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Gesichter der Stadt
Fragile Lieder voller Kraft
Mit ihrer Band The Lonely Freaks präsentiert Julie Kuhl am Samstag im Kunstverein Familie Montez ihr neues Album „Born With Nostalgic Bones“. Dabei macht die 17-Jährige deutlich: Musik bedeutet für sie alles.
Wer im Sommer mit dem untrüglichen Gespür für schöne Locations und ganz besondere Veranstaltungen in der Stadt unterwegs war, konnte mit etwas Glück ein Konzert von Julie Kuhl erleben. Die junge Frankfurter Sängerin trat, mal solo, mal mit Band, unter anderem bei „Holidays 2022“ vorm Kunstverein Familie Montez, in der „Social“-Reihe von DJ Michael Rütten im Achter im Rudererdorf, oder beim „El Barrio de Europa“ im Park neben dem Museum Angewandte Kunst auf. Da stellte Julie Songs von ihrem neuen Album vor, das Ende November erscheinen wird und das – überraschend für eine junge Frau, die im Juni ihren 17. Geburtstag feierte – „Born With Nostalgic Bones“ heißt.
„Das trifft perfekt das Thema von meinem Album und beschreibt mich ganz gut“, sagt sie nach kurzem Überlegen. Nostalgie bedeutet für sie keinen bewussten Rückgriff auf Musiktraditionen. Für die Platte waren es aktuelle Kolleginnen wie Arlo Parks, Joy Crookes, Billie Marten und Alice Phoebe Lou, die sie inspirierten. Manchmal covert sie „Valerie“ von Amy Winehouse. Oft wird sie – wohl weil jeder sie im Ohr hat und sie so präsent ist – auf Billie Eilish angesprochen. Darauf könnte sie, wenn es zu oft passiert, genervt reagieren. Sie nimmt es stattdessen als Kompliment. „Sie ist eine sehr talentierte Musikerin, macht sehr gute Musik und ist eine sehr interessante Persönlichkeit“, relativiert sie aber lächelnd, sie sei nur „eins von fünfzig Vorbildern.“
Was müssen diese Frauen haben, um zum Leitbild zu taugen? Sie müssen stark sein, Selbstbewusstsein ausstrahlen, selbstbestimmt sein, „ihr eigenes Ding, ihre eigene Musik machen“. Dann haben sie für Julie Kuhl Vorbild-Charakter, sind Ansporn, in dieselbe Richtung zu gehen, „auch aus der Norm heraus, mit Regeln zu brechen“. Kürzlich wurden zwei Jungs, die bei „Voice of Germany“ einen Billie Eilish-Song sangen, von den Coaches dafür gelobt, dass ihre Interpretation gleichzeitig Fragilität und Stärke ausgestrahlt habe. Ein sich scheinbar widersprechendes Wertepärchen. „Voll spannend und gut ausgedrückt“, reagiert Julie. So habe sie über ihre Musik noch nie nachgedacht, könne sich aber gut damit anfreunden, genauso wie mit der Idee, in ihren Liedern Tiefe und Leichtigkeit zugleich zu entdecken. Tiefe, weil sie in ihren Texte „ein Stückchen aus meiner Seele“ preisgibt, Leichtigkeit, weil sie ihre Arrangements, die selbst wenn Streicher und Bläser ins Spiel kommen immer transparent bleiben, nie überfrachtet. Denn bei Julie beginnt alles leise und langsam beim Komponieren mit Gitarre oder Keyboard. Ein Charakter, der oft erhalten bleibt.
