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Foto: Freeletics
Foto: Freeletics

Keep calm and do burpees! #freeletics

Don't feed the troll

Die 15 Wochen mit dem Freeletics-Coach sind rum und damit auch die Kolumne unserer Kunstredakteurin. In ihrem letzten Text fasst sie ihre Eindrücke zusammen und stellt fest, dass Menschen sehr anstrengend sein können.
Heute ist es genau fünf Monate und zwei Tage her, dass ich mit Freeletics begonnen habe, 15 Wochen davon habe ich mich durch den Coach anleiten lassen. Es ist an der Zeit, ein Resümee zu ziehen und den so weit verbreiteten Trend Freeletics einmal abschließend unter die Lupe zu nehmen. Nun, zunächst muss ich daran erinnern, dass ich Kunstredakteurin bin. Ich nehme mir nicht heraus, eine Sportexpertin zu sein und Fragen zu gesundheitlichen, ernährungswissenschaftlichen oder irgendwelchen anderen Problemen, die nichts mit Blickachsen oder dem Pinselduktus zu tun haben, beantworten zu können, aber ich recherchiere gründlich und gewissenhaft.

Als ich die Freeletics-Kolumne begann, sah ich darin einen großen Spaß, eine nette Abwechslung zu den zahllosen Ausstellungsbesprechungen; ich war überzeugt, dass meine größte Herausforderung darin bestehen würde, jedes Workout zu beenden, gleich bei welchem Wetter. Einfach war das tatsächlich nicht, es gibt Angenehmeres als bei Minusgraden durch knöcheltiefen Schnee zu robben oder sich im Dunkeln bei strömenden Regen durch Schlammlöcher zu kämpfen. Aber meistens habe ich es durchgezogen, nicht immer, aber immer öfter. Die bisherigen Resultate können sich sehen lassen: Auf meinem Handy befinden sich inzwischen mehr Fotos von meinem Bizeps als von meinem Freund und ich habe die Angewohnheit entwickelt, meine Oberschenkel anzuspannen, wenn ich nervös oder gestresst oder auch einfach gelangweilt bin – der Anblick dieses so schön gestalteten Muskels beruhigt mich.

Aber auch, wenn ich mich inzwischen fühle, als sei ich eine von Michelangelo persönlich modellierte Skulptur, muss ich sagen, dass ich Freeletics und das, wodurch es getragen wird, nämlich seine Community, für die mit Abstand nervigste Sache halte, die mir seit Langem begegnet ist. Ich dachte, ich sei abgehärtet durch die oft doch etwas speziellen, aber meist liebenswerten Paradiesvögel der Kunstszene – ein Irrtum, wie ich jetzt weiß. Stunden meines Lebens habe ich damit zugebracht, mich durch die Massen an Facebook-Freeletics-Gruppen zu lesen, um möglichst viel über die Menschen, die diesen Sport betreiben, herauszufinden. Ich hatte große Pläne: Ich wollte mich mit Gleichgesinnten zum gemeinsamen Training treffen, sie interviewen, erfahren, warum sie so begeistert von Freeletics sind. Etwa nach einer Woche fiel mir zum ersten Mal auf, wie boshaft viele der Mitglieder reagieren können, wenn jemand eine kritische Meinung äußert. Ein Post, in meinen Augen harmlos, der von eventuellen gesundheitlichen Risiken bei hochintensivem Training handelte, und die halbe Community ging auf die Barrikaden. Da waren Kommentare dabei, die kennt man sonst nur von den Lesern der Bild. Ich verbuchte das als kleinen Ausrutscher, wie er vorkommen kann in dieser modernen Sache, die sich Internet nennt, doch schon bald wurde mir klar, dass dies keine Ausnahme war und dass sogar noch weitere, schrecklich nervtötende Aspekte hinzukamen.

