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Foto: ahe
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Diskussionsrunde mit Robert Habeck

Nur noch kurz die Welt retten

Wie schnell sich die Welt doch verändert: Tim Bendzko sang 2011 „Muss nur noch kurz die Welt retten, danach flieg ich zu dir“, heute muss man sagen, fliegen und Welt retten lassen sich nicht mehr miteinander vereinbaren – so sieht das auch Robert Habeck.
Spätestens seit der diesjährigen Europawahl sind die Grünen als politisches Schwergewicht zu betrachten. Der momentane Erfolg der Partei hat mehrere Gründe. Einer davon hört auf den Namen Robert Habeck. Der promovierte Philosoph und Spitzenpolitiker diskutierte und referierte gestern im Chagallsaal des Schauspiel Frankfurt und folgte damit der Einladung des Hauses sowie des Forschungsverbundes Normative Ordnungen der Goethe-Universität. Unter der Frage „Wie werden wir die Erde retten können?“ schufen die Organisierenden einen „Denkraum“, den Habeck mit seinen Vorstellungen zum Klimawandel füllte – parallel zur am Montag gestarteten Weltklimakonferenz in Madrid eine hochaktuelle Thematik.

Weltklimawandel

Grundlage der Diskussion war das nur noch schwerlich erreichbare globale Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Aktuellen Studien zufolge steigt der jährliche CO2-Ausstoß auch in diesem Jahr weiter an, in weiten Teilen der Erde sind Extremwetterereignisse wie Starkregen, Dürreperioden und Gletscher- sowie Polarkappenschmelzen die Folge. Ein radikales Umdenken scheint dringend notwendig. Grund genug, einem möglichen Gestalter des Wandels die Bühne zu bieten.

Eingebettet in das Prinzip der Veranstaltungsreihe „Zukunft. Aber wie?“ bekamen die Zuhörenden nach Habecks teilweise abstrakten Impulsvortrag, die Möglichkeit in kleinen Tischgesprächen die dargelegten Thesen und Analysen zu diskutieren und weitere Fragen an den Politiker zu stellen. Speziell ging es am gestrigen Abend um Fragen wie: Wie vereinbar ist Klimaschutz mit Wachstumspolitik? Kann eine „sozial-ökologische“ Marktwirtschaft gelingen? Sind stärkere Regulierungen durch die Politik, wie sie derzeit angestrebt werden, eine sinnvolle Maßnahme? Moderiert wurde die Veranstaltung von Rebecca Caroline Schmidt, der Geschäftsführerin des Forschungsverbunds Normative Ordnungen.

Verantwortung bei Politik und Industriestaaten


Im Rahmen seines Impulsvortrages ging es Habeck zunächst darum, festzustellen, dass die Politik Verantwortung trägt und aktuell durch ihren Selbstzweck zu regieren sowie die auf vier Jahre begrenzten Legislaturperioden keinen uneingeschränkten Wandel in der Klimapolitik zulässt. Stattdessen müsse sie „anfangen, Möglichkeiten aufzuzeigen“. Weiterhin sieht er einen Widerspruch in der gegenwartsbezogenen Politik, die kurzfristige Wählerbefriedigung und Wiederwahlinteressen verfolgt und einer zukunftsgerichteten Gestaltung einer nachhaltigen Welt. Dies zeige sich auch international, einerseits in der noch relativ homogenen europäischen Staatengemeinschaft, wo Nationalstaatsinteressen dem großen gemeinsamen Ziel im Weg stünden, und anderseits in einer heterogenen globalen Welt. Eine besondere Verantwortung und Vorbildrolle kommt laut Habeck in der nächsten Dekade den Industriestaaten zu, „wo ein Umdenken stattfinden muss – mindestens in den reichen Ländern der westlichen Hemisphäre“. Betrachtet man den ganzen Erdball sind wir „trotz, aller sozialen und gesellschaftlichen Probleme, die ich gar nicht leugnen möchte, die Reichsten, das schließt auch Länder wie Frankreich und Kanada mit ein, aber eben auch Deutschland“.