Mit Lorenzo Dolce und John Steinmark hatte Julie das Glück, Partner für die Album-Produktion zu finden, die die Musik mit ihrem intimen Charakter genau so erhalten und nur optimieren wollten, um sie auf ihrem Jazz Montez Records-Label zu veröffentlichen. „Es ist uns eine große Freude, Julie als junge Künstlerin hier aus Frankfurt dabei zu unterstützen, ihre Songwriting-Gabe, ihre Musikalität und ihre künstlerische Vision mit der Welt zu teilen“, kommentiert Steinmark. „Nachdem wir in den vergangenen Jahren vor allem Musiker aus anderen Städten und Ländern nach Frankfurt geholt haben, sind wir davon überzeugt, dass Julie den umgekehrten Weg hinaus auf internationale Bühnen gehen kann. Mit unserer Zusammenarbeit wollen wir ein Beispiel für die Förderung der jungen, lokalen Musikszene setzen.“
Dass diese Zusammenarbeit so familiär ist, spielt Julie Kuhl in die Karten. „Ich fühle mich sehr gut aufgehoben, was ich sehr wertschätze“, erklärt sie. Zu diesem inneren Kreis des Teams kamen neben Julies vier Jahre älterem Bruder Lasse von der Gruppe Sun’s Sons Lukas Wimsmeyer und Jan Philipp. Julie lobt das „Fingerspitzengefühl von John und Lorenzo, die mich mit den richtigen Leuten zusammengebracht haben – mit dem richtigen Gefühl und Gespür für meine Musik“. Um die Aufnahmen von „Born With Nostalgic Bones“ vorzubereiten, zog man sich in ein Haus in Belgien zurück. Für die Live-Umsetzung ist Julie jetzt mit ihrer Band The Lonely Freaks am Start. Ein ebenso wichtiger Faktor. „Das macht es einfacher für mich, auf der Bühne zu stehen, denn das ist schon eine sehr krasse Situation. Dann zu wissen, um mich herum sind Menschen mit denen ich mich wohl fühle, macht die Sache natürlich sehr viel leichter für mich.“
Musik spielte übrigens seit jeher eine große Rolle in Julie Kuhls Leben. „Als Kind habe ich viel gesungen, verschiedene Musikinstrumente ausprobiert und mir Songs ausgedacht in einer Fantasiesprache“, erinnert sie sich an eine Geschichte, die ihr ihre Mutter erzählt hat. „Als ich als kleines Kind im Auto saß und Musik hörte, habe ich auf die Frage, auf was ich eher verzichten könne, Musik oder Schokolade, Schokolade geantwortet. Und das, obwohl ich Schokolade liebe.“ Das würde sie heute noch so unterschreiben. „Musik ist so gut wie alles in meinem Leben. Ich könnte mir nicht vorstellen, was ich ohne Musik machen würde. Weil sie mir einfach so viel gibt. Ich finde Musik unterstreicht jegliche Art von Emotionen, macht jeden Moment nochmal schöner, selbst langweilige Busfahrten zu einem wunderschönen Erlebnis. Sowohl Musik machen als auch Musik hören ist für mich eine so tolle Sache.“ Inzwischen könnte sie sich, wenn sie ihr Fachabi gemacht hat, sogar vorstellen, Musik zu studieren. Der Gedanke an zu viel Theorie hat sie früher abgeschreckt. Aus Angst, darüber die Emotionalität zu verlieren. „Aber ich glaube nicht, dass diese Gefahr noch besteht.“
>> Julie Kuhl & The Lonely Freaks, Kunstverein Familie Montez, 26. November, 20 Uhr, weitere Infos und Tickets gibt es auf der Website von Jazz Montez
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Dieser Text ist zuerst in der November-Ausgabe (11/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
„Das trifft perfekt das Thema von meinem Album und beschreibt mich ganz gut“, sagt sie nach kurzem Überlegen. Nostalgie bedeutet für sie keinen bewussten Rückgriff auf Musiktraditionen. Für die Platte waren es aktuelle Kolleginnen wie Arlo Parks, Joy Crookes, Billie Marten und Alice Phoebe Lou, die sie inspirierten. Manchmal covert sie „Valerie“ von Amy Winehouse. Oft wird sie – wohl weil jeder sie im Ohr hat und sie so präsent ist – auf Billie Eilish angesprochen. Darauf könnte sie, wenn es zu oft passiert, genervt reagieren. Sie nimmt es stattdessen als Kompliment. „Sie ist eine sehr talentierte Musikerin, macht sehr gute Musik und ist eine sehr interessante Persönlichkeit“, relativiert sie aber lächelnd, sie sei nur „eins von fünfzig Vorbildern.“
Was müssen diese Frauen haben, um zum Leitbild zu taugen? Sie müssen stark sein, Selbstbewusstsein ausstrahlen, selbstbestimmt sein, „ihr eigenes Ding, ihre eigene Musik machen“. Dann haben sie für Julie Kuhl Vorbild-Charakter, sind Ansporn, in dieselbe Richtung zu gehen, „auch aus der Norm heraus, mit Regeln zu brechen“. Kürzlich wurden zwei Jungs, die bei „Voice of Germany“ einen Billie Eilish-Song sangen, von den Coaches dafür gelobt, dass ihre Interpretation gleichzeitig Fragilität und Stärke ausgestrahlt habe. Ein sich scheinbar widersprechendes Wertepärchen. „Voll spannend und gut ausgedrückt“, reagiert Julie. So habe sie über ihre Musik noch nie nachgedacht, könne sich aber gut damit anfreunden, genauso wie mit der Idee, in ihren Liedern Tiefe und Leichtigkeit zugleich zu entdecken. Tiefe, weil sie in ihren Texte „ein Stückchen aus meiner Seele“ preisgibt, Leichtigkeit, weil sie ihre Arrangements, die selbst wenn Streicher und Bläser ins Spiel kommen immer transparent bleiben, nie überfrachtet. Denn bei Julie beginnt alles leise und langsam beim Komponieren mit Gitarre oder Keyboard. Ein Charakter, der oft erhalten bleibt.
