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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann

"Unsere Aufgaben gehen weit über die Geldpolitik hinaus"

Jens Weidmann, sieht die Aufgaben einer Zentralbank eng begrenzt - und wiederholt seine Kritik am Anleihenkauf der EZB. Ein Gespräch kurz vor den Tagen des Offenen Tür der Deutschen Bundesbank.
JOURNAL FRANKFURT: 2011 sind Sie Präsident der Bundesbank geworden. Ein Haus, das Ihnen nicht unbekannt war.
JENS WEIDMANN: Das stimmt, ich war bereits von 2003 bis 2006 als Abteilungsleiter bei der Bundesbank. Als ich 2011 zum Präsidenten ernannt wurde und von Berlin nach Frankfurt kam, war das also eine Art Rückkehr. Die Funktion war natürlich eine andere.

Anders, weil sie plötzlich nicht mehr im Hintergrund standen, sondern im Lichte der Öffentlichkeit?
Als ich zum ersten Mal hier gearbeitet habe, war ich für die Geldpolitik zuständig. Die Positionen der Bundesbank waren mir deshalb gut bekannt und zum Teil habe ich sie auch mitgeprägt. Als Präsident vertrete ich diese Positionen, aber auch die Bundesbank insgesamt, in der Öffentlichkeit – und das sehr gerne.

Zugleich war es eine spannende, auch unruhige Zeit.
Das war so. Nicht nur wegen der Staatsschulden- und Finanzkrise. Ich hatte auch nur eine kurze Zeit, mich auf diese Aufgabe vorzubereiten. Mein Vorgänger, Axel Weber, war schließlich unerwartet zurückgetreten.

Ein Mensch, den sie gut kannten – Axel Weber war der Zweitgutachter ihrer Doktorarbeit.
Ja, unsere Wege haben sich öfter gekreuzt. Nicht nur an der Universität Bonn, sondern wir haben auch eine Weile beim Sachverständigenrat und später bei der Bundesbank zusammengearbeitet. Zuletzt haben wir uns auf der großen Bundesbankkonferenz anlässlich unserer 60-Jahr-Feier getroffen.



Herr Weber soll damals wegen einiger Beschlüsse in der Geldpolitik zurückgetreten sein. Hat sie das nicht abgeschreckt?
Ich wusste ja, was mich erwartet.

Sie haben sich dann auch gleich recht lautstark zu Wort gemeldet –in den Medien wurde es wie ein Kampf inszeniert zwischen Ihnen und EZB-Präsident Mario Draghi, der damals ebenfalls seine Arbeit aufnahm.
Das ist vielleicht die Wahrnehmung Ihrer Kollegen in den Wirtschaftsredaktionen. Ich habe es anders empfunden: Ich habe mich nicht gegen die EZB gewendet, sondern für die stabilitätsorientierten Positionen der Bundesbank und meine eigenen Überzeugungen stark gemacht. Als die EZB und die nationalen Notenbanken gezielt Anleihen bonitätsschwacher Länder kauften, bewegten sie sich im Graubereich ihres Mandats. Das aber gefährdet die Unabhängigkeit, die uns ja gerade gewährt wurde, um besser Preisstabilität sichern zu können – und die in einer Demokratie ein eng begrenztes Mandat erfordert.

Die Zentralbank darf nicht auf öffentliche Haushalte einwirken?
Richtig. Ich glaube, dass die Währungsunion nur funktionieren kann, wenn wir solide öffentliche Finanzen haben und die Notenbank sich auf ihr Mandat konzentriert. Das habe ich offensiv nach außen vertreten – so wie dies auch Axel Weber, Jürgen Stark, Otmar Issing und viele andere vertreten haben und es immer noch tun. Daran kann ich nichts Exotisches erkennen.



Kann man sagen, dass die Bundesbank ein konservatives Haus ist?
Wir fühlen uns unserer stabilitätspolitischen Tradition verpflichtet und sind überzeugt, dass Handeln und Haften in einer funktionierenden Marktwirtschaft zusammengehören. Gleichzeitig sind wir natürlich ständig bemüht, dazuzulernen und uns weiterzuentwickeln.

