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Foto: Foto: AdobeStock/hanohiki
Foto: Foto: AdobeStock/hanohiki

Cannabis-Pläne

Dem schlechten Drogen-Tourismus gute Cannabis-Touris entgegensetzen

Die geplante Cannabis-Legalisierung nimmt Fahrt auf, dabei zieht das Gesundheitsministerium aber die Handbremse. Die Frankfurter Gastronomen rund um das Netzwerk Canna Union und Kineo Medical planen weiterhin für eine Zeit nach der Prohibition.
Die Cannabis-Legalisierung, wie sie zu Beginn von der Ampel-Regierung angekündigt wurde, ist vom Tisch. In Frankfurt bereitet man sich auf eine Legalisierung-Light vor. Was bedeutet das für das Gastronomen-Netzwerk Canna Union und das Pharmaunternehmen Kineo Medical? Das JOURNAL hat mit ihnen gesprochen.

Cannabis-Vertrieb ohne Gewinn. Für die Canna Union noch interessant?

Nach der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers steht fest: Einen gewinnorientierten Verkauf wird es nicht geben. Doch eine neue Ausrichtung braucht es nicht, meint das Netzwerk. Vielmehr wolle die Canna Union im Gespräch bleiben. Mit Hanau sei man bereits in Diskussion, was man auch mit der Stadt Frankfurt erreichen wolle. Man will Partner für Modellprojekte werden und mit einem 4-Säulen-System überzeugen. Das besteht aus Bildung und Gesundheit, Jugendschutz, Sicherheit und Qualität sowie Track and Trace, besser bekannt als die Sendungsverfolgung und Überwachung von Lieferungen.

Allerdings wirft die nichtgewinnorientierte Abgabe von legalem Cannabis neue Fragen auf – insbesondere im Hinblick auf die geplanten Cannabis Social Clubs. Die produzieren nämlich Kosten, entsprechend empfindet das Netzwerk die Ampel-Pläne als recht kryptisch. Wir spielen das Szenario einmal durch: Sollten Mitglieder eines Cannabis Social Clubs mit dem Anbau, der Kultivierung, der Ernte und dem Vertrieb von Cannabis beauftragt sein, könnte das innerhalb der Vereinsstruktur funktionieren. Kosten entstehen aber dennoch. Angefangen bei der Verwaltung, bis hin zur Energie, erklärt Henrik Statz, Sprecher von Kineo. Wie Kosten gedeckt werden bzw. das Gesetz überhaupt aussehen soll, ist dem Netzwerk weiterhin unklar.

„Consumo compartido“ ist verboten

Vertreter der Ampel hatten sich im Vorfeld in anderen Ländern über Legalisierungsformen informiert, unter anderem auch in Spanien – dem Ursprung der Cannabis Social Clubs. Seit den 90er-Jahren werden diese Vereine in fast ganz Spanien toleriert. Die Doktrin eines jeden Social Clubs ist das „Consumo compartido“, also der geteilte Konsum, sprich, Cannabis vor Ort zu beschaffen und zu konsumieren. In Deutschland soll zwar vor Ort erworben werden können, rauchen im Social Club wäre nicht erlaubt. Erlaubt ist der öffentliche Konsum von Cannabis etwa ab 20 Uhr in der Fußgängerzone.

Mitinhaber von Kineo, Rocky K. Musleh, hat hierzu eine klare Meinung: „Das ist ein Riesenfehler. Der Lebenspartner, der im Verein anbaut, ist dann gezwungen, vor den Kindern Zuhause zu rauchen. Das ist einfach total verantwortungslos. Wenn man schon im Verein anbaut, dann soll man auch vor Ort konsumieren dürfen.“ Diese Pläne brächten hier keine Vorteile in der Suchtprävention und dem Jugendschutz. „Man baut da an, aber nimmt es dann mit nach Hause oder raucht es auf der Straße“, dies sei nicht zielführend. Doch er will abwarten, bis Klarheit geschaffen sei, denn Probleme mit der EU und dem Völkerrecht habe man kommen sehen.