Manchmal saß ich für eine gefühlte Ewigkeit einfach nur reglos und mit offenem Mund vor meinem Laptop und scrollte durch die vielen Einträge der Facebook-Gruppen – es war überwältigend, faszinierender als jeder Kinofilm. Noch jetzt muss ich den Kopf schütteln bei der Erinnerung an die oberflächlichen, hasserfüllten und vollkommen überflüssigen Beiträge, die dort zu lesen waren. Das fing an bei jungen Frauen, ich erwähnte sie schon einmal in einem früheren Text, die Bilder von sich in Unterwäsche hochluden und dazu schrieben, dass ihnen das ja eigentlich unangenehm sei, aber das macht ja gerade jeder. Dann waren da die Typen, die jeden Tag schrieben, wie krass sie gerade trainiert haben und wie geil ihnen alles weh tut. Freeletics ist der Hammer! (Tipp am Rande: Jungs, achtet mal lieber auf eure Ausführung. Wenn ich meine Push-Ups so schludere wie ihr, reiße ich auch 50 Stück in einer Minute runter.) Und dann gab es die Trolle, Menschen, die über jede Meinung und jedes Wissen erhaben sind und alles niederschreien, was ihrem kleinen Hobby ein Haar krümmen möchte. Ich bewundere die Personen, die wirklich den Spaß und die Disziplin aufbringen, Freeletics drei-, vier- oder auch fünfmal die Woche zu machen, die morgens um 6 Uhr am Osthafen ihre Burpees weghauen und dann noch in die Kamera strahlen können, aber der Großteil der aktiven Community besteht scheinbar leider aus kritikresistenten Möchtegern-Sportlern, die glauben, sie wären Hades persönlich, nur weil sie mal drei Klimmzüge geschafft haben. Es tut mir sehr leid für euch, aber ihr seid es nicht. Und Freeletics ist nicht so fehlerfrei, wie ihr es euch gerne einredet.

Zunächst wäre da die App, eine tolle Unterstützung, sehr hilfreich, aber leider an einigen Stellen fehlerhaft und ein Fall für einen guten Programmierer. Den will sich Freeletics, aber anscheinend nicht leisten, denn einige Probleme, die besonders bei der iOS-Version häufiger auftreten, sind seit Monaten bekannt und werden dennoch nicht behoben. In-App-Kauf ist ein solches Sorgenkind: Mal funktioniert es, meistens eher nicht. Man sollte meinen, dass ein Unternehmen, das Pro7 als Medienpartner hat, bereit ist, Geld in die Entwicklung ihres Produkts zu stecken. Das ist man seinen zwei Millionen Mitgliedern dann doch schuldig.

Dann sind da die gesponserten Athleten, die Promis der Freeletics-Welt. Auf der Website kann man sich die wirklich faszinierenden Körpertransformationen dieser Athleten in Videos anschauen, dass sie tausende Follower haben überrascht nicht wirklich. So bald einer dieser göttergleichen Sportler ein Workout postet, überschlagen sich die Kommentare ihre Fans vor Begeisterung. Aber ist denn nie einem aufgefallen, dass einige der Damen und Herren oft tage-, manchmal wochenlang gar kein Workout loggen? Machen sie etwa keinen Sport mehr oder, noch schlimmer, interessiert sie dieser ganze Freeletics-Hype nicht wirklich und sie machen einfach ihr Programm, ohne sich ständig mit dem Coach aufzuhalten? Und wieso wird einem ein Großteil der Übungen gestrichen, wenn man den Coach nicht verlängert und vorher nicht die Pro-App hatte? Das ist doch schon eine sehr fiese Art, jemanden von einem Abonnement überzeugen zu wollen. Natürlich ist Freeletics immer noch wesentlich günstiger als eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio, aber cool ist die zuletzt genannte Maßnahme nun wirklich nicht.

Freeletics ist ein toller Sport, der mich überzeugt hat und den ich gerne weitermachen möchte. Aber diesen ganzen aufgebauschten künstlichen Hype braucht kein Mensch. Die Kolumne endet heute, was sicher mindestens 90 Prozent derer freuen wird, die diesen Text lesen, und ich werde, sobald der Artikel online ist, aus sämtlichen Facebook-Gruppen austreten, bevor mein vor Staunen aufgerissener Mund noch eine Kiefersperre erfährt. Aber fühlt euch frei, mir eure Sorgen, Ärgernisse und Fragen per Mail oder als Kommentar direkt unter dem Artikel mitzuteilen.

>> Alle Freeletics-Kolumnen nochmal zum Nachlesen
 
20. Januar 2015, 10.43 Uhr
Ronja Merkel
 
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. – Mehr von Ronja Merkel >>
 
 
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