Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs
Foto: Adobe Stock/Joerg
Foto: Adobe Stock/Joerg

Demokratie gestalten

Frankfurt braucht ein „Haus der Demokratie“

Die Demokratie als Staatsform, die uns selbstverständlich erschien, ist bedroht. Das zeigt sich an den Umfragewerten und Wahlergebnissen der AfD. Ein Gastbeitrag von Uta Rasche und Bettina Wiesmann.
Mitten in Frankfurt steht mit der Paulskirche ein historisches Gebäude, das uns daran erinnert, dass eine Verfassung mit Bürger- und Freiheitsrechten nicht selbstverständlich ist. Die Paulskirchenverfassung hatte mächtige Gegner; ihre Befürworter mussten nach dem Scheitern der 1848er Revolution zum Teil auswandern, manche landeten im Gefängnis, andere starben. Schon lange besteht der Wunsch, nahe der Paulskirche ein „Haus der Demokratie“ zu errichten.

Die Paulskirche ist beim Wiederaufbau 1949 bewusst karg und schlicht gestaltet worden. Dieser besondere Charakter soll erhalten bleiben. Damit ihre Botschaften gut wirken können, braucht die Paulskirche einen „Verstärker“, einen ergänzenden Raum für Ausstellungen in zeitgemäßen Formaten, aber auch für bunte und lebhafte Kommunikation, für Videos, Inszenierungen und Workshops. Dafür brauchen wir das „Haus der Demokratie“. Weil die Kommunalpolitik von anderen Themen abgelenkt war, hatte sich bis zur 175-Jahrfeier im Mai 2023 noch nicht viel Konkretes getan. Aber jetzt muss etwas passieren.

Die Paulskirche selbst ist das „Signature Building“

Der Plan, ein Demokratiezentrum nahe der Paulskirche als Ort der historisch-politischen Bildung zu errichten, passt perfekt nach Frankfurt. Die Voraussetzungen sind im Grunde gut: Es gibt eine Förderzusage des Bundes für die Sanierung der Paulskirche, die allerdings 2024 ausläuft. Bund und Land haben darüber hinaus zugesagt, das „Haus der Demokratie“ ideell und finanziell zu unterstützen. Förderanträge können aber erst gestellt werden, wenn klar ist, in welcher Form das „Haus der Demokratie“ errichtet werden und was dort eigentlich stattfinden soll.

Eine Expertenkommission von Bund, Land und Kommune hat ihre Empfehlungen im April 2023 veröffentlicht. Nach den Empfehlungen der Kommission soll das „Haus der Demokratie“ als „Signature Building“ auf dem Paulsplatz errichtet werden und einen gemeinsamen Eingang mit der Paulskirche haben. Es soll der historischen und politischen Bildung dienen. Drei Wettbewerbe – zur Neugestaltung der Dauerausstellung, zur Frage des Bauplatzes und des Baukörpers sowie zur Möblierung des umgebenden öffentlichen Raums – sollen nach Ansicht der Kommission die Diskussion voranbringen. Die Kommission hat aber kein konkretes inhaltliches Konzept vorgelegt.

Die Frankfurter Stadtverordneten haben sich gegen eine Bebauung des Paulsplatzes ausgesprochen. Auch unserer Ansicht nach benötigen wir dort keinen großen Neubau. Vor allem ist die Paulskirche selbst das „Signature Building“. Das „Haus der Demokratie“ sollte die Paulskirche nicht in seinen Schatten stellen, sondern eine dienende Funktion haben.



Bettina Wiesmann © ?

Was soll im „Haus der Demokratie“ stattfinden, wie soll es aussehen? – „Die Ausstellung“

Wir meinen, das „Haus der Demokratie“ soll drei Funktionen erfüllen: „Ausstellung“, „Werkstatt“ und „Forum“. Die „Ausstellung“ soll zum einen die Geschichte der Nationalversammlung, der Paulskirchenverfassung und unserer Demokratie seit 1848/49 erzählen und mit Hilfe multimedialer Elemente anschaulich machen. Sie soll zum anderen die Grundbegriffe und Funktionsweisen unserer heutigen politischen Ordnung beleuchten.

