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Foto: Nils Bremer
Foto: Nils Bremer

Grünen-Fraktionschef Manuel Stock im Interview

"Auch selbstverwaltete Zentren sind Teil einer pluralistischen Stadtgesellschaft"

Nach den G20-Protesten begann in Frankfurt eine Kampagne gegen linke Treffpunkte wie dem Café Exzess. Im Interview sagt Grünen-Fraktionschef Manuel Stock: "Was einigen schon lange nicht passte, soll nun endlich beendet werden."
Journal Frankfurt: Die Frankfurter Neue Presse hat mit ihren Berichten über das Café Exzess oder das besetzte Haus in der Au eine Debatte losgetreten, warum die Stadt solche linken Projekte toleriert oder finanziert. Dort, so schreibt das Blatt, verkehrten schließlich auch Linksextreme ...
Manuel Stock: Ich halte das für eine äußerst pauschalisierende Darstellung. Ausgangspunkt war wohl ein Treffen von autonomen Gruppen im Café Exzess, bei dem sich einige Teilnehmer wohlwollend über die Gewalt des Schwarzen Blocks beim G20-Gipfel in Hamburg geäußert haben. Waren diese Menschen in Hamburg dabei und haben dort Gewalttaten verübt? Gehören sie zum Team des Café Exzess dazu? Das alles bleibt unklar – sorgt aber dafür, dass nun neben der AfD auch die FDP einen Antrag gestellt hat, die städtische Finanzierung einzustellen und die Mietverträge aufzulösen. CDU und SPD sprechen sich dafür aus, die Projekte stärker zu beobachten. Für all dies gibt es jedoch überhaupt keinen Anlass.

Sie meinen, dass einige Politiker hier die Chance sehen, mit linken Projekten in Frankfurt aufzuräumen?
Ja. Es geht in der Debatte nicht darum, ob man teilt, was in den jeweiligen Räumen an politischer Meinung diskutiert und propagiert wird. Es geht schlichtweg darum, dass es gerade auch in Frankfurt mit seiner Tradition als Stadt des politischen Diskurses Orte gibt und geben muss, wo gesellschaftspolitische Gegenentwürfe diskutiert werden. Das macht Frankfurt aus. Die Stadt der Paulskirche, der Frankfurter Schule von Adorno und Horkheimer und als Stadt der Buchmesse steht Frankfurt für spannende und immer wieder provozierende Diskussionen, nicht für gesellschaftlichen Minimalkonsens oder gar Denkverbote.

JF: Nun: Auch im Verfassungsschutzbericht wird das Café Exzess erwähnt.
Ja, mit drei dürren Sätzen, die völlig allgemein gehalten sind. Daraus lässt sich überhaupt nichts ableiten. Was hier passiert, ist eine Generalhaft für alle Aktiven der autonomen Zentren sowie ihrer Besucherinnen und Besucher. Egal, ob es tatsächlich Verbindungen zu den Hamburger Krawallen gibt oder nicht. Der Verdacht genügt und schon steht die Meinungsfreiheit hinten an. Wie gesagt: Was einigen schon lange nicht passte, soll nun endlich beendet werden. Was an den jeweiligen Orten tatsächlich passiert, ist zweitrangig.



Ausriss aus dem Verfassungsschutzbericht 2015.

Auch die Theatergruppe Dramatische Bühne ist ins Visier der Frankfurter Neuen Presse geraten.
Was völlig absurd ist. Natürlich fördert die Stadt freie Theatergruppen, auch diese mit seinem Sitz im Café Exzess. Hier wird mit bescheidenen Mitteln deren künstlerische Arbeit gefördert, es gibt Verwendungsnachweise und all das hat mit gewaltsamen G20-Protest überhaupt nichts zu tun.



