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Umstrukturierungsmaßnahmen

Frankfurter Rundschau wird Berliner Zeitung

Die FR wird künftig in Berlin produziert. Nur der Lokalteil soll weiter aus der Rhein-Main-Region kommen. So sieht die geplante "Umstrukturierung" des Dumont-Verlags aus. FR-Chef wird ein alter Bekannter.
"Umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen". Das ist die Alliteration, die die Gesellschafter der Frankfurter Rundschau am 1. April wählten, um zu umschreiben, dass das Frankfurter Traditionsblatt künftig eben nicht mehr am Main, sondern an der Spree produziert wird. Angesicht der schwierigen Lage, in der sich das Haus seit Jahren befindet, ist dies gewiss kein Aprilscherz gewesen. Die Zahlen, die vom Mehrheitseigner M. DuMont Schauberg und den Miteigentümern ddvg und Karl-Gerold-Stiftung, ausgegeben wurden, hier sind sie in aller Härte zusammengefasst: 88 von 190 Stellen werden in der Redaktion eingespart. Verleger Alfred Neven DuMont schreibt in der ihm eigenen Diplomatie in der Samstagsausgabe des Blattes dazu: "Für die Mitarbeiter der Frankfurter Rundschau, die Tag für Tag eine hervorragende und geradezu leidenschaftliche Arbeit leisten, ist der Umbau der Organisation mit durchaus schmerzlichen Einschnitten verbunden."

Natürlich werden ebendiese Einschnitte auch mit den erforderlichen positiven Nachrichten verquickt, um das Gesamtbild als nicht zu verdrießlich erscheinen zu lassen. So sollen die iPad-Ausgabe der FR und die damit zusammenhängenden Technologien nach wie vor in Frankfurt produziert werden. Der Lokalteil wird "neu strukturiert und erweitert", was zumindest aus tariflicher Sicht nichts Gutes bedeuten kann. Bei der Gewerkschaft Verdi ist schon von Auslagerungen die Rede.

Letztlich findet so ein Prozess einen Abschluss, der durch den Kauf der FR durch DuMont seinen Anfang genommen hatte. Denn rein verlegerisch mag es schmeichlerisch sein, mehrere Zeitungen mit jeweils eigenen Redaktionen in Köln, Frankfurt und Berlin sein eigen zu nennen. Rein betriebswirtschaftlich fallen selbst ökonomischen Laien sogenannte Synergieeffekte ins Auge. Warum braucht es sowohl bei der verlagseigenen Berliner Zeitung wie auch bei der FR eine Politikredaktion? Warum zwei Feuilletonredaktionen, warum zwei Wirtschaftsredaktionen? Durch die DuMont-Redaktionsgemeinschaft wurde das Modell erprobt, Autoren aus den verschiedenen Ressorts zusammenzuziehen. Nun mutet dieser Schritt wie eine Etappe auf dem Weg an, Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau letztlich zu verschmelzen.

Dazu passt auch, das die FR-Chefredakteure Rouven Schellenberger und Joachim Frank ihren derzeitigen Job aufgeben müssen. Schellenberger soll die iPad- und die Online-Ausgabe des Blattes leiten, Frank wird Chefreporter für die DuMont-Gruppe. Zurück an Deck kommt Uwe Vorkötter, der das Blatt bereits einmal führte, bevor er 2009 zur Berliner Zeitung zurückkehrte, als diese von DuMont erworben wurde. Vorkötter muss als neuer FR-Chef praktischerweise nicht einmal mehr umziehen - Sitz der Hauptredaktion ist schließlich Berlin.

Die Noch-FR-Chefs nebst Geschäftsführer Karlheinz Kroke sehen in dem nun vorgestellten Modell die Möglichkeit, die Frankfurter Rundschau zu erhalten - trotz, wie es heißt, "wirtschaftlicher Zwänge". Diese sind in der Tat evident, hat doch das Blatt 2009 und 2010 seinem Verlag jeweils Verluste von über 20 Millionen Euro beschert. Der Weg wird denn auch als "unumgänglich" beschrieben. Die Gewerkschaften und der Betriebsrat sehen ebendies naturgemäß anders, am heutigen Montag beginnen die Verhandlungen.