Mit Lorenzo Dolce und John Steinmark hatte Julie das Glück, Partner für die Album-Produktion zu finden, die die Musik mit ihrem intimen Charakter genau so erhalten und nur optimieren wollten, um sie auf ihrem Jazz Montez Records-Label zu veröffentlichen. „Es ist uns eine große Freude, Julie als junge Künstlerin hier aus Frankfurt dabei zu unterstützen, ihre Songwriting-Gabe, ihre Musikalität und ihre künstlerische Vision mit der Welt zu teilen“, kommentiert Steinmark. „Nachdem wir in den vergangenen Jahren vor allem Musiker aus anderen Städten und Ländern nach Frankfurt geholt haben, sind wir davon überzeugt, dass Julie den umgekehrten Weg hinaus auf internationale Bühnen gehen kann. Mit unserer Zusammenarbeit wollen wir ein Beispiel für die Förderung der jungen, lokalen Musikszene setzen.“
Dass diese Zusammenarbeit so familiär ist, spielt Julie Kuhl in die Karten. „Ich fühle mich sehr gut aufgehoben, was ich sehr wertschätze“, erklärt sie. Zu diesem inneren Kreis des Teams kamen neben Julies vier Jahre älterem Bruder Lasse von der Gruppe Sun’s Sons Lukas Wimsmeyer und Jan Philipp. Julie lobt das „Fingerspitzengefühl von John und Lorenzo, die mich mit den richtigen Leuten zusammengebracht haben – mit dem richtigen Gefühl und Gespür für meine Musik“. Um die Aufnahmen von „Born With Nostalgic Bones“ vorzubereiten, zog man sich in ein Haus in Belgien zurück. Für die Live-Umsetzung ist Julie jetzt mit ihrer Band The Lonely Freaks am Start. Ein ebenso wichtiger Faktor. „Das macht es einfacher für mich, auf der Bühne zu stehen, denn das ist schon eine sehr krasse Situation. Dann zu wissen, um mich herum sind Menschen mit denen ich mich wohl fühle, macht die Sache natürlich sehr viel leichter für mich.“
Musik spielte übrigens seit jeher eine große Rolle in Julie Kuhls Leben. „Als Kind habe ich viel gesungen, verschiedene Musikinstrumente ausprobiert und mir Songs ausgedacht in einer Fantasiesprache“, erinnert sie sich an eine Geschichte, die ihr ihre Mutter erzählt hat. „Als ich als kleines Kind im Auto saß und Musik hörte, habe ich auf die Frage, auf was ich eher verzichten könne, Musik oder Schokolade, Schokolade geantwortet. Und das, obwohl ich Schokolade liebe.“ Das würde sie heute noch so unterschreiben. „Musik ist so gut wie alles in meinem Leben. Ich könnte mir nicht vorstellen, was ich ohne Musik machen würde. Weil sie mir einfach so viel gibt. Ich finde Musik unterstreicht jegliche Art von Emotionen, macht jeden Moment nochmal schöner, selbst langweilige Busfahrten zu einem wunderschönen Erlebnis. Sowohl Musik machen als auch Musik hören ist für mich eine so tolle Sache.“ Inzwischen könnte sie sich, wenn sie ihr Fachabi gemacht hat, sogar vorstellen, Musik zu studieren. Der Gedanke an zu viel Theorie hat sie früher abgeschreckt. Aus Angst, darüber die Emotionalität zu verlieren. „Aber ich glaube nicht, dass diese Gefahr noch besteht.“
>> Julie Kuhl & The Lonely Freaks, Kunstverein Familie Montez, 26. November, 20 Uhr, weitere Infos und Tickets gibt es auf der Website von Jazz Montez
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Dieser Text ist zuerst in der November-Ausgabe (11/22) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
23. November 2022, 10.48 Uhr
Detlef Kinsler
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt. Mehr von Detlef
Kinsler >>
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