Fotograf Rafael Herlich ging auf die Suche nach seiner Familiengeschichte. Die führte ihn auch ins Konzentrationslager Auschwitz. Seine Eindrücke hat er fotografiert. Die Bilder sind nun in der Heussenstamm Galerie zu sehen.
Anna Schröder / Christina Weber /
„Die Arbeit an dieser Ausstellung hat im Grunde am Tag meiner Geburt begonnen‘“, so Fotograf Rafael Herlich. „Sehnsucht / Longing“ heißt die Schau, die bis zum 27. Februar in der Heussenstamm Galerie zu sehen ist. Am heutigen Dienstag um 19 Uhr wird sie eröffnet. Die Ausstellung umfasst rund 40 Bilder. Sie zeigen das heutige jüdische Leben in Polen, aber auch Erinnerungsstätten, wie ehemalige Konzentrationslager (KZ). Dafür fotografierte der 60-Jährige unter anderem Menschen in einem Kindergarten in Warschau oder in original erhaltenen Baracken im KZ Auschwitz-Birkenau (Foto).
Oft zeigen seine Fotografien mehrere Generationen, die einen starken Familienzusammenhalt demonstrieren. „Ich versuche auf meinen Bildern festzuhalten, was mir selbst als Kind gefehlt hat.“ Denn der eigene Vater verließ die Familie früh. Herlich, der in Tel Aviv geboren ist, machte sich im Alter von 18 Jahren auf die Suche nach ihm. Der Vater lebte damals in Offenbach. Ein Treffen kam zwar zustande, die Gründe für den Weggang erfuhr der Sohn aber erst viel später, nach dem Tod des Vaters.
Herlichs Vorhaben, alles über seine Familie herauszufinden, brachte ein Anruf ins Rollen. Ein unbekannter Mann erkundigte sich nach Emanuel Herlich – seinem Vater. Wie sich herausstellte, handelte es sich um Herlichs Halbbruder. Er war vom neuen Mann seiner Mutter adoptiert worden und nun auf der Suche nach dem leiblichen Vater. „Ich fragte mich, wie kann es sein, dass ein Mensch zweimal seine Familie verlässt?“, erzählt Herlich. Diese Frage ließ ihn nicht los und er begann seine Suche. Die Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem „Yad Vashem“ brachte ihn schließlich auf die richtige Spur. Hier sind die Namen aller Juden, die während des Dritten Reichs ermordet wurden, aufgelistet. Auch etliche Herlichs waren darunter. Sie stammten aus dem polnischen Ort Kalisch. So fand er schließlich seine Familie wieder.
Der Vater hatte das KZ Auschwitz-Birkenau überlebt. „Man spricht von KZ-Überlebenden, aber die Menschen sind von dort nie wirklich zurückgekehrt“, weiß Herlich heute. Darin habe der Grund gelegen, dass der Vater keine Familie führen konnte. Herlich sprach im Zuge seiner Recherchen mit weiteren Familienmitgliedern. Nur nach Kalisch ging er nie. „Das wäre für mich, wie ein Grab zu besuchen.“ Für ihn seien nun seine Bilder ein Denkmal an die Vergangenheit seiner vom Holocaust geprägten Familie.
Mittlerweile lebt Rafael Herlich schon mehr als 35 Jahre in Frankfurt und arbeitet hier als Fotograf. Im Jahr 2009 veröffentlichte er sein erstes Foto-Buch mit dem Titel „Weiterleben-Weitergeben: Jüdisches Leben in Deutschland“. Herlich hat selbst drei Kinder. Nur seine jüngste Tochter zog es wieder nach Israel. Sie leistet dort gerade ihren Armee-Dienst. Die beiden älteren Töchter sind in Deutschland geblieben.
Neben der Fotografie hat der Wahlfrankfurter ein neues Projekt gefunden. Das wiederum entstand durch einen jungen Juden, den er fotografierte. Seine Geschichte bewegte Herlich. Der Junge wurde in der Schule wegen seines Glaubens gemobbt. Als es zu einer Schlägerei kam, legte ihm der Rektor nahe, die Schule zu wechseln. Das eigentliche Problem wurde einfach ignoriert. Daher will der Fotograf nun Aufklärungsarbeit leisten. „Ich möchte mit dieser Geschichte Schulen besuchen – von Berlin bis zum Bodensee“. Rund 25.000 Schüler habe er schon erreicht. „Ich wurde überall toll empfangen“, erzählt er von seinen Schul-Besuchen.
>> Sehnsucht / Longing bis zum 27. Februar in der Heussenstamm Galerie, Dienstag bis Samstag von 12 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt frei