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Foto: picture alliance/Joerg Carstensen/dpa
Foto: picture alliance/Joerg Carstensen/dpa

Bundestag stimmt für Migrationspaket

„Hau-ab-Gesetz“ stürzt SPD tiefer in die Krise

Am Freitag hat der Bundestag ein Gesetzespaket zu Migration und Asyl verabschiedet. Darin enthalten sind unter anderem Änderungen zur Unterbringung von abgelehnten Asylbewerbern und neue Regeln zur Einwanderung von Fachkräften. Kritik erfährt wegen ihrer Zustimmung vor allem die SPD.
In einem offenen Brief hatten 22 Organisationen, darunter Pro Asyl und Amnesty International, vor der Durchsetzung des Migrationspakets gewarnt. Es sei „verfassungsrechtlich höchst bedenklich und menschenunwürdig“. Am Freitag wurde es dennoch von der Großen Koalition durch den Bundestag gebracht, Grüne und Linke waren zuvor gescheitert, das im Eiltempo verabschiedete Gesetzespaket zu verhindern. Massive Kritik kam im Vorfeld auch vonseiten der FDP. Fraktionsvize Stephan Thomae bezeichnet gegenüber der Augsburger Allgemeinen Teile der Beschlüsse als „rechtswidrigen Systembruch“.

Die wichtigsten Änderungen

Doch was bedeutet das Migrationspaket überhaupt konkret? Besonders umstritten und Auslöser für die teils heftigen Debatten ist das von Horst Seehofer eingebrachte „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“, das inzwischen in der öffentlichen Diskussion vor allem als „Hau-ab-Gesetz“ bezeichnet wird. Das Gesetz regelt eine Verschärfung des Asylrechts, gleichzeitig soll das Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte erleichtern. Die Bundesregierung hofft, zukünftig mehr Menschen abschieben zu können, nachdem 2018 jede zweite Abschiebung gescheitert ist. Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass tatsächlich mehr abgelehnte Asylbewerberinnen und -bewerber abgeschoben werden können, da dies nicht nur mit der Kooperation der abzuschiebenden Person, sondern auch mit der des Herkunftslandes zusammenhängt.

Eine Änderung für Asylsuchende, die sich mit dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ ergibt, betrifft die Abschiedehaft. Mit der Gesetzesänderung können Abschiebekandidaten zukünftig in regulären Haftanstalten untergebracht werden. Zwar soll die Unterbringung getrennt von den Strafgefangen passieren, dennoch wird vor allem dieser Punkt besonders stark kritisiert. Laut Europarecht ist es verboten, abgelehnte Asylsuchende zusammen mit verurteilten Straftätern in Gefängnissen unterzubringen. „Sollte dieses Gesetz in Kraft treten, werden Zehntausende in Deutschland permanent in Angst vor Haft und vor Abschiebung in einem Zustand der Perspektivlosigkeit leben“, hieß es im Vorfeld in dem erwähnten offenen Brief. Das Gesetz schließe Asylsuchende dauerhaft von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben aus, da es sie unverhältnismäßigen Sanktionen und einer uferlosen Ausweitung der Haftgründe aussetze.

Eine weitere Änderung betrifft die sogenannten Ankerzentren. Bisher wurden Asylsuchende dort maximal sechs Monate festgehalten, zukünftig kann die Dauer bis zu 18 Monaten ausgeweitet werden. Davon ausgenommen sind Familien, für die weiterhin die sechs Monate gelten. Außerdem sollen Flüchtlinge, denen bereits von einem anderen EU-Staat internationaler Schutz gewährt worden ist, keinen Anspruch mehr auf Sozialleistungen in Deutschland haben, wenn der internationale Schutz fortbesteht. Auch die Wohnsitzauflage wurde angepasst. Bisher galt, dass sich Asylbewerberinnen und -bewerber drei Jahre in dem Bundesland aufhalten müssen, in dem ihr Asylverfahren läuft. Diese Auflage wurde nun entfristet, die Aufenthaltspflicht wird dauerhaft. Außerdem kann auch zukünftig ein Wohnort zugewiesen werden.

