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Kifög-Proteste

Kinderförderung ohne Geld?

4000 Menschen demonstrierten am Dienstag gegen das neu beschlossene Kinderförderungsgesetz, das 2014 in Kraft treten soll. Erzieher und Eltern befürchten einen Qualitätsverlust in der Bildung ihrer Kinder.
Vom 1. August an haben ein- bis dreijährige Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Doch um dies zu gewährleisten, fehlen deutschlandweit über 200.000 Kita-Plätze. Auch qualifiziertes Fachpersonal wird dringend benötigt. Allein in Hessen bräuchte es 4000 bis 5000 weitere Erzieher. Das bis zum Stichtag diese Engpässe nicht bewältigt sein werden, ist auch der Hessischen Landesregierung bewusst. Um eventuellen Klagen entgegenzuwirken, wurde nun ein Kinderförderungsgesetz (Kifög) verabschiedet, das zum 1. Januar 2014 rechtskräftig werden soll und vorgibt, so viel Fördergeld in den Ausbau der Kindertagesstätten zu investieren, wie nie zuvor. 424,5 Millionen Euro sollen von 2014 bis 2018 jährlich an die Kitas verteilt werden. Doch eine Qualitätsgarantie für die Erziehung und Bildung der Kinder gewährleistet dies nicht.

Am Dienstag demonstrierten 4000 Erzieher, Eltern und Kinder gegen den Beschluss des Kinderförderungsgesetzes. Um 13.30 Uhr startete vom Museumspark Sachsenhausen, vom Willy-Brandt-Platz, von der Hauptwache und der Konstablerwache aus ein Sternmarsch zum Römer. Mit zahlreichen Plakaten, Bannern und Trillerpfeifen marschierten die Protestler unter Rufen und Pfeifen zu der Kundgebung, die um 14.30 Uhr vor dem Römer begann. Redner war unter anderem Marek Körner vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Er sprach sich deutlich gegen das Kifög aus und machte klar, dass Erzieher und Eltern dieses „schlechte“ Gesetz nicht akzeptieren werden. „Wir sind für kleine Gruppen, für Fachpersonal und für moderne Bildungsstandards. Das Kifög entspricht nicht den Erziehungsansprüchen und seine Einführung ist ein Skandal!“, so Körner.

Was verändert sich durch das Kifög? Bisher erhielten Kitas pro Gruppe eine Förderung. Mit dem neuen Gesetz wird eine Pro-Kopf-Pauschale eingeführt. Für jedes Kind erhalten die Kindergärten und Tagesstätten einen festgelegten Förderbetrag. Dies klingt zwar grundsätzlich gut, Erzieher und Eltern befürchten jedoch, dass hier eine Anreizfinanzierung stattfindet. Die Kitas, denen es ohnehin massiv an Geld fehlt, würden durch diese Maßnahme verstärkt dazu verleitet die Gruppengrößen anzuheben und die maximale Anzahl von 25 Kindern pro Gruppe auszureizen. Doch ohne größere Räumlichkeiten und ausreichend Fachpersonal, kann bei einer solchen Überflutung keine individuelle Förderung und Erziehung der Kinder erfolgen, so die Argumente der Kifög-Gegner.

Bereits jetzt können die Kitas froh sein, wenn ihnen bei 20 Kindern zwei Betreuer zur Verfügung stehen. Die Einrichtungen drohen durch das Kifög zur Aufbewahrungsstation zu verkommen, fürchten viele Eltern. Erzieher sind keine bloßen Aufsichtspersonen, die den ihnen anvertrauten Kindern eine Kiste Bauklötze hinstellen und dann Kaffe trinken gehen. Erzieher erfüllen einen Bildungsauftrag. Damit Kinder sich geistig und körperlich gut entwickeln können, benötigen sie Bezugspersonen, die ihnen nicht nur Geborgenheit und Zuneigung geben, sondern sie auch in ihrer sozialen Entwicklung fördern. Es benötigt Zeit und Raum, um auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes einzugehen. Und es benötigt qualifiziertes Fachpersonal. Dort liegt die zweite absurde Neuregelung des Kifögs versteckt.

