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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Zookunft 3000

„Ein Zoo ist ein Botschafter“

Der Frankfurter Zoo ist sanierungsbedürftig. Zugleich hat die Stadt mit der Zoologischen Gesellschaft ein weltweites Alleinstellungsmerkmal. Auch die Politik hat die Zeichen der Zeit erkannt: Tut sich jetzt endlich etwas im Frankfurter Osten?
Geht man mit Miguel Casares durch den Frankfurter Zoo, kommt unweigerlich der Augenblick, in dem man im Regen steht. Selbst wenn das Wetter draußen schön ist. Denn wenn Casares, der im Februar 2018 das Amt des Zoodirektors von seinem Vorgänger Manfred Niekisch übernommen hat, aufzeigen will, wo es im Frankfurter Zoo den größten Handlungsbedarf gibt, führt er seine Besucherinnen und Besucher ins Nashornhaus. Genauer gesagt, in dessen Keller. Dort bröckelt nicht nur der Putz von den schimmeligen Wänden, darüber hinaus tropft das Wasser von der Decke und bildet große Pfützen. Die Leitungen und Rohre sind veraltet; es riecht unangenehm – und das liegt beileibe nicht allein am natürlichen Körpergeruch der Bewohner des Hauses. „Dieses Haus“, sagt Casares, „ist für die Tierhaltung nicht mehr geeignet. Und es ist nicht das einzige dieser Art auf dem Gelände des Zoos. Hier stehen einige Zeitbomben herum.“ Das Gebäude selbst, so erzählt Casares, sei 145 Jahre alt und zum letzten Mal in den 1950er-Jahren saniert worden. Es ist nicht das einzige Haus auf dem Zoogelände, das in erbarmungswürdigem Zustand ist. Gleiches gelte für das Zebra- oder das Giraffenhaus. „Der Frankfurter Zoo hat nicht nur in der Stadt eine sehr gute Reputation“, glaubt Casares und warnt zugleich: „Aber es reicht nicht, sich darauf auszuruhen.“





Miguel Casares ist ein ungemein freund­licher, höflicher Mensch. Stets spielt ein leises Lächeln um seine Lippen. Er ist kein Showman, aber er hat klare und unverrückbare Vorstellungen davon, wie sich ein moderner Zoo im 21. Jahrhundert zu präsentieren hat, um eine Existenzberechtigung zu haben. Casares wurde in Madrid geboren und ist von Haus aus Veterinärmediziner. 1990 hat er als Student ein Praktikum am Frankfurter Zoo absolviert: „Ich habe mir kürzlich einmal die Fotos angeschaut, die ich seinerzeit gemacht habe. Es hat sich seitdem nicht sehr viel verändert.“ Das Problem ist benannt, das Problem ist bekannt und auch in der Frankfurter Politik angekommen. Das weiß Casares zu schätzen. Bereits im Jahr 2008 hat der Magistrat ein Investitions­programm in Höhe von 30 Millionen für den Zoo genehmigt, das mittlerweile abgearbeitet ist. Mit diesem Geld wurden unter anderem der Eingangsbereich modernisiert und die neue Anlage für die Bären gebaut. Dorthin führt der Zoochef uns zuerst, „denn so, wie es hier aussieht, stelle ich mir den Zoo der Zukunft vor.“ Einladend und attraktiv für die Besucherinnen und Besucher, abwechslungsreich und artgerecht für die Tiere, effizient und angenehm für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

„Wir wollen und müssen“, so Casares, „Emotionen wecken. Ein Zoobesuch muss die Gefühle ansprechen, um über diesem Umweg ein Bewusstsein für Natur- und Artenschutz zu wecken.“ Ein Zoo hat klassischerweise vier Aufgaben zu erfüllen: Bildung, Forschung, Naturschutz und Erholung. In einer Epoche, in der Tierschützer die Legitimität der Institution Zoo an sich infrage stellen und in der die Zerstörung natürlicher Lebensräume und das damit verbundene Artensterben rasant zunehmen, müssen konsequenterweise der Artenschutz und die Aufklärung im Vordergrund stehen. „Die Zeiten, in denen wir nach dem Arche-Noah-Prinzip, also: von jedem eines, den Menschen putzige Tiere vorführen können, sind vorbei“, sagt der Zoodirektor. Es geht um mehr; es geht darum, ein Bewusstsein für die bedrohte Natur zu schaffen. Casares hat ein klares Konzept für die etappenweise Neugestaltung des Frankfurter Zoos. Und er kann dabei in Frankfurt auf eine Konstellation setzen, die selbst vielen Frankfurtern nicht bekannt ist und über die sonst nur zwei weitere Städte weltweit, ­London und New York, verfügen: Im Zoo-Gesellschaftshaus hat nicht nur die Verwaltung des Zoos selbst, sondern auch die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) ihren Sitz. Der 1858 gegründete Verein startete unter der Federführung des legendären Bernhard Grzimek Ende der 1950er-Jahre ein Programm zum Schutz von Wildnisgebieten und Nationalparks, das sich bis heute zu einem mehr als 30  Projekte in 18  Ländern umfassenden Engagement ausgeweitet hat, an dem mehr als 300  Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt sind. Zoodirektor ­Casares sagt: „Im Grunde genommen müsste der Frankfurter Zoo das Schaufenster der Arbeit der Zoologischen Gesellschaft sein.“