Zuwanderung notwendig, um Fachkräftemangel auszugleichen

Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollen zukünftig alle Menschen auch aus Nicht-EU-Staaten mit einer anerkannten Berufsausbildung einwandern können, wenn ihnen in Deutschland ein passender Arbeitsplatz angeboten wird. Bisher galt dies nur für Akademiker oder Branchen mit anerkanntem Fachkräftemangel. Auch müssen Betriebe künftig nicht mehr nachweisen, dass der freie Arbeitsplatz nicht mit einer Person aus Deutschland oder der EU besetzt werden konnte. Allerdings gibt es zahlreiche Regelungen, welche die Fachkräfteeinwanderung dennoch erschweren. Beispielsweise dürfen über 45-Jährige nur einwandern, wenn sie mehr als 3700 Euro im Monat verdienen oder bereits eine Altersvorsorge aufgebaut haben. Weiterhin werden Ausbildungsabschlüsse aus Nicht-EU-Staaten in Deutschland oftmals nicht anerkannt. Deutschland braucht allerdings dringend die Zuwanderung, um den Fachkräftemangel abzufangen. Laut Schätzungen müssen in den kommenden 40 Jahren 260 000 Menschen nach Deutschland einwandern, um den Fachkräftebedarf zu decken.

SPD erneut in der Kritik

Nachdem das Migrationspaket am vergangenen Freitag verabschiedet wurde, erfährt nun auch die SPD einmal mehr massive Kritik für ihre Zustimmung zu den Gesetzesänderungen. Pro Asyl wirft den Sozialdemokraten vor, um des „Machterhalts Willen, humanitäre Anliegen zu opfern“. Auch die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen verurteilt die Zustimmung der SPD: „Die Verschärfungen des Ausweisungsrecht gefährden in Teilen bereits erzielte Integrationserfolge in erheblichem Maße und spalten die Gesellschaft zunehmend. Aus diesen Gründen verletzt das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ grundlegende, sozialdemokratische Werte und ist daher in dieser Form abzulehnen.“ Besonders die Wählerinnen und Wähler zeigen sich enttäuscht von der Entscheidung der SPD, das umstrittene Gesetzespaket zu unterstützen. Die Sozialdemokraten befinden sich ohnehin in einer Krise, seit Freitag scheint sich auch der letzte Rest an Unterstützerinnen und Unterstützern von der einst großen Arbeiterpartei abzuwenden.

„Ich habe nach langer Überlegung die Entscheidung getroffen, den Neuerungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht zuzustimmen“, äußerte sich am Freitag Bundestagsabgeordnete Ulli Nissen zu der Kritik. „Dieses Gesetz ist Teil eines Paketes aus dem Bereich Migration und Integration, welches wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Mit diesem Paket stellen wir zentrale Weichen für eine klar geregelte Flüchtlingspolitik und eine moderne Einwanderungspolitik.“ Besonders das Fachkräfteeinwanderungsgesetz sei „die größte Reform unseres Einwanderungsrechts“. „Seit über 20 Jahren setzt sich die SPD dafür ein. Wir machen Deutschland attraktiver für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird erstmal klargestellt, dass wir ein Einwanderungsland sind. Eine Realität, die die Union jahrzehntelang in Abrede gestellt hat“, so Nissen. „Das ist der entscheidende Erfolg der SPD im geltenden Koalitionsvertrag. Und wir schaffen klare Regeln und Perspektiven in unserem Arbeitsmarkt. Damit wird erstmals die Einwanderung in den Arbeitsmarkt nicht nur für Hochqualifizierte, sondern auch für alle Fachkräfte mit Berufsausbildung geöffnet und effektiv gesteuert.“
 
11. Juni 2019, 13.08 Uhr
Ronja Merkel
 
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. – Mehr von Ronja Merkel >>
 
 
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