Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs
Foto: Constant Dullaart
Foto: Constant Dullaart

Interview mit Constant Dullaart

Wie soziale Netzwerke unsere Gesellschaft kontrollieren

Der dritte und letzte Teil unseres Interviews mit dem Künstler Constant Dullaart: Es geht darum, wie soziale Netzwerke unsere Gesellschaft beeinflussen und was wir daraus lernen können.
Ich möchte noch einmal auf einen Aspekt zurückkommen, den Sie eben ansprachen: Den Zusammenhang zwischen sozialen Netzwerken und unserer Gesellschaft. Könnten Sie das noch einmal ausführen?
Bei Instagram oder Facebook handelt es sich um kommerzielle und korrumpierbare Systeme. Das kann kein Konzept für unsere Gesellschaft insgesamt sein – wir sollten unser System nicht auf einer Idee von Popularität aufbauen. Sollten wir Veränderungen in der Kulturpolitik davon abhängig machen, welche Strömung am meisten Retweets bekommt?

Sie argumentieren von einem Spezialfall aus – nämlich dem der Fake-Profile. Wenn wir aber über Profile sprechen, hinter denen echte Menschen stehen, so dreht sich die Geschichte. Die arabischen Revolutionen wären ohne Twitter oder andere Netzwerke schließlich kaum denkbar gewesen – vom klandestinen Verabreden von Versammlungen bis zum Austausch von Ideen scheinen Facebook und Co. doch auch probate Mittel der politischen Auseinandersetzung geworden zu sein.
Das ist so, doch auch hier behagt mir der Gedanke nicht, dass die Software amerikanischer Firmen von Bewegungen in der arabischen Welt eingesetzt wurde. Einerseits weil die USA schon früher versucht haben, die Geschicke anderer Staaten durch Propaganda oder die Unterstützung von Rebellen zu beeinflussen, andererseits weil Regierungen dazu tendieren, auf die Daten von diesen Unternehmen zugreifen zu wollen. Wie wir durch die Snowden-Enthüllungen wissen, wird davon rege Gebrauch gemacht – und gewiss nicht nur in demokratischen Systemen. Zugleich reden wir hier von Wirtschaftsunternehmen, die Tag für Tag eine unglaubliche Menge von Daten über ihre Nutzer sammeln. Je mehr Daten, je mehr Informationen sie sammeln, umso größer wird ihre Macht. Bei anderen Medienunternehmen wie dem Fernsehen oder großen Zeitungen wird immer die Frage nach der Unabhängigkeit und nach der Objektivität gestellt. Da werden kommerzielle Interessen und Abhängigkeiten von Institutionen und Regierungen diskutiert. Diese Fragen werden mir in Bezug auf soziale Medien zu wenig gestellt.

Facebook oder Twitter behaupten, sie stellten nur die Plattform – erst einmal ein unpolitischer Akt.
Richtig, aber so wie ich mit äußerst einfachen Mitteln die Accounts von Kunstschaffenden verändern konnte, gibt es eben auch die Möglichkeiten für Regierungen und große Konzerne die virtuelle Realität zu verändern – mit ganz praktischen Auswirkungen auf die wirkliche Welt.

So etwas macht Amnesty International auch, indem es seine Anhänger zum Beispiel auffordert, gegen die Hinrichtung eines Straftäters Tausende von Briefen zu schreiben oder Abgeordnete anzurufen – eine Strategie schon zu Zeiten, als es noch keine sozialen Medien gab.
Sie meinen, dass es auch gute Seiten der sozialen Interaktion über die Medien gibt? Das ist gewiss so, aber wir sollten uns eben im Klaren sein, dass es zu Manipulationen und Abhängigkeiten kommen kann, wenn solche Interaktionen innerhalb von Netzwerken großer Firmen stattfinden, deren Architektur noch dazu darauf ausgelegt ist, immer nur Sachen zu unterstützen. Es darf nur geliked oder retweeted werden, ein übrigens sehr amerikanischer Gesellschaftsentwurf. Meiner Meinung nach müssen wir uns als Bürger darüber Gedanken machen, wie wir mit diesem Entwurf umgehen und ob es klug ist, dass er von wenigen großen Unternehmen geprägt wird.

Denken Sie, dass einige jüngere Menschen diesem Gedanken auch auf der Spur sind? Viele melden sich gerade von Facebook, Twitter oder Instagram ab oder nutzen diese Dienste sehr selektiv.
Ja, sie sehen, dass es auch andere Optionen gibt wie zum Beispiel Snapchat – ein Netzwerk, das Nachrichten und Fotos automatisch löscht. Das ist doch ein guter Ansatz. Wissen Sie, jetzt wo soziale Netzwerke, ob jetzt Weibo in China oder Facebook bei uns, anfangen, Personalausweise anzufordern, um die Identität ihrer Mitglieder zu überprüfen, dann beginnen die Dinge gruselig zu werden. Und dann schaut man sich nach Alternativen um.