Was macht die repräsentative Demokratie aus? Welche Grundrechte gelten, welche Bedeutung haben Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz, wie funktioniert die föderale Ordnung? Wie arbeiten Parteien und Fraktionen? Wie entstehen Gesetze? Wechselnde Ausstellungen können sich anderen Ausprägungen von Demokratie widmen, zum Beispiel den Zwei-Parteien-Systemen in USA und Großbritannien oder der direkten Demokratie in der Schweiz.

Die „Werkstatt“

Die „Werkstatt“ sollte demokratisches Handwerkszeug vermitteln und zum praktischen Engagement ermutigen. Behandelt werden sollten Fragen wie: Wie wirke ich zielorientiert in der Schülervertretung, im Elternbeirat, im Betriebsrat oder in parlamentarischen Gremien mit? Wie führe ich eine Wahl durch, und wie kann ich kandidieren? Über welche Medien informiere ich mich? Wie bringe ich meine Positionen außerhalb von Gremien zur Geltung? Wie gründe ich einen Verein?

Wichtige Zielgruppen sind für uns junge Menschen, Bürger anderer Muttersprachen und solche, die sich eine aktive demokratische Mitwirkung bislang nicht vorstellen können. In Zusammenarbeit mit der Stiftung „Orte deutscher Demokratiegeschichte“ könnte z.B. ein Programm für Schüler entwickelt werden, das einen Besuch der Paulskirche mit einem Praxisworkshop und einem Debattierwettbewerb verbindet. Die Überreichung eines Grundgesetzes an jeden Teilnehmer durch einen aktiven Politiker könnte am Ende stehen.

Das „Forum“

Das „Forum“ soll ein Veranstaltungszentrum sein und grundsätzliche wie auch aktuelle Fragen behandeln – Demokratie und Big Data, Demokratie und Klimawandel etc. Die traditionsreichen Preisverleihungen sollen natürlich weiterhin stattfinden, dazu Forschungsergebnisse reflektiert und interdisziplinär wie international verbunden werden. Eine Forschungsstelle gemeinsam mit der Goethe-Universität und deutschen wie europäischen Partnern könnte gebildet werden.

Um die Debatten einem breiten, über Frankfurt hinausgehenden Publikum zugänglich zu machen, sollten die Räumlichkeiten mit moderner Konferenztechnik ausgestattet sein und auch interaktive Formate mit Laborcharakter ermöglichen. Darüber hinaus wäre es attraktiv, die Bundesstiftung „Orte der deutschen Demokratiegeschichte“, die 2021 gegründet wurde und die ihren Sitz in Frankfurt hat, in der Nähe des Hauses der Demokratie anzusiedeln. Sie hat seit Oktober 2023 einen Gründungsdirektor und ist bisher übergangsweise in der Deutschen Nationalbibliothek untergebracht.



Uta Rasche © privat

Vorhandene Räume nutzen

Die Expertenkommission von Bund und Ländern nennt in ihrer Stellungnahme einen zusätzlichen Versammlungsraum für 150 bis 200 Personen nötig. Wir möchten stattdessen die nahe der Paulskirche gelegenen Versammlungssäle im Stadthaus, im Institut für Stadtgeschichte, im Historischen Museum und in den christlichen Akademien in das Nutzungskonzept einbeziehen. Räume, die man nutzen könnte, gibt es überdies in den Bethmannhöfen, im Ratskeller sowie in der Stadtkämmerei – alles in unmittelbarer Nähe der Paulskirche.

Auch der Plenarsaal der Paulskirche kann intensiver genutzt werden, z.B. zu Anschauungszwecken mittels digitaler Präsentationstechniken als auch im Hinblick auf Zielgruppen wie Jugendliche aus Ländern der EU oder aus den Frankfurter Partnerstädten. Eine flexiblere Bestuhlung sowie bessere Licht-, Klang- und Projektionstechnik benötigt er ohnehin. Im Zuge eines klimagerechten und ressourcenschonenden Bauens empfehlen wir, vorhandene Räume intensiver zu nutzen und auf einen großen Neubau zu verzichten.

