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Integrationspolitiker Turgut Yüksel:
„Die Politik hat den Antisemitismus unterschätzt“
Turgut Yüksel (SPD) sagt: Der Antisemitismus gehe quer durch die Gesellschaft, er ist alles andere als ein muslimisches Problem. Und: Was alltäglichen Rassismus angeht, säßen Muslime und Juden in einem Boot.
Die eigene Meinung kundzutun und dafür zu demonstrieren, ist ein wichtiges Gut in unserer Verfassung. Deshalb haben alle Menschen, auch die Muslime, das Recht, hier gegen israelische Palästinapolitik zu demonstrieren und sie zu kritisieren. Diese berechtigte, obwohl zum Teil sehr einseitige Kritik, jedoch legitimiert keine antisemitischen Haltungen oder gar die Infragestellung des Existenzrechts Israels. Viele demonstrieren zwar gegen Israel, meinen dabei aber oft die Juden. Gerade wir in Deutschland, auch die Migrantinnen und Migranten, müssen wissen, dass die Gründung des Staates Israel ein Ergebnis der barbarischen Vernichtung der Juden durch den deutschen Nationalsozialismus war. Das verpflichtet alle in Deutschland lebenden Menschen zu einer besonderen Verantwortung.
Was sich in den letzten Wochen auf deutschen Straßen zugetragen hat, ist entsetzlich und darf in seiner gesellschaftspolitischen Bedeutung nicht unterschätzt werden. Viele von denen, die sich heute überrascht und schockiert zeigen, waren jedoch gewarnt und hätten den absehbaren Entwicklungen längst entgegentreten müssen.
Die Warnungen wurden ignoriert
In meiner Zeit als Stadtverordneter hat die SPD-Fraktion über Jahre hinweg immer wieder vor den Gefahren einer subtilen islamistischen Radikalisierung gewarnt, für die der Antisemitismus eine zentrale Indoktrinationsquelle darstellt. Diese Warnungen wurden wissentlich ignoriert oder aus falsch verstandener Toleranz heraus hingenommen. Mitnichten haben wir es also mit einem neuartigen Phänomen zu tun. Dass es nun jedoch erstmals für alle sichtbar zutage tritt, zeigt nur wie verankert antisemitischer Islamismus bereits in unserer Gesellschaft ist.
Diese Äußerungen sind jedoch weder für Migrantinnen und Migranten noch für Angehörige des Islam repräsentativ, wenngleich eine nicht unerhebliche Anzahl von Muslimen Juden gegenüber mit Vorurteilen behaftet ist. Insgesamt sind höchstens 20 Prozent der Muslime in Gemeinschaften organsiert und nur eine kleine Gruppe denkt fundamentalistisch oder ist bereits radikalisiert.
Es muss gelingen, eine klare Trennung zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischem Programm zu vollziehen, auch um die Mehrheit der Muslime, die integriert und friedlich in unserem Land lebt, zu schützen. Denn zieht man diese Grenze nicht, werden sich die Ressentiments der Mehrheitsgesellschaft, die ihrerseits zum Teil islamophobe Einstellungen hat, irgendwann gegen den Islam als solchen richten. Die Konsequenzen für unser Zusammenleben könnten verheerend sein.
Die Politik hat die Folgen dieser Entwicklung, zum Beispiel den Salafismus, viel zu lange unterschätzt und allzu oft auf Sicherheitsfragen reduziert. Es braucht jedoch eine langfristig angelegte, ganzheitliche Strategie, um Kinder und Jugendliche wirksam vor radikal-islamistischen Missionierungsversuchen zu schützen. Denn viele der jungen Migranten, die wir zuletzt haben gegen Israel protestieren sehen, wissen kaum etwas über die dahinterstehenden politischen Prozesse und eifern den Propagandisten nach.
Antisemitismus als verbindendes Element quer durch die Gesellschaft
Mit der islamischen Tradition der Eltern- und Großelterngeneration hat dies nichts zu tun. Im Zuge der Re-Islamisierungsbewegung und der ersten Diskussionen über Mohammed-Karikaturen wurde offensichtlich, dass es in vielen verschiedenen Communities bedenkliche Anzeichen von Rassismus und Antisemitismus gibt. Dies betrifft sowohl Jugendliche aus islamischen Herkunftsfamilien als auch deutsche Jugendliche mit einer stark islamophoben und antisemitischen Vorurteilsstruktur. Antisemitismus ist von daher häufig ein verbindendes Element quer durch die Gesellschaft.
