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Foto: Christian Nickel
Foto: Christian Nickel

Auftaktkonzert im Gallustheater

Ein Kammerorchester als Diversitätsmodell

Beim Auftaktkonzert im Gallustheater stellt sich am 13. Oktober um 20 Uhr das neue Bridges-Kammerorchester in Frankfurt vor. Das JOURNAL FRANKFURT sprach vorab mit den Bridges-Geschäftsführerinnen Anke Karen Meyer und Johanna-Leonore Dahlhoff.
JOURNAL FRANKFURT: Wenn Sie für eine kleinen Zwischenbilanz die letzten Jahre Revue passieren lassen, was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Duftmarken, die Sie mit dem Projekt setzen konnten und welches waren die Ereignisse, die den Weg von Bridges geebnet und Sie in Ihrer Idee bestärkt haben?

Anke Karen Meyer: Also die jährlichen HR-Konzerte sind sicherlich unsere öffentlichkeitswirksamstes Event - den Sendesaal werden wir nächstes Jahr hoffentlich wieder ausverkaufen, denn das Publikum schätzt unsere Musik, aber auch die Message, die wir damit transportieren: Migration und Vielfalt nicht in Grenzen, Defiziten und Bedrohungen zu denken, sondern in Möglichkeiten und Bereicherungen. Deswegen spielen unsere Ensembles auch unterjährig sehr viele Konzerte, vor allem auch für Institutionen und im privaten Rahmen – denn da werden wir auch wegen unserer Message angefragt und auch im musikpädagogischen Bereich sind wir aktiv. So können an vielen Orten, zu vielen Gelegenheiten unterschiedlichste Menschen an unserer Musik teilhaben. Ein wichtiger Punkt ist glaube ich auch unser musikalisches Niveau, das aus dem musikalischen Anspruch der Beteiligten resultiert - wenn das nicht stimmt, kommen wir am Ende auch auf keine Bühne.

Johanna-Leonore Dahlhoff: Bestärken tut uns immer wieder das begeisterte Publikum und vor allem natürlich die Bridges-Musikerinnen und -Musiker, von denen viele seit Beginn an bei uns sind und das Projekt prägen und denen wir eine Bühne bieten, die wir im Alltag unterstützen und die stolz sind, ein Teil von Bridges zu sein. Neulich haben wir es mit Hilfe unserer neu eingestellten Integrationsmanagerin geschafft, einem unserer Musiker nach jahrelangem Warten endlich einen Ausbildungsplatz zu verschaffen – das ist ein Hochgefühl für uns alle, da merken wir, wie wir neben den positiven Effekten der Musik den Werdegang unserer Musikerinnen und Musiker auch außerhalb davon unterstützen können.

Meyer: Den Weg geebnet haben uns auf jeden Fall die beiden erfolgreichen „Kulturmut“ Crowdfunding-Kampagnen von der Aventis Foundation, womit wir zwei wichtige Projekte stemmen konnten und der Gewinn des Special Impact Preises der KfW Stiftung, der uns gezeigt hat, dass wir mit dem Weg, Bridges als soziales Unternehmen zu gründen, richtig liegen. Was wir in den vier Jahren gelernt haben und was unsere Arbeit immer mehr prägt ist die Erkenntnis, dass Integration eigentlich erst anfängt wenn man sich etwas besser kennen gelernt hat und in diesem Prozess Herkunftsländer und kulturelle Zuschreibungen nichtig werden. Und dass dies alles nicht ohne Konflikte abläuft, was wir aber eher als positiv sehen, denn wer streitet, dem liegt etwas aneinander. Und wir setzen uns mit Fragen auseinander, wie: Wer integriert hier eigentlich wen, und wann fängt Diversität an? Ist Migration überhaupt noch etwas, was Sonderstatus hat oder sollten wir nicht endlich anerkennen, dass Migration schon immer normal ist? Das wollen wir ja auch mit dem Kammerorchester und vor allem dessen musikalischen Programm zeigen.

Bridges erlebte man übers Jahr hinweg durch die Auftritte der einzelnen, sehr diversen Ensembles, denen allen eines gemein ist: die integrative Idee, personell wie künstlerisch. Jetzt kommen die ersten Auftritte des Bridges-Kammerorchesters auf uns zu. Wie kam es zu seiner Gründung? Waren die jährlichen Konzerte im hr-Sendesaal da Impulsgeber für die Idee?