Cannabis-Legalisierung: Probleme mit der EU und dem Völkerrecht habe man kommen sehen

James Ardinast, Gastronom aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel, ist mit seinem Bruder David Ardinast in das Cannabis-Netzwerk eingetreten. „Für uns ist es wichtig, Teil des Prozesses zu sein. Derzeit werden neue Wege geebnet und ganz Europa schaut gerade auf Deutschland. Die Bundesrepublik geht gerade voran.“ Dass sich die Legalisierung auf Modellprojekte beziehen würde, war vorhersehbar, findet Ardinast. Kineo habe viel Zeit investiert, um ein Paper zu entwerfen, das sich genau mit diesem Thema befasst.

Die Gastro-Szene bringe außerdem genügend Erfahrungswerte mit, wenn es darum geht, Räume zu schaffen, wo man Menschen zusammenbringt. Außerdem sei man sich im Netzwerk einig über die geringere Schädlichkeit von Cannabis im Vergleich zu Alkohol. „Es ist ein Weg, den man jetzt aber nun mal gehen muss. Man muss mit den Kommunen reden, Austausch schaffen und sich positionieren.“ Es gelte, Konsumenten zu repräsentieren und nicht nur über den Konsum, sondern auch über die Prävention zu sprechen.

Kein gewinnorientierter Verkauf aber trotzdem ein Erfolg

Hier will Kineo zukünftig Cannabis Social Clubs unterstützen. Laut dem Projektmanager von Kineo Medical, Dennis Cigale, sei Kineo als medizinisches Unternehmen eine gute Anlauf- und Schnittstelle und würde sich bei klarer Gesetzeslage als Dienstleister anbieten.

Wie ordnet Kineo die Tatsache ein, dass ein Anbau von Cannabis ausschließlich von den Clubs selbst erfolgen soll? Als Produzent habe man sich nie aufstellen wollen, sagt hierzu Cigale: „Wir haben uns frühzeitig dagegen entschieden, selbst Produzent zu werden. Insofern wird keine Träne vergossen, dass die Produktion von uns aus nicht bespielt werden kann.“

Wissenschaftliche Begleitung und Kostenaufwand

Fest steht, dass eine Abgabe mit wissenschaftlicher Begleitung stattfinden soll. Cigale fragt sich, wie diese wissenschaftliche Suchtprävention in einem Verein abgedeckt werden kann. Etwa durch aktive Mitglieder? Externe Fachkräfte in Form eines Sozialpädagogen, Psychologen oder Psychotherapeuten? Wie auch entschieden werde – man sei auf die Suchtprävention vorbereitet.

Bezüglich der Kosten resümiert Musleh: „Es gibt sehr viele offene Fragen.“ Wenn keiner einen solchen Club finanzieren könne, werde es auch keinen geben. Schließlich würde keiner einen solchen Club eröffnen, wenn der nicht rentabel sei. Damit müsste sich die Politik nochmal genau befassen.

Kiffender Tourismus in der Main-Metropole?

Trotz Eckpunktepapier sind Bedenken und Kritik gegenüber der Legalisierung allgegenwärtig. Aber hierauf hat die Canna Union Antworten. Zu einem möglichen Cannabis-Tourismus etwa entgegnet Musleh: „Die Infrastruktur für Tourismus ist in Frankfurt perfekt aufgestellt, da würde ich mir wenig Sorgen machen. Unsere Gemeinschaft kann genau solche Massen bespielen, denn in der Gastronomie ist das ja nichts anderes.“ Auch Ardinast hat zum Thema Cannabis-Tourismus eine Meinung:„ Wir freuen uns hier in Frankfurt über Tourismus. Es fehlen immer noch Messen und Pendler, die seit Corona eher im Home-Office sitzen und nicht mehr in die Stadt kommen. Tourismus, was harte Drogen wie Crack oder Heroin angeht, gibt es bereits im Frankfurter Bahnhofsviertel, dieser hat in den letzten Jahren vehement zugenommen. Tourismus, der auf Cannabis beruht, bietet für uns deutlich mehr Chancen. Diese Touristen haben häufig weitaus mehr physische und psychische Kapazitäten, auch andere Angebote in der Stadt wahrzunehmen, Kultur, Gastro oder Shopping." Diese Cannabis-Touris würden eher einkaufen gehen, etwas trinken oder essen und vielleicht eine Nacht bleiben.