Auf der anderen Seite steht insbesondere ein Teil der muslimischen Jugendlichen zunehmend unter islamistisch-fundamentalistischem Einfluss – einerseits durch arabische oder türkische Satellitensender und Zeitungen, andererseits durch das Moscheen-Umfeld sowie durch das Internet. Auch die offizielle politische Propaganda einiger ausländischer Regierungen wie z.B. der Türkei unter Ministerpräsident Erdogan, der bei zahlreichen seiner öffentlichen Auftritte die Hamas bejubelt und Israel mit dem Dritten Reich vergleicht, befeuert den Antisemitismus dieser Jugendlichen.
Wir als Politik und Gesellschaft müssen uns stark machen gegen Antisemitismus, Rassismus und für eine gesellschaftliche Kultur, in der Islamisten jeglicher Couleur mit ihren simplen Parolen keinen Nährboden mehr finden. Deren Verschwörungstheorien, die Israel und die USA als Wurzel allen Übels 'entlarven', gewinnen ansonsten weiter an Zuspruch. Solch ein platter Antiimperialismus macht Selbstmordattentäter und islamistische Terroristen wie Al-Nusrah und ISIS zu Widerstandskämpfern und predigt Solidarität mit diesem „Widerstand“.
Rassismus ist nicht nur Islamfeindlichkeit
Ein weiteres Problem ist, dass ein Teil der islamischen Organisationen unter Rassismus bisher in erster Linie Islamfeindlichkeit versteht. Gerade von den muslimischen Vereinen, die sich zum Grundgesetz bekennen, sollte aber auch eine eindeutige und aktive kritische Haltung zum Antisemitismus erwartet werden. Wie viele andere säkular eingestellte Menschen erwarte ich eindeutige Antworten – nicht nur auf dem Papier, sondern in der Praxis – auf die hinlänglich bekannten Kontroversen des Alltags: Wie steht es mit der konsequenten Bekämpfung des Antisemitismus als einer Form des Rassismus? Sind sie bereit, die undemokratischen Praktiken in einigen islamisch geprägten Herkunftsländern konkret und konsequent zu verurteilen?
Leider wurde dieses Thema in vielen Bereichen tabuisiert und nicht ernst genug genommen. Es gibt keine umfassende Strategie, lediglich einige Projekte. Von zentraler Bedeutung ist eine offene Gesprächs- und Debattenkultur in der Gesellschaft, in den Schulen und in außerschulischen Bereichen wie in Jugendeinrichtungen und Vereinen (siehe auch oben), die die Werte unserer freiheitlichen Kultur gegen radikales, intolerantes Gedankengut stark macht und verteidigt.
Was sich in den letzten Wochen auf deutschen Straßen zugetragen hat, ist entsetzlich und darf in seiner gesellschaftspolitischen Bedeutung nicht unterschätzt werden. Viele von denen, die sich heute überrascht und schockiert zeigen, waren jedoch gewarnt und hätten den absehbaren Entwicklungen längst entgegentreten müssen.
Die Warnungen wurden ignoriert
In meiner Zeit als Stadtverordneter hat die SPD-Fraktion über Jahre hinweg immer wieder vor den Gefahren einer subtilen islamistischen Radikalisierung gewarnt, für die der Antisemitismus eine zentrale Indoktrinationsquelle darstellt. Diese Warnungen wurden wissentlich ignoriert oder aus falsch verstandener Toleranz heraus hingenommen. Mitnichten haben wir es also mit einem neuartigen Phänomen zu tun. Dass es nun jedoch erstmals für alle sichtbar zutage tritt, zeigt nur wie verankert antisemitischer Islamismus bereits in unserer Gesellschaft ist.
Diese Äußerungen sind jedoch weder für Migrantinnen und Migranten noch für Angehörige des Islam repräsentativ, wenngleich eine nicht unerhebliche Anzahl von Muslimen Juden gegenüber mit Vorurteilen behaftet ist. Insgesamt sind höchstens 20 Prozent der Muslime in Gemeinschaften organsiert und nur eine kleine Gruppe denkt fundamentalistisch oder ist bereits radikalisiert.
