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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Der frühere MMK-Direktor Jean-Christophe Ammann

Eine lebende Legende

Als erster Direktor des MMK bewegte Jean-Christophe Ammann einiges in der Kunstwelt und auch heute ist er noch immer umtriebig. Seine Erkenntnis: "Man braucht den Instinkt eines Tieres, am besten eines Hundes."
Betritt Jean-Christophe Ammann das Museum für Moderne Kunst, kommen sofort zahlreiche Menschen auf ihn zu, um ihn freudig zu begrüßen. Das betrifft keinesfalls bloß die Kuratoren oder Pressesprecher: Von der Dame an der Garderobe bis zum Fensterputzer – jeder kennt und schätzt ihn, den Gründungsdirektor des MMK. Und der nimmt sich gerne Zeit für jeden, der ihm bei dem kleinen Ausflug an die alte Arbeitsstätte begegnet. Die Damen werden mit Handkuss und Komplimenten begrüßt, die Herren mit Schulterklopfer und fester Umarmung. Zwischendurch unterhält er sich auf Italienisch mit einem alten Bekannten, der mit fleckiger Malerhose und Stahlkappenschuhen begeistert auf das Urgestein einredet.
Im Januar wird der gebürtige Schweizer 76 Jahre alt; er hat sich gut gehalten, obwohl eine länger andauernde Erkrankung ihn im vergangenen Jahr zwang, kürzer zu treten. An seinem 75. Geburtstag vor einem Jahr hatte Jean-Christophe Amman vorgehabt, sein neues Buch „Kunst? Ja, Kunst“ vorzustellen, sowohl die Präsentation als auch die Feier zu seinen Ehren musste er absagen. Ganz fit ist er noch nicht, wie er einräumt, aber auch noch lange nicht im Ruhestand.

Seine zehnjährige Amtszeit als Direktor des MMK endete 2001, heute engagiert sich der Kurator und Art Consultant besonders intensiv in der Nachwuchsförderung: „Mich interessiert wirklich außerordentlich, was junge Künstler heute machen. Ich gebe Seminare für die Studenten an der Goethe-Universität und arbeite mit jungen Künstlern in kleinen Galerien.“ Zuletzt unterstützte Jean-Christophe Ammann zum Beispiel die Städelschülerin Valentina Stanojev bei ihrer Einzelausstellung im 1822-Forum der Sparkasse, für das Jahr 2015 hat er bereits einige neue Projekte in Planung.
Doch auch abseits von der vielversprechenden jungen Generation, gönnt sich Ammann seit seinem Ausstieg beim MMK weder Ruhe noch Rast: „Als ich 2001 mit 62 Jahren das MMK verließ, war ich zunächst acht Jahre in der Kundenbetreuung tätig. Dann habe ich mehrere große Ausstellungen organisiert und ich betreue die Fotografie-Sammlung der Deutschen Börse.“

An seine Zeit beim Museum für Moderne Kunst denkt er noch immer gern zurück, bei einem Gang durch die Hallen des Hauptgebäudes, das inzwischen MMK1 genannt wird, erinnert er sich an die Schwierigkeiten, mit denen er sich konfrontiert sah, als er in den 80er-Jahren von Basel nach Frankfurt zog. Der Bau des Museums hatte bereits begonnen, der verantwortliche Architekt war kein Geringerer als der schon damals prominente Hans Hollein und Jean-Christophe Ammann stieß mit seinen Vorschlägen und Wünschen bezüglich der Gestaltung des Hauses nicht überall auf Wohlwollen: „Von meinen Ideen wollte man erstmal nicht viel hören. Da setzte ich mich hin und schrieb einen achtseitigen Brief an den damaligen Kulturstadtrat Hilmar Hoffmann. Der war zunächst nicht sonderlich begeistert; er ließ mich um acht Uhr morgens in sein Büro kommen und fragte mich, was ich eigentlich will. Aber nachdem ich es ihm ausführlich erklärt hatte, war er auf meiner Seite und unterstützte mich.“

Er schätzt den Bau Holleins sehr, nicht zuletzt wegen der zeitlosen, klassischen Ästhetik. Es war eine gute Zeit, die er in diesen Räumen verbringen konnte, jeder Flur, jede Ecke scheint eine Erinnerung zu bergen. Heute vermisst er als einziges das kleine Café, das damals sein „Hauptquartier“ war, wie er lachend erzählt; viele wichtige Entscheidungen wurden dort getroffen. Dass das MMK inzwischen über drei Häuser verfügt, betrachtet Ammann als äußerst positive Entwicklung, besonders die kürzlich eröffnete Dependance im TaunusTurm sei aufgrund ihrer Größe eine Bereicherung: „2000 Quadratmeter zusätzliche Fläche sind für ein Museum natürlich ein beachtlicher Gewinn. Die Idee, diese Dependance zu eröffnen, war ganz hervorragend, auch wenn der Ort nicht einfach ist. Aktuell gibt es vor lauter Durchblicke keine wirklichen Räume, das lässt sich jedoch dank der flexiblen Innenarchitektur ändern.“

Noch immer sprüht Jean-Christophe Amman nur so vor Charme und Esprit. Und so fällt es ihm auch nicht schwer zu erklären, was heutige Direktoren und Kuratoren beachten müssen, in einer Zeit, die von Sparprogrammen und Kürzungen dominiert wird: „Man braucht den Instinkt eines Tieres, am besten eines Hundes. Frühe Erkenntnis ist wichtig, Intuition. Viele der Werke, die zu meiner Zeit angekauft wurden, kann man sich heute nicht mehr leisten, aber nun ist es an uns, den jungen Leuten Aufmerksamkeit zu schenken und zu schauen, wo die zyklische Kraft sich hinbewegt. Wenn alle in eine Richtung blicken, schaut der Schlaue in die andere. Heute wird der junge Künstler nicht weiter gewürdigt, aber in zehn Jahren heißt es dann: „Hätten wir damals doch bloß ...“

Den Instinkt eines Tieres, den hat er noch immer und auch den Biss, der ihn so unvergleichbar macht. Jean-Christophes Ammanns Berufung nach Frankfurt war eine glückliche Fügung, dass er geblieben ist, eine Bereicherung für die gesamte hiesige Kulturszene.


Zuerst erschienen im Journal Frankfurt vom 16.12.2014
 
15. Januar 2015, 10.21 Uhr
Ronja Merkel
 
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. – Mehr von Ronja Merkel >>
 
 
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