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Kommentar: Die Buchmesse hat richtig gehandelt

Mit Rechten reden!

Ein Ausschluss rechter Verlage wäre Wasser auf deren Mühlen gewesen. Und der Tumult bei den Verlagsständen? Wäre vermeidbar gewesen, wenn man nicht über jedes rechte Stöckchen hüpft, meint unser Autor.
„Mit Rechten reden“ – der Titel des Buchs, das der Schriftsteller und Historiker Per Leo, der Philosoph Daniel Pascal Zorn und der Jurist Maximilian Steinbeis gemeinsam geschrieben haben, dürfte wohl einer der meistzitierten der diesjährigen Frankfurter Buchmesse gewesen sein. Zwar erscheint das Buch erst in der kommenden Woche, aber es geisterte bereits als Vorabexemplar von Hand zu Hand. Schon im Frühjahr hatte Daniel Pascal Zorn, ein brillanter Denker und ein eloquenter Facebook-Diskutant, mit seinem Buch „Logik für Demokraten“ einen bahnbrechenden Zugang für den Umgang mit Rechtspopulisten angeboten. Zorns Thesen: Die Demokratie sei rein logisch die einzig mögliche Gesellschaftsform. Diese müsse im Diskurs immer verteidigt werden. Und: Das herausragende Merkmal der neuen Rechten seien deren mittlerweile perfektionierte Fähigkeit, sich selbst zu heroisieren und gleichzeitig als Opfer zu stilisieren.

Behält man all das bei der Betrachtung der Vorgänge auf der diesjährigen Buchmesse im Kopf, ergibt sich eine höchst komplexe Gemengelage. Da ist zunächst die Buchmesse selbst. „Keine Buchmesse“, so hatte es Messechef Jürgen Boos im Vorfeld betont, „kann Aussteller aus politischen Gründen ausschließen.“ Die Buchmesse hat eben nicht, wie immer wieder fälschlich behauptet wird, Aussteller wie Götz Kubitschek und dessen als Mastermind der intellektuellen Rechten firmierenden Antaios Verlag eingeladen. Das ist nicht ihr Job. Die Buchmesse kuratiert nicht, sie bildet das ab, was da ist. Ein Ausschluss rechtskonservativer, nationalistischer oder rechtsextremer Verlage wäre ohnehin Wasser auf die Mühlen der öffentlich geschickt agierenden rechten Verlage gewesen, Stichwort: Selbstviktimisierung. Die Buchmesse hatte, anders als jetzt behauptet, kaum eine Wahl. Überraschend ist allerdings, dass Messechef Boos sich von den Geschehnissen auf der Messe überrascht zeigt. Die offiziellen Statements der Messeleitung zu den Handgreiflichkeiten zwischen rechten Veranstaltern und linken Demonstranten sind so hilflos wie floskelhaft.

„Es geht“, so schreiben Leo/Zorn/Steinbeis in „Mit Rechten reden“, „schon lange nicht mehr um die Frage, ob wir mit Rechten reden sollen, sondern alleine darum, wie wir es tun.“ Und: „Bevor wir klären, wie wir mit Rechten reden wollen, müssen wir begreifen, dass sie schon seit Jahren mit uns reden. Wir spielen nämlich, ohne dass wir es zu bemerken scheinen, längst ihr Spiel. Ein Spiel, das uns ein unterlegener Gegner dank einer sehr effektiven Strategie aufgezwungen hat.“ Und das bedeutet, dass wir alle das Gleiche tun müssen, „was die Rechten schon seit dreißig Jahren tun, nur mit anderer Absicht: Wir müssen uns dem ideologischen Desaster der Linken widmen.“

Und auch das war auf der Messe in all seiner Pracht zu bestaunen. Während Kubitschek und seine Frau Ellen Kositza am Buchmessenfreitag in Seelenruhe am Stand des Klett-Cotta Verlags vorbeischlenderten und dort mit den Autoren Leo und Zorn zu sprechen, beschmierten am Vortag infantile Kindsköpfe, die sich selbst noch immer Aktivisten nennen, in schönster Jugendherbergsmanier die Publikationen ihnen missliebiger Verlage mit Zahnpasta oder räumten in nächtlichen Aktionen gleich ganz die Stände leer. Dass Ekkehard Knörer, Herausgeber des hoch renommierten Publikationsorgans „Merkur – Zeitschrift für europäisches Denken“, auf Facebook scharf dafür angegriffen wurde, dass er ein Foto von besagtem Treffen postete, passt ins Bild. Die Rechten haben die politische Welt als große Theaterbühne entdeckt. Die kuriosesten Stücke, und seien sie noch so durchsichtig inszeniert, erzeugen die größte Aufmerksamkeit. Und was machen die linken Protestler? Sie spielen in diesem Bauernschwank exakt jene Rolle, die ihnen von den rechten Regisseuren zugedacht wurde. Journalisten, die auf Ziegen starren. In Götz Kubitscheks Rittergut in Schnellroda gaben sich in den vergangenen Wochen die Journalisten die Klinke in die Hand. Es gab faszinierte Schilderungen davon, wie Kubitschek seinen Ziegen den Bauch massierte, um die Verdauung zu fördern.

Die Situation auf der Messe wiederum eskalierte endgültig, als die Antifa versuchte, eine Veranstaltung, auf der der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke auftreten wollte, zu verhindern. Daniel Pascal Zorn spricht auf Facebook von einer „dämlichen Aktion“, die darin bestehe, „eine Veranstaltung zu sprengen, die präzise darauf vorbereitet ist. Ganz unabhängig von ideologischen Positionen – das ist nicht sehr clever.“ Die einen halten Stöckchen hin, die anderen springen drüber. Die Frankfurter Buchmesse hat stets den Anspruch gehabt, ein Ort der politischen Auseinandersetzung zu sein. Niemand kann bestreiten, dass sie in diesem Jahr genau das war. Die Vorwürfe, die Buchmesse habe der neuen Rechten eine Bühne bereitet, gehen ins Leere. Noch einmal Daniel Pascal Zorn: „Die Bühne haben sie schon. Nun muss das Publikum anfangen, mündig zu werden.“ Zahnpasta und Trillerpfeifen sind in diesem Prozess eher fragwürdige Mittel.
 
15. Oktober 2017, 09.02 Uhr
Christoph Schröder
 
 
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