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Frankfurt neu entdecken

Aus der Mitte entspringt ein Schwefelfluss

Bei vielen Baustellen der Stadt tritt ein Geruch von faulen Eiern zutage. Warum? Zu unserer Recherche für das Heft "Frankfurt Neu Entdecken" gibt es jetzt auch eine Stadtführung. Schnuppern Sie rein.
Es war im Jahr 2000, als an der Gallusanlage 7 im Bahnhofsviertel die Baugrube für das Gallileo-Hochhaus der Dresdner Bank ausgehoben wurde. Über Wochen hing über dem Willy-Brandt-Platz ein übler Geruch, morgens, wenn die ersten Pendler aus der U-Bahn stiegen, und auch abends noch, wenn das Partyvolk im Club Living XXL Einlass begehrte. Wie kam das? Interessant ist zunächst der Standort: Das Hochhaus wurde nur einen Steinwurf vom Main entfernt errichtet, dort, wo sich mit dem sogenannten Nizza ein von Mikroklima gesegnetes Gebiet befindet, in dem sogar Palmen gedeihen.

An dieser Stelle befand sich in den 20er-Jahren die Flussbadeanstalt Mosler, ein Spaßbad mit mehreren Schwimmbecken auf Pontons, die im Herbst wieder eingemottet wurden – und später einer gut 3000 Quadratmeter großen Rollschuhbahn. Ein Refugium für die Bewohner des alten Frankfurt, in dem sich im Sommer allzuoft die Hitze staute. Das Nizza war schon Jahrhunderte zuvor ein Ort zum Verweilen, einst floss hier noch ein Seitenarm des Mains – die Insel Mainlust erfreute bis 1858 das Herz der Frankfurter, der kleine Main wurde zwar als Winterhafen genutzt, doch schon im 19. Jahrhundert machten dort Badeschiffe fest. Schließlich musste er einer Schienenverbindung weichen – die Fläche der Insel wurde nach und nach zur mediterranen Parkanlage umgebaut. Probebohrungen wurden auch durchgeführt – und brachten schwefelhaltiges Wasser nach oben.



Nicht zum ersten Mal. Schon im Gutleutviertel gab es einen solchen Grindbrunnen, bis ins 13. Jahrhundert zurück lassen sich Hinweise auf ihn finden. Goethe erwähnt ihn in „Dichtung und Wahrheit“ wie folgt: „An dem rechten Ufer des Mains unterwärts, etwa ein halbe Stunde vom Thor, quillt ein Schwefelbrunnen, sauber eingefasst und mit uralten Linden umgeben. Nicht weit davon steht der Hof zu den guten alten Leuten, ehemals um dieser Quelle willen erbautes Hospital.“ Der Grindbrunnen musste schließlich dem Westhafen weichen – und wurde nach der Neuentdeckung des heilsamen Wassers im Nizza im Jahr 1886 ebendorthin verlegt.

Eine Untersuchung von Fresenius ergab: sehr mineralhaltig. Also gesund! Bis heute wird Schwefelwasser in deutschen Kurstädten für Bäder verschrieben. Damals wurde es vor allem gegurgelt – weswegen der Schwefelbrunnen am Nizza einen Pavillon mit Zapfstellen bekam. Die Geräusche oder gar den Anblick von spuckenden, gurgelnden, hustenden Kranken wollte man den auf der Uferpromenade flanierenden Bürgern nicht zumuten – zugleich sollten zwei Treppen den Brunnen mit der Stadt vermählen: Mit dem Pavillon verband sich nämlich zugleich ein größerer Traum – nämlich der von Frankfurt als Kurstadt. Bad Frankfurt? Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs wurde das immer mal wieder diskutiert, auch weil die Flussbadeanstalten vor dem Nizza wuchsen und wuchsen und alsbald zu den größten in Europa zählten.

Heute ist davon nichts mehr zu spüren. Der Grindbrunnen wurde vor über 50 Jahren stillgelegt. Wegen Seuchengefahr. Im Wasser hatten die Behörden Kolibakterien festgestellt. Die Tradition der Badeanstalten und Badeschiffe wurde aus einem ähnlichen Grund nicht wiederaufgenommen: Der Fluss war im Grunde viel zu dreckig, um gedankenlos in ihm zu planschen. Der Schwefel freilich taucht hier und da noch auf. Und zählt zu einer weiteren spannenden Geschichte, die uns wieder zurück auf den Opernplatz des Jahres 2017 führt.

„Ein Schwefelfluss befindet sich nicht unter der Stadt“, sagt Rolf Katzenbach, Direktor des Instituts und der­ Versuchsanstalt für Geotechnik der Technischen Universität Darmstadt. Das Mineral sei hier und da vielmehr Teil des Bodens. „Durch Wasser wird das Sulfid herausgelöst, ein Teil reagiert mit Wasserstoff-Ionen zu jenem flüchtigen Schwefelwasserstoff, dessen Geruch sich bemerkbar macht.“

Auf das Grundwasser stößt man bei Bauarbeiten in Frankfurt recht schnell. In gut fünf Metern Tiefe ist es bereits anzutreffen, auch durch Regen wird Sulfit aus dem Boden gelöst. Das Grundwasser wiederum fließt bedächtig Richtung Main – wahrscheinlich traf man deswegen im Nizza recht rasch auf jene Schwefelquellen. Heutzutage versucht man, die Baufelder möglichst gut abzudichten, sodass nicht beständig Grundwasser aus den Baugruben gepumpt werden muss, wie es früher gang und gäbe war.

Der Frankfurter Boden sorgte auch bei einer der größten innerstädtischen Baumaßnahmen für Verdruss: dem Bau der S- und U-Bahn-Tunnel. „Es stank erbärmlich“, so erinnert sich Katzenbach. Der Schwefelgeruch sei aber nur eines: im ersten Moment unangenehm. Irgendwann gewöhne man sich dran – gesundheitsgefährdend sei er nicht. Um den Hauptbahnhof war er damals besonders intensiv – und noch heute muss der schlechte Geruch an den Tunnelröhren nicht zwangsläufig von ungepflegten Menschen herrühren.



„Eine Bohrung ist wie ein Blick in die Frankfurter Geschichte“, sagt Katzenbach. Und manchmal fördert sie auch Geschichten zutage – wie jene von den Schwefelbädern am Mainufer und jenem ominösen Fluss, aus dem sie gespeist werden.

>> Der Text ist ein Auszug aus dem Sonderheft "Frankfurt Neu Entdecken". Sie können es am Kiosk erwerben oder hier bestellen.

>> Zu dem Thema bieten wir auch Stadtführungen an. Die Premiere mit Stadtführer Oliver Reul und Journal-Chefredakteur Nils Bremer ist am Mittwoch, 2. August 2017, um 18 Uhr. Tickets können Sie hier erwerben.
 
28. Juli 2017, 11.24 Uhr
Nils Bremer
 
 
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