dabei, welche Preise Sie für Ihren Solarstrom erhalten. Wenn Sie den Strom an der Börse verkaufen würden, könnten Sie nicht sicher sein, dass er abgenommen wird.

Hat die Garantievergütung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz auch Nachteile?
Durch den Fördermechanismus des EEG, also Preis- und Abnahmegarantie, wird die regenerative Energie in Deutschland sehr stark gefördert und daher auch entsprechend stark ausgebaut. Die für diese Energien notwendige Förderungshöhe liegt über den Kosten für konventionell erzeugten Strom und findet über den sogenannten EEG-Zuschlag Eingang in den Endkundenpreis. Dadurch ist der Strompreis mittlerweile deutlich angestiegen. Es gibt aber noch eine weitere Konsequenz. Durch die Vorrangregelung für regenerativ erzeugten Strom kommen gesteuerte, konventionelle Kraftwerke, wie zum Beispiel Gas- und Kohlekraftwerke, immer weniger zum Einsatz und verdienen somit deutlich weniger. Sie werden aber dennoch zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität benötigt. Unsere hochmodernen Gaskraftwerke in Irsching und Bremen haben es daher finanziell sehr, sehr schwer. Wenn Sie bei Mainova anfragen, dann machen wir mit unseren regenerativen Anlagen aktuell ein leichtes Plus und mit konventionellen Gaskraftwerken ein ganz deutliches Minus. Insoweit hat sich bei der Strombörse durch den Ausbau der erneuerbaren Energien Folgendes ereignet: Wir haben so viel grüne Energie im Netz, dass wir die bisherige Preisbildungssystematik neu anpassen müssen. Unser Marktmodell basiert auf Brennstoffkosten, die es aber gerade bei regenerativen Energien nicht gibt. Damit wird dem Strommarkt quasi die funktionale Grundlage entzogen. Mit dieser schwierigen Frage beschäftigt sich insbesondere der Umweltminister, Herr Altmeier, aber auch der Wirtschaftsminister, Herr Rösler. Und vermutlich wird es erst nach der Bundestagswahl zu der nötigen Änderung der Gesetze kommen.

Inwieweit müssten sich die politischen Rahmenbedingungen ändern, um das hochgesteckte Ziel der Stadt Frankfurt zu erreichen, bis 2030 eine klimaneutrale Stadt zu werden?

Meiner Meinung nach sollte die Stadt Frankfurt nicht versuchen, sich vollkommen autark mit erneuerbaren Energien zu versorgen. Also im Klartext, die Energie, die die Stadt Frankfurt braucht, sollte nicht nur auf dem Stadtgebiet erzeugt und verbraucht werden. Das könnte man theoretisch machen, würde aber sehr teuer werden. Das Problem der erneuerbaren Energien ist, dass sie nur zeitweise zur Verfügung stehen und dies auch noch ungesteuert: nämlich dann, wenn der Wind weht und die Sonne scheint. Wobei, wenn in Frankfurt der Wind weht, die Sonne ziemlich schwach ist. Das Energiesystem schwankt folglich zwischen einem Überangebot und einem absoluten Mangel an Strom. Wenn Sie beispielsweise alle Dächer in Frankfurt mit Solarzellen ausrüsten würden, würden Sie mehr als die Höchstleistung erzeugen, die Frankfurt brauchen kann. Und das gleicht man am einfachsten dadurch aus, indem auch das Frankfurter Umland miteinbezogen wird. Und dazu muss man die Netze zwischen Frankfurt und Umland direkt verbinden. Dies ist heute nicht der Fall, die regionalen Netze sind ja entkoppelt. Im Kerngeht es um die sogenannten Hochspannungsnetze mit einer Spannung von 110 Kilovolt, die aber direkt an der Stadtgrenze enden. Die Verbindung von Frankfurt und dem Umland erfolgt aktuell über die europäischen Stromautobahnen mit 400 Kilovolt Spannung. Mein Ansatz ist daher die Schaffung von teilautarken regionalen Energieclustern mit großen Städten im Zentrum. Zum anderen betragen die jährlichen Kosten der Energiewende in Deutschland gegenüber konventionellen Energien nach Schätzungen von McKinsey 22 Milliarden Euro. Wenn wir sagen, wir wollen nachhaltige Energie, dann müssen wir auch über diese 22 Milliarden Euro reden. Wir brauchen technisch kluge Lösungen, um diesen Betrag zu reduzieren, wir brauchen weiterhin einen Masterplan, der die richtigen ordnungspolitischen Schwerpunkte setzt: In welche Technik investieren wir wo? Wie nutze ich vorhandene Infrastruktur optimiert im Sinne der Energiewende? Die Energiepreise dürfen nicht zu sozialen Verwerfungen führen. Das ist auch immer das Thema von Herrn Feldmann. Also insoweit haben wir eine ganz große gesellschaftspolitische Diskussion: Wie gehen wir mit diesen Kosten um?