Dahlhoff: Die Idee zum Kammerorchester hatten wir in vager Form schon sehr früh und sie kam aus mehreren Ecken. Während wir Geschäftsführerinnen darüber intern nachgedacht haben, kam der der Wunsch dazu auch immer wieder von verschiedenen Bridges-Musiker*innen. 2017 haben wir dieses Format - 20 Personen, überwiegend Profimusiker*innen - zum ersten Mal bei einem Auftritt für die Bundesregierung ausprobiert und weil das so gut geklappt hat – und es der Bundesregierung offensichtlich auch gefallen hat - haben wir das 2018 gleich wiederholt. Die Arbeit in dem kleineren Kammerorchester ist für uns logistisch einfacher und musikalisch konzentrierter, als in dem großen Orchester, das einmal im Jahr im hr-Sendesaal auftritt. Vor allem aber ist es die regelmäßige Zusammenarbeit in einer gleichbleibenden Gruppe, die uns alle reizt. Das birgt den großen Vorteil, dass das Orchester immer mehr zusammenwächst und dadurch können wir musikalisch detaillierter arbeiten, mehr ausprobieren und unsere eigene Stilistik entwickeln.

Meyer: Das Orchesterkonzert im hr-Sendesaal – wo sich nun 2020 zum 5ten mal ein Orchester aus Bridges-Musiker*innen und Neuhinzukommenden, zusammenstellt - wird es aber auch 2020 weiterhin geben. Das hat eine ganz andere, besondere Qualität, hier steht das Voneinander lernen durch das Zusammenspiel von Profis und Amateuren im Vordergrund

Wie setzt sich das Kammerorchester zusammen? Sind da Musiker der ersten Stunde dabei oder sind es ganz neue Musiker und bleibt ein Frankfurt-Bezug erhalten? Welche Voraussetzungen müssen sie mitbringen und wie wird das Verhältnis von Musikern*innen mit und ohne Migrationshintergrund sein?

Dahlhoff: Das Kammerorchester besteht jeweils zu ca. einem Drittel aus Musiker*innen mit Fluchthintergrund, Musiker*innen mit Migrationshintergrund sowie in Deutschland aufgewachsenen Musiker*innen. In gewisser Weise kann man also sagen, dass das Kammerorchester die Vielfalt der Frankfurter Stadtgesellschaft sehr gut widerspiegelt. Wir haben Musiker*innen dabei, die von Anfang an dabei, also seit 2016 dabei sind, wie z.B. unser syrischer Konzertmeister Walid Khatba, unser iranischer Tar-Spieler Pejman Jamilpanah oder mich. Außerdem sind Musiker*innen dabei, die in den Jahren 2017 bis 2019 dazu gekommen sind. Seit 2017 sind zwei Studierende aus dem Weltmusikstudiengang der Popakademie Mannheim bei Bridges dabei und weitere haben Interesse und Gefallen an unserem Konzept gefunden, so dass die Anzahl der Mannheimer Studierenden mittlerweile auf vier gewachsen ist. Das freut uns sehr, weil wir dadurch mittlerweile in einem guten Kontakt mit der Popakademie stehen, der für beide Seiten bereichernd ist: die Studierenden machen bei uns im Orchesterspiel wertvolle Erfahrungen und wir freuen uns über das große Engagement der gut ausgebildeten Studierenden. Die Mitglieder des Kammerorchesters wohnen überwiegend in Frankfurt, aber wie schon von Beginn an kommen die Musiker*innen aus der gesamten Rhein-Main-Region, v.a. auch aus dem Raum Wiesbaden/Mainz.

Wie definieren Sie denn Kammerorchester für sich? Ganz sicher nicht als ein instrumental rein klassisch besetztes Ensemble, sondern als eines, in dem auch Instrumente dabei sind, für die man Bridges lieben gelernt hat?

Dahlhoff: Klar, für uns ist ein Kammerorchester kein klassisch besetztes Ensemble. In unserem Kammerorchester sind die typischen Bridges-Instrumente vertreten, d.h. neben europäischen Streich- und Blasinstrumenten und Gitarren gibt es den „Urgroßvater“ der Gitarre, die arabische Oud, ebenso wie das Kanun, die iranische Tar, arabische und persische Perkussionsinstrumente, mongolische Pferdekopfgeige, kolumbianische Tiple sowie die bulgarische Kaval. Je nach Konzertprogramm wird das Kammerorchester durch Gäste mit weiteren Instrumenten aus der ganzen Welt erweitert.

Meyer: Durch das Kammerorchester fördern wir die deutsche Orchesterkultur in Zusammenführung mit migrantischer Musikkultur. Wir spiegeln die Diversität Deutschlands auf der Bühne wider und wir bewegen uns dabei bewusst in einem klassisch europäisch besetzten Kultursektor, deshalb haben wir uns auch für den Begriff Kammerorchester entschieden.