Facebook scheint derzeit den Weg zu gehen, seine User am Liebsten rund um die Uhr bei sich zu haben – selbst Nachrichten werden direkt in Facebook eingebunden, der Link, einer der Grundpfeiler des Internets, verschwindet langsam. Bei Apple sieht es ähnlich aus …
… dazu kommt die Tatsache, dass Facebook und Google ihre eigene Netz-Infrastruktur in Ländern aufbauen, die so etwas nicht für ihre Bürger leisten können. Letztlich funktionieren diese großen Konzerne schon wie Länder. Sie stellen diese Infrastruktur natürlich nicht aus Großzügigkeit zur Verfügung, sondern weil sie mehr Menschen auf ihre Werbeangebote locken wollen, weil sie die Daten von mehr Menschen verarbeiten und nutzen wollen.

Was wollen Sie tun? Facebook verstaatlichen?
Interessanter Ansatz. Schauen Sie, das Postsystem in ihrem Land war einst in der Hand von Thurn und Taxis, einem Privatunternehmen, das später, wie ich finde aus guten Gründen, verstaatlicht – und nun leider wieder privatisiert wurde.

Was also ist ihre Lösung? Soll die Europäische Union ihr eigenes soziales Netzwerk gründen?
Nein. Wir sollten kritisch sein gegenüber den großen Konzernen und uns die Alternativen zu Facebook genau ansehen. Wir sind ein bisschen zu bequem, weil wir denken, Facebook wäre heutzutage die einzige Möglichkeit, als Mensch von anderen Menschen auffindbar zu sein. Stimmen wir darüber ab, wer der CEO von Facebook sein sollte oder wie die nächste Änderung der Nutzungsbedingungen aussieht? Google, Amazon, Apple, Facebook, Twitter – sie kontrollieren unser Leben manchmal mehr als wir glauben. Und zugleich haben wir sehr wenig Kontrolle über sie. Das sollten wir ändern.

>> Lesen Sie auch Teil 1 und Teil 2 des Interviews.
 
20. November 2015, 13.47 Uhr
Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
 
 
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
Im Rahmen der Nacht der Museen findet am Samstag im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt die Benefizauktion „Junge Kunst mit Zukunft“ statt. Es gibt 26 Werke von Studierenden zu ersteigern.
Text: Sina Claßen / Foto: © Museum Angewandte Kunst, Foto: Günzel/Rademacher
 
 
 
 
 
 
 
Ältere Beiträge
 
 
 
 
2. Mai 2024
Journal Tagestipps
Pop / Rock / Jazz
  • Josephine Foster
    Brotfabrik | 20.00 Uhr
  • Glasperlenspiel
    Kulturzentrum KUZ | 20.00 Uhr
  • Blues Caravan 2024
    Wunderbar Weite Welt Eppstein | 20.00 Uhr
Nightlife
  • Afterwork Clubbing
    Gibson | 22.00 Uhr
  • Play
    Silbergold | 23.59 Uhr
  • Alarmstufe Magenta
    Kulturclub schon schön | 23.00 Uhr
Klassik / Oper/ Ballett
  • London Symphony Orchestra
    Alte Oper | 20.00 Uhr
  • Liv Quartet
    Holzhausenschlösschen | 19.30 Uhr
  • Das Schloss am Ende der Straße
    Die Kammeroper Frankfurt im Palais Livingston | 20.00 Uhr
Theater / Literatur
  • Jedermann Reloaded
    Hessisches Staatstheater Wiesbaden | 19.30 Uhr
  • Es ist nur eine Phase Hase
    Die Komödie | 20.00 Uhr
  • Doctor Faustus
    Internationales Theater Frankfurt | 20.00 Uhr
Kunst
  • Paris, Königstein, Berlin – Louise Rösler (1907–1993)
    Museum Giersch der Goethe-Universität | 10.00 Uhr
  • RAY
    Galerie Hanna Bekker vom Rath | 19.00 Uhr
  • Anna Goschin und Felicithas Arndt
    Barbara von Stechow | 11.00 Uhr
Kinder
  • Lichtspielplatz
    DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum | 11.00 Uhr
  • Schirn Studio. Die Kunstwerkstatt
    Schirn Kunsthalle Frankfurt | 16.00 Uhr
  • Hands On! Robotics-Lab
    Stadtteilbibliothek Seckbach | 16.00 Uhr
und sonst
  • Mai- und Weinfest
    Liebfrauenberg | 11.00 Uhr
  • Aufsitzerpflanzen im tropischen Regenwald – die Spezialisten der Baumkronen
    Palmengarten | 18.30 Uhr
  • Frankfurter Kaffeehausgeschichten - Von Muckefuck bis Coffee to go
    Frankfurter Stadtevents | 14.00 Uhr
Freie Stellen