„Unsere Demokratie muss nicht nur verteidigt, sondern ausgeübt werden“

Frankfurt, einst freie Reichsstadt, ist heute eine der internationalsten und dynamischsten Städte Deutschlands. Menschen aus 178 Nationen leben hier – viele von ihnen sind global vernetzt. Aber wie man sich an den Ortsbeirat wendet oder über was eigentlich die Stadtverordneten entscheiden ist oft unbekannt. Als Bürgerverein Demokratieort Paulskirche e.V. meinen wir, dass unsere Demokratie nicht nur verteidigt, sondern auch eingeübt werden muss. Wir wollen, dass das „Haus der Demokratie“ zu aktivem Engagement ermutigt und Hürden abbaut.

In Weimar wird das „Haus der Weimarer Republik“, ein sehr lebendiger Erinnerungsort der deutschen Demokratiegeschichte, übrigens von einem gemeinnützigen Verein getragen. Seit seiner Gründung im Jahr 2013 initiiert er Vermittlungs- und Vernetzungsprojekte und engagiert sich dafür, dass das Entstehen wir auch das Scheitern der ersten Republik auf deutschem Staatsgebiet besser verstanden wird.

Info
Am Samstag, 16. März, gibt es ein vom Bürgerverein organisiertes ganztägiges Ideenforum (10 bis 16 Uhr): Ziel ist die Entwicklung eines inhaltlichen Konzepts zum „Haus der Demokratie“. Ort: „Massif Central“, Bethmannstraße 7-9. Der Eintritt ist frei.

Anmeldungen erbeten unter info@demokratieort-paulskirche.de

Bettina Wiesmann ist Vorsitzende des Bürgervereins Demokratieort Paulskirche. Uta Rasche ist im Vorstand des Vereins.
 
18. Februar 2024, 12.00 Uhr
Bettina Wiesmann/Uta Rasche
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
 
 
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Meinung
Das Nachbeben des Vietnamkriegs, Kriminalgeschichten, Apokalypse und eine Publikumsbeschimpfung in Paris: unsere Streaming-Highlights im Mai. Auf Netflix, WOW, Prime, Mubi und Apple+.
Text: Daniel Urban / Foto: © 2024 Home Box Office, Inc. All rights reserved HBO ® and related channels and service marks are the property of Home Box Office, Inc.
 
 
 
 
 
 
 
Ältere Beiträge
 
 
 
 
21. Mai 2024
Journal Tagestipps
Pop / Rock / Jazz
  • Beatrice Egli
    myticket Jahrhunderthalle | 20.00 Uhr
  • Clowns
    Schlachthof | 20.00 Uhr
  • El Amir
    Internationales Theater Frankfurt | 20.00 Uhr
Theater / Literatur
  • Im Herzen tickt eine Bombe
    Schauspiel Frankfurt | 20.00 Uhr
  • Meri Valkama
    Literaturhaus Frankfurt | 19.30 Uhr
  • Stefani Kunkel spielt Hilde aus Bornheim
    Stalburg Theater | 20.00 Uhr
Kunst
  • Kollwitz
    Städel Museum | 10.00 Uhr
  • Cosima von Bonin
    Schirn Kunsthalle Frankfurt | 10.00 Uhr
  • Im Garten der Zufriedenheit
    Museum Angewandte Kunst | 10.00 Uhr
Kinder
  • Somewhere Else (Irgendwo anders)
    Hessisches Staatstheater Wiesbaden | 10.00 Uhr
  • Ronja Räubertochter
    Wasserburg | 10.00 Uhr
  • Kunst-Werkstatt
    Museum Sinclair-Haus | 15.30 Uhr
und sonst
  • Wäldchestag
    Stadtwald | 12.00 Uhr
  • Tuesday Night Skating
    Hafenpark | 20.30 Uhr
  • Rosemarie Nitribitt – Auf den Spuren der Frankfurter Edelhure "Das Original"
    Frankfurter Stadtevents | 18.00 Uhr
Freie Stellen