Natürlich stellt sich die Frage nach dem Repertoire. Was wird das Kammerorchester spielen – auch eigene, neue Kompositionen und dazu Arrangements von Musik aus den Herkunftsländern der Mitglieder?

Dahlhoff: Wir halten es da ähnlich wie beim großen Bridges-Orchester, mit dem wir einmal im Jahr im hr-Sendesaal auftreten: zum einen berücksichtigen wir die jeweiligen Herkunftsländer der Musiker*innen und spielen mal mehr, mal weniger traditionelle Musik aus deren Heimat. Zum anderen arrangieren und komponieren unsere Musiker*innen für das Kammerorchester. Ich bin immer wieder erstaunt darüber welche großartige Musik es gibt, die hier keiner kennt. Dadurch, dass wir einen partizipativen Ansatz verfolgen und jede/r Vorschläge einbringen kann, profitieren wir hier von dem unterschiedlichen Wissen unserer Musiker*innen. Zudem suchen wir auch nach spannenden europäischen Kompositionen, die wir adaptieren können. Zum Auftakt im Oktober spielen wir z.B. unsere Version von Purcells „Dido und Aeneas“ – deshalb sind unsere Premierenkonzerte auch mit einem Zitat aus Purcells Oper betitelt: „Fear No Danger“ – und das versuchen wir auch: furchtlos und kunstvoll Einflüsse aus anderen Musikformen aufzugreifen, zu vermischen und weiterzuentwickeln.

Eine Frage nach der Förderung von Bridges? Wer sind die Geldgeber, wie werden die Gelder eingesetzt und waren die auch eine Grundlage dafür, das Kammerorchester überhaupt gründen zu können?

Meyer: Grundlage für das Kammerorchester legt das Hessische Ministerium für Soziales und Integration. Dort werden wir für drei Jahre im Rahmen des Landesprogrammes „WIR“ gefördert. WIR heißt „Wegweisende Integrationsansätze gestalten“ – und das machen wir sehr wohl mit unserem Kammerorchester. In diesem Zusammenhang wird auch ein Teil unserer festen Personalstellen gefördert: so können wir seit Juni zwei Teilzeitstellen finanzieren und haben nun neben uns einen Projektmanager für den Bereich Musikbusiness und als Assistenz für das Kammerorchester und eine Projektmanagerin für Integration im Team, was ein großer Gewinn für das Projekt ist. Wir werden mittlerweile auch längerfristig vom Kulturamt der Stadt Frankfurt gefördert, was ja nicht nur finanziell hilft, sondern auch ein Zeichen der Wertschätzung unserer Arbeit und unserer Musik ist.

Trotzdem fehlt noch was im Topf und wir freuen uns über jede Spende. Und was noch aussteht ist, das ganze Projekt langfristig auf die Bühnen zu bringen, also die Förderung unserer Konzerttour im nächsten Jahr. Viele Künstlergagen, Dirigenten, Locations und Kompositionen sind zu finanzieren – aber das kriegen wir auch noch hin! Ein Orchester ist mit das kostspieligste im Kulturbereich, die Zahl der Orchester schwindet eher und ein neues zu gründen ist schon mutig. Aber wir glauben daran: In 2018 wurde sogar eine Nominierung der deutschen Theater- und Orchesterlandschaft für die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes in Paris eingereicht.

Können die Musiker inzwischen tatsächlich auch Geld verdienen bei Bridges?

Meyer: Integration heißt ja auch Integration in den Arbeitsmarkt. Und so ist es uns natürlich wichtig, dass die Musiker*innen mit ihren Tätigkeiten – ob bei Bridges oder von Bridges vermittelt – Geld verdienen. Dass Musiker*innen sich allein durch die Beteiligung bei Bridges finanzieren können ist jedoch utopisch und auch nicht unser Ziel. Wir agieren ja auch als Netzwerk und öffnen Türen in den musikalischen Arbeitsmarkt. Sich als Musiker*in zu finanzieren ist auch schon für jene eine Herausforderung, die in Deutschland studiert haben und sich auf dem Markt auskennen. Hier merken wir immer wieder, wie wichtig neben dem fachlichen Können auch soziale, ökonomische Qualifikationen oder eine gute Selbstdarstellung sind. Auch in diesem Bereich möchten wir in Zukunft unterstützen.

>>> Bridges-Kammerorchester, Frankfurt-Premiere, 13.10., 20 Uhr, Gallustheater
 
14. September 2019, 16.18 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
Fotogalerie:
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