Vor Gericht

Auf dem Fahrrad Richtung Jugendgefängnis

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Alles beginnt mit geklauten Fahrrädern. Diese führen Richtung Wald, Tritte zum Körper und Schikane. Am Ende des Tunnels wartet die Gefängniszelle. Die JOURNAL-Gerichtskolumne.

Christoph Schröder /

Da schaut man aus dem Fenster und sieht, wie sich gerade jemand an seinem Fahrrad zu schaffen macht. Mit einem Bolzenschneider. Ein guter Grund, um aktiv zu werden. Das ist der Anfang von einer Reihe von Ereignissen, die schließlich Herrn B. vor die Jugendrichterin gebracht haben. Der Angeklagte ist 19 Jahre alt, eher von kleiner Statur und macht einen schüchternen Eindruck. Derjenige, der vor rund einem Jahr Herrn B.‘s Fahrrad zu Leibe rückte, heißt Herr Z. und ist ein gleichaltriger Nachbar.

Nun ist es so, dass im Kiez zu dieser Zeit gleich mehrere Fahrräder verschwunden sind, darunter zwei, die einem Herrn K. gehörten. Auf einem davon wurde Herr Z. sogar gesehen. Also kamen Herr K., der bereits in einem gesonderten Verfahren verurteilt wurde, der nun angeklagte Herr B. und zwei weitere Mittäter auf eine eher dumme Idee: Sie standen eines Abends im Dezember vor der Haustür des vermeintlichen Diebes und verlangten ihre Fahrräder zurück.

Anklage wegen räuberischer Erpressung

Dann zwangen sie Herrn Z., mit ihnen in ein nahe gelegenes Waldstück zu gehen. Dort traten sie mehrfach auf ihn ein, zogen ihn anschließend komplett nackt aus und warfen die Kleider in einen Busch. Die teure Jacke des Geschädigten blieb verschwunden, weswegen Herr B. jetzt nicht nur wegen Körperverletzung, sondern auch wegen räuberischer Erpressung angeklagt ist, und das ist ein Verbrechen. Eines, das ganz und gar nicht zum Angeklagten passt.

Er hat keinerlei Eintragungen im Vorstrafenregister und steht kurz vor dem Abschluss seiner Handwerkerlehre. Er gesteht, was die Staatsanwaltschaft ihm vorwirft, hat aber das Waldstück lange vor seinen Mittätern verlassen, weil er ganz offensichtlich merkte, was für einen Unsinn er da gerade macht.

Richterin hat den Überblick über die Straftaten verloren

Herr Z. der Geschädigte und mutmaßliche Fahrraddieb, sitzt mittlerweile im Jugendgefängnis. Die Richterin selbst räumt ein, den Überblick über dessen Straftaten verloren zu haben. Herr B. hingegen kommt glimpflich mit einer Verwarnung und einer Geldstrafe von 300 Euro davon. Niemand will ihm die Zukunft verbauen.

Christoph Schröder
Christoph Schröder
Christoph Schröder studierte in Mainz Germanistik, Komparatistik und Philosophie. Seine Interessensschwerpunkte liegen auf der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und dem Literaturbetrieb. Er ist Dozent für Literaturkritik an der Goethe-Universität Frankfurt.
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