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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Ardi Goldman, Frankfurt und die CargoCity Süd

„Hier bin ich geboren“

Der Cargo-City-Süd-Prozess ist alles andere als spurlos an Ardi Goldman vorbeigegangen. Der Projektentwickler hadert mit seiner Heimat, mit Frankfurt. Eine Nahaufnahme von Michele Sciurba und Sarah Schuster.
Heimat ist etwas, woran man Veränderung sieht. Man geht durch seine Stadt und sieht, wo neue Bauten entstehen oder alte Gebäude verschwinden. Auch wenn der Projektentwickler Ardi Goldman in Tel Aviv aufwuchs, gab es für ihn nie Zweifel daran, dass Deutschland, genauer Frankfurt, seine Heimat ist, denn in Frankfurt ist er geboren. Wenn der Name Ardi Goldman fällt, ist aktuell die Rede vom Cargo-City-Süd-Prozess nicht weit, der in Frankfurt verhandelt wurde. Dass Veränderungen nicht nur zum Guten, sondern auch zum Schlechten ausfallen können, hat Goldman auf drastische Weise am eigenen Leib erfahren, als er am 24. November 2015 erstinstanzlich zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt wurde. Die Beziehung zu seiner Heimatstadt ist für Goldman, der nach wie vor auf seine Unschuld besteht, problematisch geworden. Er ist sich sicher, dass Rechtsprechungen die Gesellschaft widerspiegeln, in der wir leben. Das Urteil ist noch nicht endgültig, doch es geht um seine Existenz.

Als man Ardi Goldman zu Beginn des Cargoport-Projekts danach fragte, was ihn an der Entwicklung einer Logistikhalle in der Cargo City Süd interessierte, hätte man nicht gedacht, dass genau dieses Projekt zum prominenten Gegenstand eines mehr als neunmonatigen Wirtschaftsstrafverfahrens wegen Bestechung werden würde. Goldmans Antwort hörte sich im Gegenteil für den Frankfurter Flughafen sehr vielversprechend an. „Mich interessiert besonders“, so Goldman, „in einer Wüste aus hässlichen, kastenartigen Gebäuden ein Beispiel zu setzen, das funktional ist, aber auch schön. Ein Mischkonzept, das Qualität hat und sich rechnet.“ Das ist Goldman mit dem Bau seines zweistöckigen Logistik-Frachtzentrums, das es in Deutschland in dieser Art noch nicht gegeben hatte, auch gelungen. Seit dem Korruptionsprozess um die Cargo City Süd hat sich seine Perspektive jedoch verändert. „Der Flughafen hat das Gebäude nicht verdient“, sagt er heute. „Ich würde es gerne abreißen.“

Grund dafür ist womöglich, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Fraport AG, Wilhelm Bender, im Prozess äußerst schnell eine ambivalente Haltung gegenüber Goldman eingenommen hatte. Bender sagte zwar aus, er könne verstehen, dass Goldman dachte, er sei damals von Bender selbst als Käufer für das Fraport-Grundstück festgesetzt worden, wollte diese Setzung, durch die der Vorwurf der Bestechung gegen Goldman de facto hinfällig geworden wäre, allerdings vor Gericht nicht bestätigen. Anfangs hatte Goldman noch geglaubt, dass die Verhandlung innerhalb kürzerer Zeit beendet sein würde, dann wurde ihm allerdings klar, dass der Prozess sich ab einem bestimmten Punkt hauptsächlich um ihn drehte. Der Druck aller Beteiligten, auch aller Angeklagten, hatte sich immer wieder auf Goldman konzentriert, da alle bis auf ihn Geständnisse ablegten. Die Tatsache, dass Goldman bis zum Urteil auf seine Unschuld bestand, hat dessen Lage wohl nur verschlechtert, denn obwohl Ardi Goldman laut Gericht den geringsten Tatbeitrag geleistet hat, wurde er im Verhältnis zu den anderen Angeklagten mit zwei Jahren und acht Monaten Haft ausgesprochen hart verurteilt.

Die Folgen des Prozesses
Was in Berichterstattungen immer wieder als Ganoven- oder Schmierenkomödie bezeichnet wurde, ist abseits der Medien weniger komisch. Für Ardi Goldman bleibt der Prozess um die Cargo City Süd ein sehr ernstes Thema, denn es geht um seine Existenz. Goldmans Gebäude stehen noch, aber seit dem Prozess hat er nichts Neues geschaffen. Menschen wenden sich von ihm ab. „Es ist schwierig geworden“, so Goldman. „Wir kriegen auch kaum noch Kredite.“ Früher war es eine Ehre gewesen, mit Ardi Goldman fotografiert zu werden, heute könnte es ein Compliance-Thema sein. Dabei bleibt die als erdrückend bezeichnete Beweislast gegen Goldman vor Gericht im Rahmen des gesamten Prozesses weiterhin fragwürdig. Eindeutig hingegen war die Aufregung um die Person Ardi Goldman selbst, der im Fokus der Presse durch sein unkonventionelles Aussehen und Auftreten für den Vorsitzenden Richter und die Staatsanwaltschaft zur Geduldsprobe geworden war. Das, was die Marke Goldman zuvor so erfolgreich gemacht hatte, wurde Goldman im Verfahren um die Cargo City Süd negativ ausgelegt.