Mit dem neuen Gesetz soll den Kitas ermöglicht werden, bis zu 20 Prozent fachfremdes Personal einzustellen. Man möchte nicht behaupten, dass Menschen ohne Ausbildung im sozialen Bereich nicht in der Lage seien mit Kindern zu arbeiten, aber ist die langjährige Ausbildung zum Erzieher, Sozialassistenten oder Sozialpädagogen noch etwas wert, wenn jeder Fachfremde die Kinderbetreuung übernehmen kann? „Erzieher ist nicht einfach ein Beruf, es ist eine Berufung.“, sagen die Kritiker des Kifög. „In den verschiedenen Ausbildungen wird ein immenses Fachwissen vermittelt. Es reicht nicht, gut mit Kindern umgehen zu können. Es treten immer wieder schwierige Situationen auf und es braucht eine fundierte Ausbildung, um zu wissen, wie man in solchen Situation richtig und pädagogisch wertvoll handelt.“ Auszubildende der SRH Fachschulen äußerten, sie fürchten um das Image ihres Berufs. „Den Leuten wird durch dieses Gesetz vermittelt, wir würden den ganzen Tag einfach nur mit den Kindern spielen, ohne wirklich etwas zu leisten. Vielen ist gar nicht bewusst, dass es ihr Nachwuchs, ihre Zukunft ist, den wir jeden Tag betreuen, Werte vermitteln und bei der Entwicklung unterstützen.“ Schriftlich haben die Auszubildenden die Folgen der drohenden Entprofessionalisierung festgehalten: „[…] Das neue Kinderförderungsgesetz hat […] unserer Meinung nach, eine ganz besondere negative Auswirkung auf die pädagogische Qualität einer Kindertagestätte. Stellen Sie sich doch einmal vor, Sie haben zwanzig Jahre lang als Förster gewirkt und sollen nun in einer Kita arbeiten. Welche Probleme könnte das mit sich bringen? […] Als Förster fehlen Ihnen […] die pädagogischen Instrumente, um kindliche Prozesse fachgerecht steuern zu können. Eines dieser Werkzeuge erzieherischen Handels ist zum Beispiel das der Konfliktlösungskompetenz. Während Sie wahrscheinlich einen Schuss aus Ihrer Büchse loslassen, wirkt man als pädagogisch geschultes Personal auf der verbalen Ebene beschwichtigend, einfühlsam und lösungsorientiert. […]“

Mehr Geld ersetzt keine Fachkräfte und bringt auch nicht die Zeit, die es braucht, um auf den Nachwuchs professionell einzugehen. Jedes Kind ist anders, benötigt in der Erziehung einen besonderen Schwerpunkt. Ein behindertes Kind zum Beispiel braucht eine spezielle Fürsorge, für die es auch dementsprechend geschulte Erzieher benötigt. Bereits jetzt kann eine ausreichende Betreuung kaum gewährleistet werden. Wie soll sich dies positiv ändern, wenn die Gruppen noch weiter überfüllt werden und noch dazu fachfremdes Personal die Erziehung übernimmt, fragen sich sowohl Eltern, als auch Erzieherinnen und Erzieher.

CDU und FDP argumentieren, dass keine Kita gezwungen werde die Gruppengrößen anzuheben oder auf das ungeschulte Personal zurückzugreifen. Doch bei dem vorherrschenden finanziellen und personellen Mangel, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die besten Absichten bezüglich der Qualitätssicherung in den Hintergrund geraten. Dazu kommt der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, den Eltern einfordern. Den Tagesstätten bleibt gar keine andere Wahl, als das Maximum der vorhandenen Plätze zu belegen.

„Die Kita Qualität-befindet sich im Sinkflug. Die Kommunen sind Finanzsklaven. Zwangsläufig werden mehr Fachfremde eingestellt. Und qualifizierte Leute, wie Musikpädagogen, kommen für so ein Gehalt doch nicht in die Kitas,“ argumentierte Marek Körner.
 
6. März 2013, 10.37 Uhr
rom
 
 
Fotogalerie: Kifög-Demo Qualität statt Quantität
 
 
 
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Text: ktho/dpa / Foto: © Adobe Stock/Tupungato
 
 
 
 
 
 
 
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