Das sieht Christof Schenck ähnlich. Er ist seit dem Jahr 2000 der Geschäftsführer der ZGF, und er weiß genau, wovon er spricht. Schenck ist Biologe und Naturbursche im besten Sinne des Wortes. Er kennt das Leben im Dschungel, die unendlich ­langen Bootsfahrten auf dem Amazonas, auf denen man tagelang keinen Menschen zu Gesicht bekommt. Seine Dienstreisen zu den ZGF-Projekten sind Abenteuerfahrten. Das hat Auswirkungen: „Wenn ich beispielsweise in den Alpen bin, sehe ich keine unberührte Natur mehr. Ich sehe überall die Spuren des Menschen. Das ist kultiviertes Land.“ Schenck ist überzeugt davon, dass die reichen Industrieländer sich ändern müssen. Einfache Frage: Ist die Welt überhaupt noch zu retten, Herr Schenck? Die Frage findet er nicht so absurd und ­simpel, wie sie zunächst klingen mag: „Wenn wir in allen Parametern so weiterleben wie bisher“, antwortet Schenck, „dann lautet die Antwort: nein. Aber es ist noch nicht zu spät. Wir müssen mehr tun. Wir haben noch eine Chance.“ Naturschutz definiert Schenck als Menschenschutz. Für die Erde sei es schließlich relativ egal, ob Menschen da sind oder nicht; „nur für uns wird es eben irgendwann problematisch.“ Der Begriff der Wildnis spielt für Schenck und die ZGF eine entscheidende Rolle. Was das sei? Schenck umschreibt es mit der englischen Definition „The Will of Theo Land“, dem Land seinen eigenen Willen lassen. Oder einfacher gesagt: „Wildnis ist die Natur ohne uns. Eine Landschaft, die sich ohne Eingriff des Menschen genauso weiterentwickelt wie sie ist.“





Aber ist ein Zoo als kultivierter Raum nicht das genaue Gegenteil von Wildnis? „Ein Zoo“, so sagt Schenck, „ist ein Botschafter. Ebenso wie die Tiere im Zoo Botschafter sind für ihre Verwandten in der Welt. ­Grzimek hat den Zoo das größte Klassenzimmer der Welt genannt. Der Frankfurter Zoo kann im besten Fall ein Bewusstsein dafür wecken, was Wildnis ist und warum sie nötig ist.“ Mit Zoodirektor Miguel Casares ist sich Christof Schenck auch darüber einig, dass ein Zoo eine Dramaturgie braucht und „sowohl die Köpfe als auch die Herzen erreichen muss.“ Als Beispiel nennt Schenck die Plastikvermüllung der Meere: „Wir alle ­wissen das. Wir können die Zahlen nachlesen. Aber erst mit den Bildern vor Augen begreifen wir das ganze Ausmaß.“ Im umgekehrten Fall heißt das: Wenn den Zoobesuchern die Schönheit und die bedrohte Diversität der Natur vor Augen geführt wird, wächst auch automatisch der Wunsch, eben diese Natur zu erhalten. Ähnlich denkt auch Zoodirektor Miguel Casares: „Der Zoo ist mit knapp 900 000 Gästen die meistbesuchte Kulturinstitution der ganzen Stadt. Wir erreichen Menschen in jedem Alter und aus allen sozialen Schichten. Das müssen wir nutzen.“

Casares hat eine konkrete Vision im Hinblick auf den Frankfurter Zoo, die er mit dem griffigen Namen „Zookunft 2030“ umschreibt. Casares teilt das Zoogelände in drei Sektionen auf: Den zentralen Bereich rund um den Haupteingang, das Südwest-Areal und das nordöstliche Gebiet. Zunächst will er in der Mitte „Ordnung schaffen“, wie er es nennt und dann nach und nach die beiden anderen Gebiete angehen, Stück für Stück. „Zurzeit“, sagt Casares,
„ist der Zoo für mich eine große weiße Fläche, die es zu planen gilt.“ Man könne nicht überall zugleich Baustellen haben, darunter leide die Attraktivität. Im Sommer wird das neue Gehege für die Humboldt-Pinguine eröffnet. Im Südwest-Areal will Casares langfristig die afrikanischen Projekte der ZGF präsen­tieren; im Nordosten den südamerikanischen Part. In jedem der Areale soll es ein eigenes Informationszentrum geben, in dem die Arbeit der ZGF in den jeweiligen Regionen anschaulich erläutert wird. Und so seltsam es für den durchschnittlichen Zoobesucher klingen mag: „Welche Tiere wir konkret präsen­tieren, entscheidet sich erst dann.“