Canna Union und Kineo wollen langfristig und nachhaltig arbeiten. Es gehe nicht nur darum, den Schwarzmarkt einzudämmen, sondern auch darum, Steuergelder zu generieren und diese etwa in Suchtprävention und Bildung zu stecken. Derzeit würde eruiert, wie man das Maximum rausholen kann. „Klar gibt es bei uns auch Gewinnabsichten, nichtsdestotrotz ist uns bewusst, dass das ein langer Weg ist.“ Erfahrung habe man genügend aus dem Bahnhofsviertel.

Kiffender Tourismus? Ja bitte!

Ardinast findet es wichtig, dass nicht nur in Bezug auf Cannabis, sondern auch bezüglich Bahnhofsviertel und Drogenkranke die Konnotation nicht immer nur negativ ist. Es sei vielmehr eine gesellschaftliche Chance, wie man mit solchen Problemen besser umgehen kann. Daher müsse ein breiter gesellschaftlicher Diskurs stattfinden, hier hinke man gegenüber anderen Ländern hinterher. Jetzt habe Deutschland die Möglichkeit, mit einer offenen, bewussten und reflektierten Gesetzgebung Weichen zu stellen, auch weltweit.

Ein grüner Daumen in Sachen Cannabis - und wie man es nicht machen sollte

Schätzungsweise vier Millionen Cannabis-Konsumenten gibt es, etwa 200 bis 400 Tonnen werden in Deutschland konsumiert, trotz Illegalität. Die Dunkelziffer ist noch viel höher. Wie kann so ein Bedarf überhaupt gedeckt werden? Solange Cannabis nicht salonfähig sei und entsprechende Anbaustrukturen in Deutschland geschaffen sind, könne der Bedarf nicht gedeckt werden, weiß man bei Canna Union. Kineo-Sprecher Statz will alles dafür tun, um die Versorgungsunterbrechung oder Unterversorgung einzudämmen.

Durch Schulungskonzepte des Kineo Campus, gerade im Bereich der Kultivierung, sollen Menschen die Möglichkeit bekommen, sich notwendige Kenntnisse anzueignen, um den kontrollierten Anbau in Vereinsstrukturen umzusetzen. Musleh fügt noch hinzu: „Wir sind auf dem richtigen Weg. Klar sind wir kein Samariter-Verein, wir haben jetzt viel Geld investiert. Aber wir haben eine soziale Verantwortung, und die nehmen wir auch an.“

Ein kritischer Blick auf das Eckpunktepapier, aber ein positiver Blick auf die Zukunft?
Zusammenfassend blickt Canna Union zwar positiv in die Zukunft, steht aber durchaus kritisch dem Eckpunktepapier gegenüber. Man könne erst in die Tiefe gehen, wenn das Papier in Stein gemeißelt sei. Die Gesellschaft stehe mit der Legalisierung vor einer großen Transformation. Für die Entkriminalisierung des Konsums und des Besitzes entscheide man sich bewusst – doch wo die Ware herkommen soll, das hätte die Ampelregierung noch nicht überdacht. In erster Linie sei die Organisation von Vereinen ohne Gewinnabsicht nicht zu Ende gedacht.

Und welche Pläne stehen jetzt in naher Zukunft an? Musleh sieht es weiterhin positiv: „Ende Mai wird unser nächstes Treffen in Hanau stattfinden, wo Kommune, Ordnungsamt, Polizei, Verwaltung und unsere Leute anwesend sein und die nächsten Schritte präsentiert werden. Unser Terminkalender bleibt voll und wird auch voll bleiben. Wir werden uns weiter auf unsere Arbeit fokussieren und uns nicht abhalten lassen.“
 
20. April 2023, 12.44 Uhr
Till Taubmann
 
Till Christian Taubmann
Jahrgang 1997, Studium in Kommunikationsdesign an der Hochschule Mainz, Arbeit als freier Illustrator, seit Januar 2023 beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Till Christian Taubmann >>
 
 
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