Foto: Harald Schröder

Ich will mal die umgekehrte Frage stellen: Hat Frankfurt nicht zu wenig Raum für alternative Protestkulturen, für kreative und für ungeordnete Strukturen?
Ich finde es ja gerade gut, dass die Stadt Orte wie das Café Exzess, die Au oder das Klapperfeld nicht nur toleriert, sondern das Klapperfeld „Faites votre jeu!“ zur Verfügung gestellt hat. Wir Grünen, auch wenn wir politisch nicht immer einer Meinung mit den Initiativen sind, stehen für solche Orte ein. Dass das Klapperfeld-Gefängnis bespielt werden kann, ist ein Verdienst der früheren grünen Bürgermeisterin Jutta Ebeling. Die Gruppen dort haben sich nicht einfach nur den Ort angeeignet, sie haben seine wechselvolle und verstörende Geschichte erforscht und bringen diese der Öffentlichkeit nahe. Wenn man sich noch dazu anschaut, dass die Stadt damals in Person von Liegenschaftsdezernent Olaf Cunitz etwa das Basis-Atelierhaus im Bahnhofsviertel vom Land gekauft und die langfristige Nutzung als Künstlerhaus gesichert hat, dann zeigt sich, dass die Stadt schon eine ganze Menge tut.

Zugleich steht die Stadtteilinitiative Koblenzer Straße vor dem Aus, die nicht nur ein wichtiger Anlaufpunkt für alternative und linke Initiativen in der Stadt ist, sondern die auch viel für die Belebung des Umfeldes tut. Oder es ließe sich Project Shelter nennen, die für ein selbstverwaltetes Flüchtlingsprojekt einstehen, von der Stadt aber mehr oder weniger alleingelassen wurden. Oder das Institut für vergleichende Irrelevanz (IvI) an der Uni, das nach seiner Räumung keine vergleichbaren Räume mehr fand ...
Ich sehe durchaus die Funktion, die diese Initiativen haben. Nicht aus einem ideologischen, sondern auch aus einem ganz pragmatischen Blick. Toleranz eröffnet nicht nur die Chance auf Gespräche, und die sollten wir mit der Au, mit dem Klapperfeld oder dem Exzess auch stets führen, sie sorgt auch für eine gewisse Befriedung der Stadt. Auch selbstverwaltete Zentren sind Teil einer pluralistischen Stadtgesellschaft. Das IvI ist ein gutes Beispiel. Erst nach seiner Räumung kochte die Stimmung in der linken Szene hoch, gab es vermehrt Hausbesetzungen und Proteste.



Stadtteilinitiative Koblenzer Straße. Foto: Nils Bremer

Nun ist das von der Uni einst verkaufte Gebäude durch mehrere Investorenhände gegangen, ist trotz Denkmalschutz entkernt worden und steht nach wie vor leer. Das ist doch ein Trauerspiel.
In der Tat, es ist zu einem reinen Spekulationsobjekt geworden. Außerdem hilft immer auch ein Blick in die jüngere Frankfurter Geschichte. Die Protestkultur der Vergangenheit hat einen entscheidenden Anteil am Gesicht des heutigen Frankfurt. Vieles wäre nicht erhalten geblieben, was uns heute als selbstverständlicher Teil städtischer Kultur gilt. Im Westend wären ohne die Hausbesetzungen noch mehr Gründerzeithäuser zur Profitmaximierung zerstört worden. Und vieles wäre auch nicht initiiert worden, was heute als Allgemeingut einer lebendigen Großstadt gilt.

Straftaten oder linksextreme Hochburgen kann die Stadt ja dennoch nicht wollen.
Wo Straftaten begangen werden, gibt’s klare Regeln – der Rechtsstaat gilt für alle, auch für die, die radikale Kritik äußern. Es ist nicht zu ertragen, dass es von einigen Teilen der autonomen Szene eine Verharmlosung, wenn nicht gar Rechtfertigung hemmungsloser Gewalt gibt. So diskreditiert man sich selbst im politischen Diskurs. Wenn aus einem der Orte heraus nachweisbar konkrete Straftaten geplant wurden, dann ist es selbstverständlich eine Sache des Rechtsstaats hier einzugreifen. Doch davon ist nichts zu hören. Generalverdacht und Vermutungen reichen nicht aus.

Interview: Nils Bremer
 
3. August 2017, 11.26 Uhr
red
 
 
Fotogalerie:
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