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Foto: Feuerwehr Frankfurt
Foto: Feuerwehr Frankfurt

Interview mit einem Psychologen

Warum zünden Menschen Häuser an?

In sieben Monaten sind in Frankfurt sechs Holzgebäude abgebrannt. Wir haben uns mit dem Psychologen Sebastian Bartoschek über die psychologischen Hintergründe von Brandstiftung unterhalten.
Es scheint in Frankfurt einen Feuerteufel zu geben. Der Goetheturm, zwei asiatische Pavillons, zwei Kitas und zuletzt das Blaue Haus – alles Holzgebäude, alle Nachts angezündet und alle zerstört. Warum machen Menschen so etwas? Wir haben den Psychologen Sebastian Bartoschek zum Thema Brandstiftung befragt. Der promovierte Psychologe betreibt sein Institut im Ruhrgebiet und ist unter anderem in der Polizeiausbildung tätig.

Warum zünden Menschen Häuser an?
Da gibt es viele mögliche Gründe. Innerhalb der psychopathologischen Brandstifter sind Pyromanen [altgriechisch für Feuer und Raserei/ Wahnsinn] nur eine Gruppe. Es gibt eine lange Liste möglicher Diagnosen, die ein Psychologe prüfen soll, bevor er Pyromanie diagnostizieren kann. Dazu gehören etwa Störungen des Sozialverhaltens, Soziopathie, dissoziative Persönlichkeitsstörung, Schizophrenie, Psychiatrische Störungen und akute Trunkenheit oder Intoxikation mit andern Drogen. Darüber hinaus gibt es aber auch noch viele andere denkbare Gründe, etwa Rache, politischer Extremismus oder Versicherungsbetrug.

Wie gehen Psychologen damit um?
Es ist schwer, da eine Ferndiagnose zu stellen. Man tut gut daran, sehr vorsichtig zu sein. Ich habe auch schon erlebt, dass mehrere Brandstiftungen eine einzelne Brandstiftung vertuschen sollten. Der Täter simulierte eine Serie, um einen einzelnen Versicherungsbetrug zu kaschieren.

Was reizt Pyromanen am Feuer?
Für die ist das eine Art innerer Drang. Der Betroffene fühlt einen inneren Druck. Seine Gedanken kreisen um Feuer und er entwickelt Fantasien über Brandstiftung. Es gibt viele verschiedene Deutungen für dieses Verhalten. Eine Deutung, die ich für glaubwürdig halte, besagt, dass es hier um eine ganz archaische Form von Macht geht. Feuer verzehrt und es ist schwer zu kontrollieren.

Wie gehen Pyromanen mit diesem Druck um?
Das ist vergleichbar mit Sexualphantasien. Auch bei Brandstiftern ist die reale Umsetzung der pyromanischen Phantasien für den Täter nie so schön, wie er sie sich vorher vorgestellt hatte. Das führt dazu, dass diese Täter immer ein bisschen mehr brauchen.

Welche anderen psychischen Hintergründe sind denkbar?
Es gibt eine recht populäre Trias: Menschen, die als Kinder missbraucht wurden, neigen überdurchschnittlich häufig zum Einnässen, Tiere quälen und zündeln. So richtig weiß man nicht, warum das so ist. Aber das hat sich empirisch bestätigt. Wenn in der Jugendhilfe einer dieser Fälle auftritt, fragt man automatisch die andern ab, weil das ein recht valider Hinweis auf Missbrauch in der Kindheit ist.

Das Anzünden des Goetheturms hatte für großes Aufsehen gesorgt, weil viele Frankfurter damit positive Kindheitserinnerungen verbinden. Sind solche Objekte für Pyromanen besonders attraktiv?
Das hängt vom Einzelfall ab, welche Fantasien diese Person hat. Vielleicht geht es ihr darum, möglichst populäre Orte anzuzünden.

Werden solche Menschen durch Berichterstattung motiviert? Wollen sie mit ihren Taten in die Medien kommen?
Theoretisch schon, aber eher unwahrscheinlich. Den Pyromanen geht es um das Feuer, nicht um die Öffentlichkeit. Jedoch gibt es bei der großen, öffentlichen Aufmerksamkeit die Gefahr von Trittbrettfahrern.

Wie kann man diesen Menschen helfen?
Letztlich durch kognitive Verhaltenstherapie. Man würde versuchen, darauf einzugehen, wie diese Person diesen Druck anders abbauen kann. Wir wissen, dass Pyromanen sehr stark den Kontakt zu feueraffinen Jobs suchen. An dem Klischee ist schon was dran.

In Eppstein gab es vor einem Jahr den Fall eines Feuerwehrmannes, der zehn Brände gelegt hatte. Kommt so etwas häufiger vor?
Da muss man vorsichtig sein. Psychopathen wählen überdurchschnittlich häufig Berufe, die mit Feuer zu tun haben. Das heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass Menschen, die in einem Beruf mit Feuer arbeiten, auch überdurchschnittlich häufig Pyromanen sind.

Kann man es denn aus psychologischer Sicht jetzt irgendwie verhindern, dass weitere Holzgebäude angesteckt werden?
Nein. Man kann natürlich feuerpolizeilich Schutzmaßnahmen ergreifen. Aber für eine gezielte Täteransprache ist der Fall viel zu diffus. Man weiß ja nicht einmal, ob es derselbe Täter ist, so lange man ihn nicht hat. Ich würde erwarten, dass bei den öffentlichen Gebäuden der Täter mit diesen Orten etwas Persönliches verknüpft. Es scheint mir eher unwahrscheinlich, dass jemand zufällig so sozial aufgeladene Orte wählt. Wenn ich als Pyromane einfach nur Feuer legen wollte, würde ich eher irgendwelche abgelegenen Industriebrachen suchen.

Vielen Dank für das Gespräch!




(Foto: Angela Aßmuth)
 
29. Januar 2018, 12.20 Uhr
Jan Paul Stich
 
 
Fotogalerie:
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