Abreißen, neu bauen, renovieren, sanieren, investieren. Das kostet Geld, und zwar nicht wenig. Der Zoo ist in ­städtischer Hand. Passenderweise ist die Kultur­dezernentin auch für die Belange des Zoos zuständig. „An dem gesamten Areal“, so sagt Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD), „hängt eine Gesamtvision.“ Ihre Pläne für den Zoo hat Hartwig erst kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie basieren auf der Überlegung, dass ein Zoo der Gegenwart auch ein ethischer Ort ist. Die Mittel für einen Masterplan zur Gestaltung des Zoos sind für den städtischen Doppelhaushalt 2020/2021 beantragt. Zentral in Hartwigs Gesamtplan ist die Einrichtung eines Kinder- und Jugendtheaters im maroden ZooGesellschaftshaus. Die Kosten dafür veranschlagt das Kulturdezernat auf einen Betrag zwischen 48 und 52 Millionen Euro, wobei Hartwig betont, dass etwa 35 bis 38 Millionen Euro ohnehin für die Grundsanierung des Hauses nötig wären, ganz gleich, welcher Nutzung das Gebäude im Anschluss zugeführt würde. Das Kinder- und Jugendtheater soll nach Hartwigs Plänen über eine eigenständige Intendanz und ein eigenes Ensemble verfügen, zugleich aber auch offen sein für freie Gruppen und Festivals. Den Standort Zoo betrachtet Ina Hartwig in diesem Zusammenhang als ideal: „Hier kann eine kreative Begegnungsstätte entstehen. Ein Zoo ist ein ganz wichtiger Ort für alle in Frankfurt aufwachsenden Kinder. Kultur und Natur gehen hier eine Verbindung ein. Das Kinder- und Jugendtheater kann das Potenzial, das vom Zoo ausgeht, mitnehmen.“ Unabhängig davon stößt Zoodirektor Manuel Casares mit seinen Plänen der Zoo-Umgestaltung auch im Kulturdezernat auf offene Ohren: „Man sieht mit bloßem Auge“, sagt Ina Hartwig, „dass hier etwas geschehen muss. Die Einsicht, dass die Gehege nicht auf der Höhe der Zeit sind, ist absolut da. Es ist ganz wichtig, den Masterplan zu erstellen, um dann die weiteren Schritte im Sinne der von Herrn Casares entwickelten Ideen einzuleiten.“





Auch die Zoologische Gesellschaft Frankfurt spielt in Hartwigs Plänen eine entscheidende Rolle: Die Verhandlungen mit der ZGF über ein so genanntes Conservation Centre sind soeben zum Abschluss gekommen. Demnach soll am östlichen, über Jahre geschlossenen Eingang an der Rhönstraße, ein neues Gebäude entstehen, in dem Experten aus verschiedenen Institutionen interdisziplinär zusammenarbeiten können: Die Goethe-Universität, der Palmengarten, die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und nicht zuletzt die KfW, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, als wichtiger Geldgeber. „Ein lebendiges Zentrum“, wie Christof Schenck es ausdrückt, „in dem sich die Experten von heute und morgen austauschen können.“ Ein Ort für Seminare, wissenschaftliche Tagungen, aber auch öffentliche Ausstellungen. Spätestens 2022, so avisiert es das Kulturdezernat, könnte Baubeginn sein. Die Baukosten von geschätzten 20 bis 22 Millionen Euro teilen sich die Stadt Frankfurt und die ZGF hälftig. Wenn das Conservation Centre steht, könnte mit der Sanierung des Zoo-Gesellschaftshauses begonnen werden.

Und auch wenn skeptische Stimmen wie Thomas Dürbeck, kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Römer und Mitglied der Steuerungsgruppe für das Kinder- und Jugendtheater, bemängeln, dass die Planungen finanziell nicht auf sicheren Beinen stünden – es tut sich etwas. Es gibt Ideen, es gibt einen Konsens. Über den Standort des Frankfurter Zoos als Innenstadtzoo wird ohnehin nicht mehr diskutiert. Nun muss der Zoo sich im kommenden Jahrzehnt neu erfinden.
 
29. April 2019, 14.45 Uhr
Christoph Schröder
 
 
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