Am Dienstagabend trafen Depeche Mode in der ausverkauften Frankfurter Commerzbank-Arena auf eine Fanschar, die den "Spirit" frenetisch aufnahmen. Wir waren dabei und haben bei der Hitze Gänsehaut gehabt.
Thomas Ungeheuer /
Gibt es wirklich noch Leute, die denken „Depeche Mode“ sei eine nette Synthie-Pop-Band? Ja. Bloß wird keiner von ihnen in den letzten Jahren bei einem Konzert der Briten gewesen sein. Schon gar nicht bei dem, das Dave Gahan (Gesang), Martin Gore (Gitarre, Gesang, Keyboards), Andy Fletcher (Keyboards) und ihre beiden langjährigen Gäste Peter Gordeno (Keyboards) und Christian Eigner (Drums) am Dienstag in der Commerzbank Arena gaben. Als mit „Speak & Spell“ (1981) und „A Broken Flame“ (1982) die beiden ersten von insgesamt vierzehn Studioalben erschienen, konnte man die Songs der Band noch als kitschig und peinlich empfinden. Aber schon mit „Construction Time Again“ (1983) war klar, dass hier künstlerisch hochbegabte Musiker mit viel Mut zum Experiment am Werk waren. Und heute? Da zeigen sich „Depeche Mode“ live als Rock-Band in Bestform.
Nichts von Routine ist zu spüren. Vielmehr stehen Künstler auch der Bühne, die sicht- und hörbar enormen Spaß daran haben, ihre Songs zu spielen. Sicher, so ganz warm geworden sind die meisten Fans mit den Songs des neuen und auffallend düsteren Albums „Spirit“ noch nicht. Aber „Depeche Mode“ kann zumindest textlich in dem gesellschaftskritischen „Going Backwards“ enorm punkten. Hier singt Dave Gahan mit beißenden Worten von der Abstumpfung aller, die auf dem besten Weg dazu sind, wieder wie Steinzeitmenschen zu denken. Geschrieben freilich von dem musikalischen Kopf und Texter Martin L. Gore, der sich live, wie seit vielen Jahren, fast ganz auf sein Gitarrenspiel konzentriert. An der Gitarre ist er zwar immer noch kein Virtuose. Aber viele seiner Kompositionen sind in ihrer Melodieführung und mit ihrem Detailreichtum schlicht unschlagbar. Sie haben selbst nach mehreren Jahrzehnten nichts an Reiz verloren. Aber so vital und kraftvoll „Depeche Mode“ auch an diesem Abend klingen, es ist vor allem Dave Gahan, der Songs wie „In Your Room“, „World In My Eyes“ und „A Question Of Lust“ nicht zu lang vertrautem, sondern zu neuem Leben erweckt. Hier und da ändert er bei den Songs die Gesangslinien ab. Während sich Martin L. Gore im Hintergrund hält und Andy Fletcher eher wie ein Statist auf der Bühne wirkt, zieht der 55-jährige sämtliche Blicke des begeisterten Publikums auf sich. Es scheint so, als ob dieser Charismatiker die Energie, die ihm zehntausende von Fans mit ihrem stürmischen Applaus, ihren Pfiffen und Schreien entgegenbringen, im Verhältnis 1 zu 1 zurückgeben wolle. Ja, man sieht es auf den großen Videoleinwänden: Seine Augen strahlen oft. Er wirbelt unaufhörlich über die Bühne, animiert das Publikum mit seinen eigenen Bewegungen zum Tanzen, fast sich ab und an in den Schritt, dreht Pirouetten und gestikuliert theatralisch. Als es langsam dunkel wird, scheint es, als genieße Dave Gahan das Scheinwerferlicht um ein vielfaches mehr, als jedes Lebewesen auf der Erde die hellen, warmen Strahlen der Sonne. Dabei ist die Lightshow gar nicht so spektakulär.
Aber ein Mehr an Farben und Lichtern brauchen diese Musiker nicht. Was im Vordergrund steht ist eine Band, die einige ihrer vielen Hits spielt. „Everything Counts“, „Stripped“, „Enjoy The Silence“ sind absolute Höhepunkte, bei denen das Publikum in ohrenbetäubenden Jubel ausbricht. Das ist kein Pop. Nein, was „Depeche Mode“ in Frankfurt zeigen, ist eine solide Rock-Show - auch wenn Martin L. Gore im Zugabenteil, nur mit Klavierbegleitung, seine berührende Ballade „Somebody“ vorträgt und das Stadion von Lichtern der Smart-Phones erhellt wird. Mit „Walking In My Shoes“, „I Feel You“ dem David Bowie Song „Heroes“ und „Personal Jesus“ geht schließlich ein über zweistündiges, Konzert zu Ende. Und „Depeche Mode“ haben einen absolut großartigen Auftritt absolviert, der große Lust auf mehr macht. Noch im Herbst diesen Jahres kommt die Band noch einmal in die Festhalle nach Frankfurt!