Schon seit Beginn seiner Karriere weiß Goldman, dass es viele gibt, die ihn gerne straucheln sehen würden. Ein Phänomen der Fallhöhe, das wahrscheinlich mit jedem Erfolg einhergeht. „Klar, alle auf mich“, erinnert sich Goldman. „Aber alleine war ich immer, auch als ich auf der Hanauer Landstraße anfing. Damals haben sie über mich gelacht und gesagt: Der Goldman glaubt, alles, was er anfasst, wird zu Gold, doch diesmal wird er scheitern und alles verlieren.“ Seit dem Prozess stellt sich Goldman jedoch zum ersten Mal ernsthaft die Frage, ob er Frankfurt, das er selbst mitgestaltete, nach den Ereignissen der letzten Monate noch als seine Heimat betrachten kann.

Was dabei wohl auch zu bedenken ist, im Prozess aber nicht thematisiert wurde, sind Ardi Goldmans biografische Hintergründe, die wiederum im Urteil Erwähnung fanden. Goldman, der sich als Sohn eines Überlebenden des Warschauer Ghettos selbst auf der Anklagebank eines deutschen Gerichts wiederfand, hatte vermutlich schon aufgrund seiner Vergangenheit größere Probleme damit gehabt, uneingeschränkt auf ein faires Verfahren zu vertrauen und sich, wie das Gericht von ihm erwartete, angemessen und ruhig zu verhalten.

Ardi Goldmans Auftreten, für das der Projektentwickler samt seiner extravaganten Mode nicht zuletzt in Frankfurt jahrelang bekannt ist, wurde rund um den Prozess der Cargo City Süd in der Öffentlichkeit auffallend kontrovers verhandelt. „Ich verkleide mich nicht“, erklärt Goldman dabei.

„Ich stelle mich dar, wie ich bin. Die Angeklagten, die sich auf einmal einen Anzug anziehen, sind die Verkleideten.“ Ein Gedanke, der angesichts des Medienrummels, der den Prozess ausführlich begleitete, für Goldman und seine ausdrucksstarke Marke durchaus plausibel ist. Goldman ist ein kritischer Denker, doch Querdenker passen nicht ins System. Das hat Goldman zu spüren bekommen. Seine Sorge darüber, dass er von der Norm abweicht und welche Konsequenzen für ihn daraus entstehen, ist verständlich. „Ich befürchte, dass ich in gewisser Weise schon verurteilt war, als ich mit meinen wehenden Haaren, mit meinem Hut und mit meiner Kleidung, die meine Grundeinstellung widerspiegelt, in den Gerichtssaal kam.“ Die avantgardistische Grundhaltung Ardi Goldmans ist dabei nicht nur Ausdruck seiner eigenen Persönlichkeit, sondern auch Ausdruck seines persönlichen Stils. Auch wenn das Gericht ausdrücklich betonte, dass Goldmans ungewöhnliches Verhalten keinen Einfluss auf das Urteil habe, stellt sich die Frage, ob nicht doch, bewusst oder unterbewusst, subjektive Eindrücke das Bild Ardi Goldmans im Verfahren beeinflussten.

Wie zukünftig sein Verhältnis zu Deutschland oder Frankfurt aussehen wird, kann Ardi Goldman momentan noch nicht sagen. Denn wenn einem die Heimat genommen werden könnte, meint Goldman, fange man an, über Dinge nachzudenken, über die man sonst nicht nachgedacht hätte. Beispielsweise darüber, ob es in unserer Gesellschaft heutzutage überhaupt eine Straftat braucht, um verurteilt zu werden. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, äußert Goldman und kommt zu dem Schluss: „Es sollte das Gebot der Unschuldsvermutung geben, aber das gibt es nicht.“ Aus seiner Sicht hat ihm das Gericht damit seine Heimat gewissermaßen schon genommen. Im Hinblick auf den Angeklagten Goldman gab es im Cargo-City-Süd-Prozess viele Zweifel. Im Zweifel für den Angeklagten zu sein, spielte dabei aber anscheinend eine eher untergeordnete Rolle. Für Ardi Goldman steht derzeit viel auf dem Spiel. Aber auch für Frankfurt wäre es schade, wenn der Frankfurter Projektentwickler seinen kreativen Beitrag für die Stadt, in der er geboren ist, zukünftig nicht mehr leisten könnte.

Ardi Goldman hat viel Ahnung davon, wie er Menschen durch seine Projekte das Gefühl von Heimat vermitteln kann, denn er hat auch viel Ahnung davon, was es heißt, eine Heimat zu brauchen. Dass er mit jedem seiner Großprojekte ein hohes Risiko auf sich nimmt, ist nur wenigen bewusst. Die Marke Goldman hat Alleinstellungsmerkmal. Auch Goldman selbst ist konsequenterweise alles andere als unauffällig. Er ist nicht nur ungewöhnlich in seinem Auftritt, sondern auch ungewöhnlich engagiert, wenn es um die Stadt geht, in der er lebt. Hier geht er, wie er sagt, gerne unbürokratisch an die Dinge heran und kann dadurch für seinen kleinen Bereich sehr kreativ sein. Doch möglicherweise könnte der Cargo-City-Süd-Prozess nicht nur für Goldman selbst Konsequenzen haben, sondern auch für seine Projekte in Frankfurt. Dass dies für Ardi Goldman eine weitere Belastung darstellt, steht außer Frage, denn es lässt unterschiedlichsten Sorgen Zeit und Raum.