In der Redaktion stehen die Zeichen jedenfalls auf Protest. In einer Stellungnahme in der Samstagsausgabe heißt es: "Wir verstehen sehr gut, dass gespart werden muss, wenn infolge der Wirtschaftskrise oder aufgrund struktureller Veränderungen Anzeigen ausbleiben. Aber wir wehren uns gegen Sparmodelle, die dieser Redaktion die Leidenschaft nehmen und unseren Lesern die Erfahrung einer – oft in mehr als einer Beziehung – aufregenden Zeitung."

Die Krise der FR begann bereits Anfang des vergangenen Jahrzehnts. Die Zeitung war einst 1700 Mitarbeiter stark, der Boom hatte die Investitionen - etwa in ein neues Druckhaus - noch einmal in die Höhe getrieben. Am Ende der Internetblase, die dank der Stellenanzeigen auch für die gedruckten Tageszeitungen eine Goldgrube war, stand 2003 eine Bürgschaft durch das Land Hessen, auf das die Rundschau daran genese. Innerhalb weniger Jahre wurde die Belegschaft fast halbiert. Da war Landesbürgschaft schon einem Besitz durch die SPD-Stiftung ddvg gewichen. Die wollte die Zeitung 2006 wieder loswerden, und betrieb erstmal den Rausschmiss von Chefredakteur Wolfgang Storz, was zu einem öffentlich ausgetragenen Protest der Redaktion führte. Uwe Vorkötter kam für Storz von der Berliner Zeitung, der dort im Clinch mit dem damaligen Eigentümer David Montgomery ausgeschieden war. Montgomery galt damals als so etwas wie der eiskalte Engel der internationalen Medienlandschaft, eine Heuschrecke, die in Redaktionen nur Kostenstellen sah und ansonsten dadurch charakterisiert wurde, dass er die Raumtemperatur um einige Grad senkte, wenn er hereinkam.

Angesichts solcher Rahmenbedingungen verwundert es nicht, dass die Mitarbeiter es wie ein Heilsversprechen sehen mussten, dass der alte und ehrwürdige Verleger Professor Alfred Neven DuMont im Sommer 2006 die Mehrheit der Anteile bei der FR übernahm. Bergauf ging es gleichwohl nicht. Die Auflage sank weiter, die Zahl der Mitarbeiter wurde hier und da gestutzt, auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichtete man bis auf Weiteres, auf dass kein weiterer Stellenabbau durchgesetzt werde. Die Rundschau schrumpfte auch nach außen sichtbar - mit dem handlicheren Format sollten neue Leser hinzugewonnen werden.

Die Zusammenlegung deutet sich 2008 bereits an. Einige Abteilungen ziehen nach Köln, andere nach Berlin. Die Grafik wird ausgelagert, Redakteure nicht mehr festangestellt, ein Volontärspool wird eingerichtet, der Chefredakteur Uwe Vorkötter geht zurück zur Berliner Zeitung, auch um eine engere Kooperation beider Blätter vorzubereiten. 2010 wird schließlich die DuMont-Redaktionsgemeinschaft gegründet, in die auch einige FR-Autoren und -Ressortleiter wechseln, um künftig in Politik- und Wirtschaftsfragen beide Zeitungen beliefern zu können. Gleichwohl tätigt der Verlag Investitionen. Ein neues Verlagshaus im ehemaligen Sachsenhäuser Straßenbahndepot wird bezogen, eine moderne Nachrichtenzentrale eingerichtet, die Lokalteile nach Jahren der Schrumpfung wieder runderneuert und ausgebaut, eine grafisch aufwendige Version der Zeitung fürs iPad produziert und dergleichen mehr.

Im August des vergangenen Jahres werden auch die Verhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi wieder aufgenommen: die Notstandsgesetze laufen bald aus - nur der Notstand ist noch nicht vorbei. Nicht nur der finanzielle Verlust beschäftigt den Verlag, auch die verkaufte Auflage ist im vierten Quartal 2010 unter 130.000 Exemplare gefallen. Als die Krise der FR begann, im Jahr 2003, waren es noch 185.000 verkauften Zeitungen gewesen. Ein Minus von 25 Prozent, die Zahl der Abonnenten sank gar um 35 Prozent.

Dies ist mithin Ausdruck einer allgemeinen Medienkrise, auch andere Tageszeitungen haben unter massivem Auflagen- und Anzeigenschwund zu leiden. Umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen dürfte also eine Alliteration sein, die uns in dieser Dekade im Mediensegment noch häufiger begegnen dürfte.
 
4. April 2011, 06.22 Uhr
Nils Bremer
 
 
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