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Foto: Manfred Rehm für picture-alliance/dpa
Foto: Manfred Rehm für picture-alliance/dpa

Wo die RAF ihre Spuren hinterließ

Showdown in Frankfurt

Die RAF hinterließ viele Spuren in Frankfurt. Eine Serie von Stadtführungen stellt die historischen Schauplätze in den Vordergrund.
Adrenalinrausch am Dornbusch, früh morgens. 150 Polizisten umstellen einen Garagenhof, mit gezückten Revolvern und Pistolen. In einer der Garagen vermuten sie Terroristen der Roten Armee Fraktion. Polizisten und Terroristen feuern aus allen Rohren, Maschinenpistolen-Salven peitschen gegen die Türen, Querschläger spritzen umher, Holz splittert – dann wieder atemlose Stille. Angespannte Nerven, doch eine gelassene Stimme erklingt aus einem Lautsprecher: „Überlegen Sie sich: Wie wollen Sie sich aus dieser Situation befreien?“ In den Häusern ringsum huschen verängstigte Gesichter hinter Gardinen hervor. „Es gibt keine Chance für Sie.“

Tief grollend dröhnt der Motor eines Panzerwagens, Blaulichter blinken. „Die einzige Chance ist, dass Sie am Leben bleiben“, warnt die Stimme, der Tonfall wird schier süffisant: „und die haben Sie nur, wenn Sie sich unseren Anordnungen beugen“. Holger Meins sieht das ein, als sein Kompagnon Andreas Baader neben ihm am Oberschenkel getroffen wird. Meins stellt sich – wie gefordert – mit nichts am Leib als einer Unterhose. Die Bilder des schreienden, dürren Mannes im Polizeigriff zählen zu den Klassikern der der deutschen Medien-Ikonographie, die jeder schon mal gesehen hat. „Wir hatten eine Terrorzelle mitten in Frankfurt“, resümiert Stadtevents-Führer Sascha Stefan Ruehlow, als er eine Gruppe Geschichtsinteressierter zu den „Baader-Garagen“ und anderen Schauplätzen der RAF in Frankfurt führt. Die Festnahme am Hofeckweg 6–8 wirkte improvisiert. Die Polizisten trugen die damals übliche Uniform mit dunkelgrünem Jackett und beiger Hose, andere waren in Zivil, einige hatten haben Bauarbeiterhelme auf. „Damals gab es noch keine spezialisierten Überfallkommandos wie die GSG 9“, erläutert der 39-Jährige. Die Antiterroreinheit war indes gegründet worden wegen der Olympia-Geiselnahme in München 1972, wenige Monate nach dem spektakulären Showdown am Dornbusch. Unmittelbar vorausgegangen wiederum war eine Serie von Bombenattentaten der RAF, beginnend mit dem Anschlag auf das Hauptquartier des V. Korps der US-Army im einstigen IG-Farben-Haus, heute Uni-Campus.

Eines der Sprengstofflager befand sich am Dornbusch, entdeckt hatte es ein aufmerksamer Hausmeister. „Die Angst vor den Terroristen war beherrschend gewesen“, berichtet Sascha Stefan Ruehlow und zeigt dazu die Titelseite einer Bildzeitung von damals, „ihre Gesichter kannte man von Fahndungsplakaten in jedem Postamt“. Während es heute keine Postämter mehr gibt, nahm Frankfurt 1972 in anderen Bereichen viele uns heute selbstverständlichen Konturen an. Harheim, Kalbach, Nieder-Erlenbach und Nieder Eschbach wurden eingemeindet, die Nordweststadt nach mehr als zehn Jahren fertig gebaut, wie auch die Zentrale der Bundesbank und der AfE-Turm, beide im damals angesagten Brutalismus. Am Hauptbahnhof klaffte ein riesiges Loch, in dem S-Bahn, U-Bahn und B-Ebene entstanden, während am Flughafen das heutige Terminal 1 und der dazugehörige Bahnanschluss eröffnet wurden.

1972 war auch das Jahr, in dem die Zeil für Kraftfahrzeuge gesperrt wurde. Vier Jahre zuvor war dies noch anders. Zur Zeit der 68er-Bewegung fuhren noch in beiden Richtungen dreispurig die Autos, dazu in der Mitte die Tram. Flanieren wie heute war damals undenkbar im tosenden und dröhnenden Verkehr. Dennoch kauften die Leute als gäb’s kein Morgen mehr – und anscheinend gänzlich unbeeindruckt davon, dass die USA auch von deutschen Militärbasen aus ihren Krieg gegen die Zivilbevölkerung in Vietnam führten. Ähnlich ist es heute, wenn am Brockhausbrunnen die sich allwöchentlich postierende „Stopp Ramstein-Kampagne“ nahezu unbeachtet bleibt. Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein wollten ein flammendes Fanal setzen. Sie waren eigens aus Berlin respektive München angereist. Nach einigem Umherspazieren und Auskundschaften deponierten sie ihre Brandsätze in den Kaufhäusern M. Schneider und Kaufhof. Die Detonation war im wahrsten Sinne des Wortes die Initialzündung auf dem Weg zur Gründung der RAF. Den anschließenden Prozess im Frankfurter Landgericht nutzten sie zur Selbstinszenierung. Sascha Stefan Ruehlow zeigt dort ein Foto der feixenden Brandstifter mit Zigarre im Gerichtssaal, auch ein Klassiker der medialen Ikonographie. Sie und Andere bildeten später die 1. Generation der RAF. Hatte diese noch ihre Anschläge ideologisch verbrämt für die Befreiung der Massen, so kämpfte die 2. Generation nur noch für die Befreiung der eigenen Genossen. Der so genannte „Deutsche Herbst“ 1977 hatte daher seinen Ursprung im Showdown am Dornbusch.

>> Die Führungen zu den Schauplätzen der RAF dauern eineinhalb Stunden und beginnen an der U-Bahn-Station Hauptfriedhof (U5). Die nächsten Termine sind: 7.7., 17 Uhr; 21.8., 18.30 Uhr; 6.9., 18.30 Uhr; 22.10., 15 Uhr; 18.11., 16 Uhr und 17.12., 17 Uhr. Weitere Infos: www.frankfurter-stadtevents.de
 
28. Juni 2017, 12.09 Uhr
Peter von Freyberg
 
 
Fotogalerie:
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