Es muss gelingen, eine klare Trennung zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politischem Programm zu vollziehen, auch um die Mehrheit der Muslime, die integriert und friedlich in unserem Land lebt, zu schützen. Denn zieht man diese Grenze nicht, werden sich die Ressentiments der Mehrheitsgesellschaft, die ihrerseits zum Teil islamophobe Einstellungen hat, irgendwann gegen den Islam als solchen richten. Die Konsequenzen für unser Zusammenleben könnten verheerend sein.
Die Politik hat die Folgen dieser Entwicklung, zum Beispiel den Salafismus, viel zu lange unterschätzt und allzu oft auf Sicherheitsfragen reduziert. Es braucht jedoch eine langfristig angelegte, ganzheitliche Strategie, um Kinder und Jugendliche wirksam vor radikal-islamistischen Missionierungsversuchen zu schützen. Denn viele der jungen Migranten, die wir zuletzt haben gegen Israel protestieren sehen, wissen kaum etwas über die dahinterstehenden politischen Prozesse und eifern den Propagandisten nach.
Antisemitismus als verbindendes Element quer durch die Gesellschaft
Mit der islamischen Tradition der Eltern- und Großelterngeneration hat dies nichts zu tun. Im Zuge der Re-Islamisierungsbewegung und der ersten Diskussionen über Mohammed-Karikaturen wurde offensichtlich, dass es in vielen verschiedenen Communities bedenkliche Anzeichen von Rassismus und Antisemitismus gibt. Dies betrifft sowohl Jugendliche aus islamischen Herkunftsfamilien als auch deutsche Jugendliche mit einer stark islamophoben und antisemitischen Vorurteilsstruktur. Antisemitismus ist von daher häufig ein verbindendes Element quer durch die Gesellschaft.
Auf der anderen Seite steht insbesondere ein Teil der muslimischen Jugendlichen zunehmend unter islamistisch-fundamentalistischem Einfluss – einerseits durch arabische oder türkische Satellitensender und Zeitungen, andererseits durch das Moscheen-Umfeld sowie durch das Internet. Auch die offizielle politische Propaganda einiger ausländischer Regierungen wie z.B. der Türkei unter Ministerpräsident Erdogan, der bei zahlreichen seiner öffentlichen Auftritte die Hamas bejubelt und Israel mit dem Dritten Reich vergleicht, befeuert den Antisemitismus dieser Jugendlichen.
Wir als Politik und Gesellschaft müssen uns stark machen gegen Antisemitismus, Rassismus und für eine gesellschaftliche Kultur, in der Islamisten jeglicher Couleur mit ihren simplen Parolen keinen Nährboden mehr finden. Deren Verschwörungstheorien, die Israel und die USA als Wurzel allen Übels 'entlarven', gewinnen ansonsten weiter an Zuspruch. Solch ein platter Antiimperialismus macht Selbstmordattentäter und islamistische Terroristen wie Al-Nusrah und ISIS zu Widerstandskämpfern und predigt Solidarität mit diesem „Widerstand“.
Rassismus ist nicht nur Islamfeindlichkeit
Ein weiteres Problem ist, dass ein Teil der islamischen Organisationen unter Rassismus bisher in erster Linie Islamfeindlichkeit versteht. Gerade von den muslimischen Vereinen, die sich zum Grundgesetz bekennen, sollte aber auch eine eindeutige und aktive kritische Haltung zum Antisemitismus erwartet werden. Wie viele andere säkular eingestellte Menschen erwarte ich eindeutige Antworten – nicht nur auf dem Papier, sondern in der Praxis – auf die hinlänglich bekannten Kontroversen des Alltags: Wie steht es mit der konsequenten Bekämpfung des Antisemitismus als einer Form des Rassismus? Sind sie bereit, die undemokratischen Praktiken in einigen islamisch geprägten Herkunftsländern konkret und konsequent zu verurteilen?
Leider wurde dieses Thema in vielen Bereichen tabuisiert und nicht ernst genug genommen. Es gibt keine umfassende Strategie, lediglich einige Projekte. Von zentraler Bedeutung ist eine offene Gesprächs- und Debattenkultur in der Gesellschaft, in den Schulen und in außerschulischen Bereichen wie in Jugendeinrichtungen und Vereinen (siehe auch oben), die die Werte unserer freiheitlichen Kultur gegen radikales, intolerantes Gedankengut stark macht und verteidigt.
26. August 2014, 11.14 Uhr
Turgut Yüksel
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