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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Ana Marija Milkovics Kolumne

Deutsch zu sein bedarf es wenig und wer deutsch ist, ist ein König

Unsere Kolumnistin hat ein Theater in Zürich besucht und Frank Castorfs jüngstes Stück gesehen. Ein denkwürdiges Erlebnis mit tiefen Einsichten.
Da gibt es doch das Lala Lied: Johnny loves Jenny but Jenny loves Joe. Kennen Sie Frank Castorf? Ich hatte kürzlich das Vergnügen. „Die fremde Frau und der Mann unterm Bett“, heißt sein jüngstes Stück, aufgeführt in Zürich. Der dortige Schiffsbau ist vergleichbar mit dem Mousonturm in Frankfurt. Ich wollte ein Stück von Frank Castorf sehen, war er doch der große Zampano auf der Volksbühne in Berlin. So sprach es sich im Rest der Republik bis nach Frankfurt rum. Er wurde vor zwei Jahren von Dercon abgelöst, der das Theater hauptsächlich als Zuschauer in seinen bisherigen Tätigkeiten kennengelernt hatte. Das war natürlich eine politische Entscheidung. Sachkompetenz gegen Fachkompetenz. Es droht andauerndes Ungemach an der Volksbühne in Berlin. Castorf jetzt also in Zürich im Exil.

Die ganze Diskussion um Castorf aus den vergangenen Jahren, als ihm der Weg in den unliebsamen Ruhestand gewiesen wurde, hatte mich nicht darauf vorbereitet, was es bedeutet, ein Stück von ihm zu sehen. Ich kenne das Theater nicht gut genug. Einmal ging ich zur Dreigroschenoper ins Schauspiel in Zürich, wenngleich zufällig. Brecht hatte ich seit meiner Abiturprüfung nicht mehr gelesen. Über reichlich viele Disharmonien auf der Bühne wunderte ich mich dann den Abend lang. Das ist modern, sagte mir meine Begleitung. Ich habe mich gefragt, wieso ein Stück modern ist, wenn Schauspieler singen, auch wenn sie es nicht können? Man kann den Abend als Experiment im Sinne Brechts deuten. Viel Phantasie vorausgesetzt.

Gelitten wird bei Castorf viel. Es gab ein paar Momente in der Aufführung „Die fremde Frau unterm Bett“, die mich sprachlos machten. Über die Stöckelschuhe sagte der Fremde gleich neben mir, sollte ich mir keine Gedanken machen. Die bedeuteten nichts. Bereits seit zwanzig Jahren gehörten sie zu Castorfs Instrumentenkasten. Trost von Fremden. Das hatte ich im Schiffsbau nicht erwartet. Ich staunte. Das Theater sei tot, hörte ich vor Monaten einen Freund sagen. In Castorfs Inszenierung machten Totgesagte auf hohen Hacken weiter bis zum bitteren Ende. Das beeindruckte mich. Dieser Wille, dem Ganzen einen Sinn abzuringen, machte das Stück zum großen wilden Spektakel! Wenn Sie glauben, einen harten Job zu haben, dann schauen Sie sich doch mal eine Inszenierung von Castorf an. Modern inszenierte Sklaverei ist das. Schauspielerei kann nicht frei sein. Kunst als Diktatur.

An Fjodor Dostojewski erinnerte nur noch die Datscha auf der Bühne und die verschrobenen Menschen, die sich durchs Leben, stellvertretend auf der Bühne quälten. Konsequent wurden jegliche Harmonien vermieden, die den Zuschauer mit dem Stück befrieden hätten können. Da war er wieder, der Beweis der Moderne. Ums Verstehen ging es in dem Stück nicht. Deswegen sprach ein Schauspieler auch gleich serbisch. Das fand ich natürlich großartig. Einmal begünstigt zu sein. Castorf inszeniert gegen die Zeit, das Verständnis und die Geduld seiner Zuschauer. Alles erschien im Schiffsbau in Zürich wahnsinnig, auch im Zuschauerraum bis zum bitteren Ende sitzenzubleiben. Moderne scheint ein Ort des Albtraums zu sein, in dem wir lethargisch verharren. Wie mussten sich erst die Schauspieler fühlen, die an ihren Meister Castorf glaubten? Mir erschien plötzlich alles einen übergeordneten Sinn zu ergeben. Eine halbe Stunde vor Ende einer knapp vierstündigen Aufführung verließ ich erschöpft den Raum und ging. Ich hatte das Ende bereits kommen sehen. Mit Schwung ging ich durchs Foyer nach draußen. Der traut sich was, sagte ich laut. Das wird sein Erfolg sein. Machen wir es ihm gleich. Trauen wir uns was und besetzten lautstark den Raum - in Frankfurt natürlich!
 
17. Oktober 2017, 14.42 Uhr
Ana Marija Milkovic
 
 
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