CO2-Budget fast verbraucht

Die Dringlichkeit des Handlungsbedarfes sieht Habeck einerseits in dem begrenzten verbleibenden „CO2-Budget“: Dieses sei, wenn wir so weiter machten wie bisher, in neun Jahren, und wenn wir es so machten, wie die Bundesregierung es plant, 2035 aufgebraucht. „Von da an darf kein CO2 mehr in die Atmosphäre gelangen“, so Habeck. Andererseits bemängelt er einen „Denkfehler“ aller Parteien, die Zukunftspläne für Kohlekraftwerke und Atomausstieg schmiedeten, in der Gegenwart aber wenig Veränderung bewirkten. Das verbleibende Klimabudget errechnet den Zeitpunkt, an dem so viel CO2 in die Atmosphäre geblasen wurde, dass ein Kipppunkt erreicht und Prozesse unaufhaltbar werden. „Das Gletscherschmelzen in den Alpen und die Hitzesommer der vergangenen Jahre sind Indikatoren dafür, dass diese Prozesse schneller kommen, als wir dachten“, so der Politiker.

Die Frage, ob die Gesellschaft zum Erreichen der Ziele ihren Wohlstand opfern sollte, verneint Habeck. Jedoch geht es ihm um die Definition von Wohlstand. Seiner Auffassung nach bedeute dieser „Lebenszufriedenheit, Freiheit, Mobilität, Bildung, kultureller Zugang und die Möglichkeit, sich beispielsweise variabel zu ernähren“. Nicht jedoch sei Wohlstand gleichzusetzen mit „allem Materiellem, was wir momentan besitzen, wie beispielsweise Autos, die größtenteils nur rumstehen und Kleidung die ungenutzt im Schrank bleibt“.

Was kann die Politik tun?

Habeck zu Folge könne die Politik drei Dinge tun: Fördern, verbieten, steuern. Genauer erhofft sich Habeck, dass Förderungen gestrichen werden, wenn sie nicht dem gesellschaftlichen Zweck dienen, wie in der Massentierhaltung. Zum Thema Steuern sieht der Grünen-Politiker die Möglichkeit einer Umverteilung von Steuerlasten, die sich weniger nach Einkommen und mehr nach CO2-Verbrauch richten könnte, mit einer gleichzeitigen Entlastung für sozial schwächere Haushalte, da einkommensstärkere Haushalte „in der Regel einen deutlich größeren ökologischen Fußabdruck haben“. Begleitet werden könne dies durch ein Energiegrundeinkommen, was Menschen, die wenig verbrauchen – in der Regel sozial Schwächere – wirtschaftlich begünstigt. Ein großes Thema der Grünen, ist immer auch die Unterstellung, sie sei eine Verbotspartei. Habeck konkretisiert seine Vorstellungen zum Thema Ordnungsrecht: „Verbote sind der Preis der Freiheit. Ohne Verbote wären wir keine freie Gesellschaft: Denken Sie an Ladendiebstähle, die Straßenverkehrsordnung, Eigentumsrecht.“ Darin sieht der Grünen-Politiker eine zentrale Aufgabe der Politik, die konkret abwägen müsse, wann Verbote den Sinn erfüllen, die Welt zu retten.

Seine Ausführungen schloss Robert Habeck mit dem Appell: „Man darf den Glauben an die offene Gesellschaft, wo man Freiheitsrechte und eine demokratische Ordnung für alle Menschen gewähren kann, nicht verlieren – so stelle ich mir die Politik der nächsten Jahre vor.“

Weitere Informationen zur Veranstaltungsreihe unter:
www.schauspielfrankfurt.de
 
4. Dezember 2019, 12.42 Uhr
Armin Heinrich
 
 
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