Typisch deutsch.
Was nicht richtig ist. Auch Mario Draghi betont zum Beispiel immer wieder die Verantwortung der Politik und die Bedeutung solider Staatsfinanzen, wenn es darum geht, die Währungsunion dauerhaft zu stabilisieren.

Womit wir zur Frage kommen, was die Bundesbank heute eigentlich macht. Sie planen einen Tag der offenen Tür –um der Bevölkerung zu zeigen, dass es neben der EZB noch eine andere Zentralbank in Deutschland gibt?
Frankfurt ist in der Tat die einzige Stadt der Welt mit zwei Zentralbanken. Beide haben einen hohen Bekanntheitsgrad, aber unsere Aufgaben sind komplex und vielfältig, sie beschränken sich eben nicht nur auf die Geldpolitik. Der Grundgedanke dabei ist Stabilität – sei es in Bezug aufs Geld, das Finanzsystem oder die Zahlungsverkehrssysteme, für die wir auch verantwortlich zeichnen. Bei unserem Tag der offenen Tür wollen wir den Bürgern zeigen, warum Stabilität für sie wichtig ist und wie wir uns dafür einsetzen.




Können Sie eigentlich die Frage noch hören: Wo ist das Gold?
Die Faszination dieses Themas kann ich gut nachvollziehen. Beim Tag der offenen Tür werden wir daher einzelne Barren zeigen. Gut bewacht, versteht sich.

Manche meinen, die Bank müsse alles Gold zurückholen.
Wir haben in den letzten Jahren im Rahmen unseres neuen Lagerstättenkonzepts viele Goldbarren nach Deutschland verlagert. Die Goldbestände ausschließlich in Deutschland zu halten, ist aber nicht sinnvoll. Für den Fall, dass man die Goldreserven eines Tages in Devisen umtauschen wollte, müsste man sie dann erst zu einem entsprechenden Handelsplatz wie London oder New York bringen.



Ihre Goldreserven wurden aber aufwendig untersucht.
In der Tat. Der Großteil der Barren wurde gewogen, geröntgt und mit Ultraschall untersucht. Nicht dass wir vorher wirklich Zweifel an der Echtheit der Barren gehabt hätten, aber jetzt haben wir einen detaillierten Nachweis darüber.

Gold schließt Verschwörungstheorien mit ein.
Die genaueste Kontrolle des Goldgehalts ist natürlich, einen Goldbarren einzuschmelzen. Dann lässt sich das Goldfeingewicht für den Barren exakt feststellen und es kann mit dem zuvor bestimmten Feinheitsgrad ein neuer Barren gegossen werden. Das haben wir mit insgesamt 55 Tonnen Gold gemacht, die wir aus New York nach Frankfurt geholt haben. Das zu erwartende Ergebnis war, dass alle Angaben in unseren Büchern bestätigt wurden. So einen neuen Goldbarren haben wir beim letzten Tag der offenen Tür ausgestellt. Das bestärkte aber die Goldzweifler in ihrer Annahme, dass wir die alten Barren nie bekommen hätten. Nun ja, alle wird man nie überzeugen können.



Obwohl es die EZB gibt, wurde die Bundesbank nicht aufgelöst. Warum?
Als die Währungsunion vereinbart wurde, hat sich die Politik ganz bewusst für ein dezentrales Notenbanksystem entschieden, weil dies am besten zur föderalen Struktur und zum Subsidiaritätsprinzip der Europäischen Union passt. Das heißt: Die Entscheidungen in der Geldpolitik werden gemeinschaftlich getroffen, für die Umsetzung sind dann vor allem die nationalen Notenbanken zuständig. Das ist manchmal etwas verwirrend, hat sich aber letztlich bewährt, da die nationalen Notenbanken die spezifischen Eigenheiten in ihren Ländern besser kennen.



