Demo gegen Entmietung in der Wingertstraße

„Wir bleiben“

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Eine Demo sollte den Druck auf die Eigentümer des Hauses in der Wingertstraße erhöhen. Denn die wollen sanieren, um den Wohnraum zu verkaufen. Aber die Betroffenen wehren sich gegen die Entmietung.

Christina Weber /

Es ist ein extremer Anblick, der sich im Treppenhaus in der Wingertstraße 21 bietet. Vier der zehn Wohnungen wurden komplett entkernt – dadurch zieht es von allen Seiten. Auch Fenster wurden herausgerissen und mit Planen verklebt, die fallen aber teilweise schon wieder herunter. Kabel hängen aus den Wänden. Das schlimmste Bild findet sich im obersten Stockwerk. Hier wurde das Dach bereits zu großen Teilen abgetragen. Bauplanen und Dreck säumen den Boden. Kaum zu glauben, dass hier noch Menschen wohnen. Sechs Parteien sind seit rund zwei Jahren kaum zumutbaren Umständen ausgesetzt. Auszuziehen ist aber für sie aber keine Option.

Die Rohleder und Paz GbR hat das Gebäude im Ostend vor rund zwei Jahren gekauft, um dort schicke Eigentumswohnungen entstehen zu lassen. Ein Außenaufzug ist etwa geplant sowie großzügige Balkone. Die Rechnung wurde jedoch ohne die Mieter gemacht, die leben größtenteils schon seit Jahrzehnten hier und möchten um jeden Preis bleiben. Also begannen die neuen Eigentümer mit Sanierungsarbeiten, offenbar in der Hoffnung, das Problem werde sich von selbst lösen. Aber obwohl das Haus seit geraumer Zeit eine Baustelle ist – auch von außen ist es von Baugerüsten umgeben – kämpft die Gemeinschaft weiter gegen die Entmietung. Inzwischen sind sie zum Sinnbild der Gentrifizierung geworden. Das Haus – das mit vielen „Wir bleiben“-Plakaten behängt ist – wurde über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.

Eine Demo am Donnerstagabend sollte den Druck auf die neuen Eigentümer nun weiter erhöhen – knapp hundert Menschen hatten sich dafür in der Wingertstraße versammelt. Man hoffe, auf diesem Wege etwas zu erreichen, denn Gespräche seien bis jetzt ergebnislos geblieben, sagt Mieterin Almuth Meyer. „Der Ton der Eigentümer uns gegenüber ist sehr aggressiv. Mir wurde neulich gesagt: ‚Halten Sie die Fresse und gehen Sie in ihre Wohnung'“, berichtet sie. Auch häuften sich die Schikanen – etwa werde immer wieder Strom und Wasser abgestellt, ohne die Mieter vorher zu informieren. Ausziehen wolle man aber nicht und auch nicht auf Mietminderung klagen, sondern einfach nur hier wohnen bleiben. „In den Wohnungen ist auch noch alles in Ordnung – zumindest, wenn es Wasser und Strom gibt“, so Meyer.

Zur Demo waren auch einige Politiker gekommen. Etwa Ortsvorsteher Axel Kaufmann (CDU) und Sieghard Pawlik, wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Pawlik sehe auch einen Großteil der Schuld bei der Bauaufsicht. „Hier muss man möglichst täglich kontrollieren, ob alles nach Vorschrift läuft“, sagt er. Denn Mängel auf der Baustelle gebe es zur Genüge – unternommen werde aber nichts. Simone Zapke, Leiterin der Bauaufsicht, war am Freitag persönlich vor Ort, um die Baustelle in Augenschein zu nehmen. Sie sagt, man sei seit einigen Tagen regelmäßig auf der Baustelle und habe dem Bauherren eine Frist bis Dienstag gestellt, um die drängendsten Mängel abzustellen – etwa das Haus ordnungsgemäß abzudichten. "Die Baustelle wird für die Mieter auch weiter Beeinträchtigungen mit sich bringen – unser Anliegen ist, sie zumindest zu minimieren", so Frau Zapke.

Sozialdemokrat Sieghard Pawlik konnte aber auch Erfolge vermelden. Er habe den Mietern einen Anwalt vermittelt, der bereits zwei Klagen der neuen Eigentümer zurückweisen konnte.

Bundestagsabgeordnete Ulli Nissen (SPD) konnte nicht persönlich erscheinen, hatte aber eine Vertretung geschickt, die in ihrem Namen sprach. Sie lobte den Kampfgeist der Mieter und betonte, dass dies hier nur eines von vielen Beispielen von Entmietung in der Stadt sei. Auch Sprecher von Mieter-Initiativen wie der Nachbarschaftsinitiative Nordend, Bornheim und Ostend (NBO) waren gekommen. „Wir kämpfen nicht nur für euch, ihr kämpft für uns alle“, so der Tenor der Reden.

Die 18-jährige Alice Ekoos, die seit ihrem zweiten Lebensjahr in der Wingertstraße 21 wohnt, las einen "Weihnachtsbrief an die Investoren" vor. „Uns sagten sie, bisher habe man noch jeden rausbekommen, und das in nur wenigen Monaten. Aber zwei Jahre später sind wir immer noch hier“, so Ekoos. Die Hausgemeinschaft biete den Investoren erneut an, Gespräche zu führen, um „eine ökonomische und sozialverträgliche Lösung zu finden“, las die junge Frau weiter vor. Der Brief wurde von den Demonstranten unterschrieben und soll nun an die Rohleder und Paz GbR übermittelt werden.

Anmerkung der Redaktion: Die Eigentümer waren für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Um 16.30 Uhr haben wir den Artikel um die Sichtweise der Bauaufsicht ergänzt.


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