Wie geht Mainova mit dieser Frage um?
Wir analysieren all unsere Investitionen sehr stringent hinsichtlich ihres Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Weiterhin versuchen wir die vorhandene Infrastruktur für neue Aufgaben, die sich aus der Energiewende ergeben, zu nutzen. Forschung und Entwicklung spielt eine große Rolle für uns. In unserer Testanlage entwickeln wir etwa organische Solarzellen. Diese können Sie sich wie Plastikfolien vorstellen, die Strom produzieren. Wir erwarten, dass diese die urbane Energieerzeugung in den kommenden zehn Jahren revolutionieren werden. Ein anderer Weg von Mainova zur Kostenreduzierung ist die Kraftwärmekopplung, bei der wir überflüssigen Strom dazu verwenden, Wärme zu produzieren.


Durch die Umwandlung in thermische Energie versuchen Sie also, Strom zu speichern?
Genau. Wenn Strom, beispielsweise Windenergie im Überfluss vorhanden ist und weit mehr Strom erzeugt wird, als man verbrauchen kann, macht eine Überführung in thermischer Energie absolut Sinn. Stromerzeugung, die sonst abgeschaltet werden müsste, wird dadurch nutzbar gemacht. Und durch solche Mittel versuchen wir einfach das, was da ist, besser zu nutzen und den von McKinsey prognostizierten Kosten entgegenzutreten, indem wir die Wirtschaftlichkeit der Energiewende erhöhen. Dies ist eine riesige, aber auch großartige technische Herausforderung.

Dieses Speichern von Strom in Form von thermischer Energie ist aber vielmehr ein Umwandeln in eine andere Energieform. Kann man den Solarstrom auch direkt speichern, wie bei einer Batterie?
Was ich eben beschrieben habe, ist eine Lastverschiebung. Was Sie aber ansprechen, ist das „Bunkern“ von Strom. Und dazu gibt es derzeit zwei Technologien. Das eine ist die Speicherung in Form einer Batterie. Hier gibt es große Fortschritte bezüglich höherer Kapazitäten und reduzierter Preise. Mainova befasst sich hier insbesondere mit der Logik der Befüllung von Batterien. Also, wie kann ich eine Batterie mit einer Solaranlage und dem Verbrauch des Hauses optimal verbinden? Wie groß sollte die Batterie sein? Welcher Grad an Autarkie ist wirtschaftlich und technisch sinnvoll? Welche Versorgungsaufgabe löse ich im Haus und welche im Quartier? Wiederum geht es um die Verbindung von verschiedenen Erzeugungs- und Verbrauchsmustern. Ich bezeichne diesen Grundgedanken gerne als technisches Subsidiaritätsprinzip: Probleme in vernünftigem Maße dort lösen, wo sie entstehen. Momentan wären solche Batterien aber noch sehr teuer.
Die zweite Speichertechnologie besteht in der Umwandlung von Strom in Wasserstoff. Wasserstoff kann nämlich als Erdgas-Wasserstoff-Gemisch mit Gasturbinen wieder in Strom umgewandelt werden. Aber auch chemische Anwendungen oder ein Einsatz als Treibstoff in Fahrzeugen sind denkbar. Diese Technologie, auch Power-to-Gas genannt, muss allerdings noch erprobt werden. Da sind die Batterien schon weiter. Aber das Volumen, das Sie über Power-to-Gas speichern können, wird wesentlich höher sein. Wir sind bei der Mainova noch eines der wenigen deutschen Unternehmen, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Für Ende diesen Jahres planen wir hierzu ein größeres Event. Wir wollen gemeinsam mit Unternehmen der Thüga Gruppe einen hochmodernen Elektrolyseur in Frankfurt in Betrieb nehmen und mit den Testreihen beginnen.
 
10. April 2013, 08.26 Uhr
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