Braucht die Bundesbank 10000 Mitarbeiter – oder gibt es da nicht gewisse Doppelfunktionen. Die EZB betreibt ja zum Beispiel auch Marktbeobachtungen, um ihre Entscheidungen vorzubereiten.
Unsere Aufgaben gehen ja weit über die Geldpolitik hinaus. So sorgen wir dafür, dass die deutsche Wirtschaft mit ausreichend Euro-Bargeld in hoher Qualität versorgt wird. Sehr personalintensiv ist auch die Bankenaufsicht, die wir mittlerweile gemeinsam mit der Bafin und der EZB wahrnehmen. Hier mussten wir sogar zusätzliche Mitarbeiter einstellen, weil die Arbeit nach der Finanzkrise deutlich zugenommen hat. Und mit dem Thema Finanzstabilität hat uns die Krise sogar einen ganz neuen Aufgabenbereich beschert. Ganz allgemein gilt natürlich, dass wir uns nur dann eine unabhängige Meinung bilden und in den EZB-Gremien vertreten können, wenn wir auch auf eigene Analysen zurückgreifen können. Sonst könnten wir uns den föderalen Aufbau auch sparen – und einer würde für alle entscheiden. Genau das war aber nicht die Absicht gewesen. Auch die Bundesbank hatte übrigens vor der Währungsunion eine föderale Struktur.

Sie meinen die Landeszentralbanken, die es nun nicht mehr gibt.
Ja, sie wurden durch nachgeordnete Hauptverwaltungen ersetzt. Die Strukturreform nach der Währungsunion hat starke Einschnitte bei der Bundesbank erfordert. Wir haben heute deutlich weniger Beschäftigte und weniger Standorte. Die Mitarbeiterzahl ist von 16000 auf 10000 gesunken.



Es gab relativ am Anfang ihrer Amtszeit auch starke öffentliche Proteste. Wie haben Sie die Blockupy-Proteste erlebt, bei denen hier in Frankfurt eine Zentralbank, namentlich die EZB, als undemokratisches Element gebrandmarkt wurde …
Die Proteste haben sich, so denke ich, gegen das kapitalistische System an sich gerichtet und nicht gezielt gegen eine bestimmte Institution. Für durchaus legitim halte ich übrigens die Frage nach der demokratischen Legitimation von Notenbankhandeln. In einem demokratischen System ist eine unabhängige Institution grundsätzlich ein Fremdkörper. Eine unabhängige, klar dem Ziel der Preisstabilität verpflichtete Notenbank ist aber im Interesse des Gemeinwohls, um der Politik den Zugriff auf die Notenpresse zu verwehren. Das setzt aber dann voraus, dass sich die Notenbank an ihr enges Mandat hält, transparent entscheidet und Rechenschaft über ihr Handeln ablegt.

Ihre Amtszeit läuft bis April 2019. Ist dann hier Schluss?
Grundsätzlich ist eine Wiederernennung in meinem Amt zulässig. Und mir macht die Arbeit als Bundesbankpräsident viel Freude. Ich finde es auch wichtig die stabilitätsorientierten Positionen der Bundesbank in die Diskussionen und die Entscheidungen einzubringen. Zum Beispiel kaufen die nationalen Notenbanken beim aktuellen Programm nur Anleihen ihrer eigenen Staaten. Anders als bei früheren Staatsanleiheankaufprogrammen nimmt die Bundesbank also keine Anleihen bonitätsschwacher Länder auf ihre Bilanz. Darüber hinaus ist es auch außerordentlich bereichernd, in einer so lebendigen Institution wie der Bundesbank mit so viel geballtem Expertenwissen zu arbeiten.



Es heißt, Sie gingen zur EZB …
Zweieinhalb Jahre vor Ende der Amtszeit von Mario Draghi kommt diese Debatte zu früh und führt nirgendwo hin.

Die Diskussion hatte einen etwas nationalen Anklang –in manchen Wirtschaftszeitungen hieß es, es müsse nun ein Deutscher sein.
Die Entscheidung sollte nach der Qualifikation getroffen werden – und es sollte dabei keine Nationalität von vorneherein ausgeschlossen werden.

>> Tag der offenen Tür bei der Deutschen Bundesbank
1. und 2. Juli, 10–18 Uhr, Infos: www.bundesbank.de Beachten Sie dazu auch unseren Vorschauartikel "Im Zentrum der Macht".



Abseits des Tages der Offenen Tür bietet auch das Journal Frankfurt Führungen durch das Gebäude an. Infos und Tickets: www.frankfurter-stadtevents.de
Das Interview mit Jens Weidmann erschien zuerst im Journal Frankfurt vom 27. Juni 2017. Hier können Sie ein Abo abschließen ;)
 
30. Juni 2017, 09.04 Uhr
Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
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