Goldman versuchte in den vergangenen Jahrzehnten Frankfurt mit Bauprojekten, die über das bloße Bauen hinausgehen, kreativ weiterzuentwickeln. Frankfurter vergleichen Frankfurt gerne mit New York, wobei das einzige Kriterium meist die Skyline zu sein scheint. New York ist aber nicht nur größer als Frankfurt, sondern hat im Überfluss, was New Yorker life force energy nennen. Diese gebündelte urbane Lebensenergie ist in Frankfurt eher selten zu spüren. Sie bleibt vor allem auf der Strecke, wo Architektur rein ökonomischen Faktoren unterworfen ist und ihre soziale und kulturelle Bedeutung in einem Einerlei aus Franchise-Ketten untergeht.

Goldmans Innovationen nicht nur auf der Hanauer Landstraße – darunter Bars, Restaurants und Hotels – haben gezeigt, dass auch Frankfurt eine eigenständige Metropole sein kann, in der Neues entsteht. Jeder, der an einem dieser Orte war, für den Ardi Goldman von der Grundidee bis zum Gesamtprodukt die Verantwortung übernommen hat, weiß, dass Goldmans Konzepte sich nicht in eine Formel einpassen lassen, da sie etwas haben, das Menschen gewissermaßen eine Heimat bieten will.

In Ayn Rands Architektur-Roman „Der ewige Quell“, einem Buch, das Goldman seit den frühen Anfängen seiner Karriere begleitet, heißt es: „In allen Jahrhunderten hat es Menschen gegeben, die die ersten Schritte auf neuen Wegen taten und keine andere Waffe besaßen als ihre Vision.“ Diesen Umstand hat sich Ardi Goldman zur Motivation genommen. Vor etwa zwanzig Jahren hatte das bekannte Frankfurter Architekten-Duo Till Schneider und Michael Schumacher Goldman dieses Buch geschenkt, nachdem dieser unvermittelt anrief, als er vor deren Gebäude stand, um ihnen mitzuteilen, wie spektakulär er die neue Glaskonstruktion ohne Stützen fand, die allein über die Statik realisiert wurde. „Das musst Du lesen, damit Du den Weg, den Du gehst, verstehst“, hatten die beiden auf diese Begeisterung geantwortet. „Und ich habe es auch verstanden“, erzählt Goldman heute.

Projekte leiden
Wenn man sich die Entwicklung der Hanauer Landstraße durch das Union Areal und das 25 Hours Hotel anschaut, scheint das zu stimmen. Ardi Goldman hat in Frankfurt viel bewegt. Durch die hohe Aufmerksamkeit, die sich auf den Prozess um die Cargo City Süd konzentrierte, geriet das in letzter Zeit allerdings eher in den Hintergrund. Doch nicht ohne Grund scheint Goldman als Entwickler nach wie vor großen Wert darauf zu legen, mit seinen Projekten nicht nur anderen, sondern auch sich selbst Orte zu schaffen, an denen man sich in Frankfurt zu Hause fühlt. Im Alter von drei Jahren verlor er bei einem Autounfall, den er nur knapp überlebte, seinen Vater und zwei Schwestern. Das Thema Heimat, das Ardi Goldman seitdem stark beschäftigt, ist daher ein zentrales Motiv seiner oft ungewöhnlichen Produkte geworden.

Als er die Union baute, trieb es Goldman fast in den Ruin, da die Bank ihm mitten im Bau die Finanzierung gekündigt hatte. „Sie waren auf der Baustelle und haben nicht verstanden, was ich da mache“, erinnert sich der Projektentwickler. „Sie haben Angst bekommen und gesagt, der Goldman ist verrückt geworden. Da habe ich eine flammende Rede gehalten und habe meine Unterhose und alles andere verpfändet.“ Doch auch damit, dass Widerstände nicht nur mit einem gewissen Unglauben, sondern häufig auch mit Missgunst zu tun haben können, hat Ardi Goldman nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Prozess um die Cargo City Süd seine Erfahrung gemacht. Standpunkte würden in solchen Situation klar werden, sagt Goldman. Freunde seien diejenigen, die bei einem blieben.

Aufgegeben hat Ardi Goldman noch nicht, sondern legte stattdessen beim Bundesgerichtshof Revision ein. Mit einer Entscheidung ist wohl erst in einigen Monaten zu rechnen.

Eine Version dieses Textes erschien zuerst in der Print-Ausgabe des Journal Frankfurt vom 12. Juli 2016. Hier können Sie ein Abonnement abschließen.
 
30. August 2016, 11.54 Uhr
Michele Sciurba und Sarah Schuster
 
 
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