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dk auf Tour – Sophie, Billy, die Labèques und Schweden aus Barcelona

Eigentlich hatte ich mich nur auf die Gästeliste für Sophie Zelmani am Sonntag setzen lassen, um einer guter Freundin einen Gefallen zu tun. Nur die vertraute einem Gratis-Tournee-Blättchen mehr als unserer sicheren Datenbank hier und notierte sich den 30. Für das Konzert. Dumm gelaufen, denn da hatte sie Dienst, aber ich ging trotzdem in den Mousonturm, weil schöne Location, tolles Team. Und siehe da – ich konnte doch noch eine gute Tat tun. Als Support der Schwedin stand ein Landsmann auf der Bühne: Big Johnny Jewel. Nur mit Gitarre, aber – heute längst üblich – mit der Möglichkeit zusätzlich Geräusch-, auch Beat-Erzeugung mittels Loopbox zu machen, was anfangs ein wenig schräg nach Tom Waits klang. Eine nette Strafe für das Etepetete-Sitzpublikum von Sophie Zelmani (die Sitzplätze auf dem Balkon waren zuerst verkauft, was wenn der Raum unten leer geblieben wäre?). Und dann setzte der Mann mit Hut und den schönen Geschichten ans Klavier, erbat Unterstützung, denn das könne er nicht wirklich, und heraus kam ein wunderbaren Song, der sofort Assoziationen hervor rief. Später beim CD-Verkauf fragte ich Big Johnny ziemlich unvermittelt, ob ihm John Lennon was bedeute? „Wieso fragst Du das?“, guckte er verblüfft. „Na wegen Deines Klaviersongs. Der klang wie Plastic Ono Band von 1969“, entgegnete ich. „Wirklich?! John Lennon ist mein großer Held. Wow – ein tolles Kompliment." So leicht kann man Menschen glücklich machen.

Na einem Päuschen kam dann Sophie Zelmani auf die mit Instrumenten vollgestellte Bühne und setzte sich gleich – wo sie ihr Publikum doch eigentlich lieber stehen sieht – mit Piratentuch auf dem Kopf und Folklorekleidchen zu Gummistiefeln(!) auf einen Stuhl in der Bühnenmitte. Slow, sehr slow ging es los. Und so richtig Tempo-verschärft zu agieren ist nicht das Ding der stillen Sängerin. Die Band – diesmal zusätzlich mit einem guten Pedal-Steel-Guitar-Spieler besetzt – agiert in bester US-Tradition laid back. Da sitzt jeder Ton, es wird kaum einer zu viel gespielt, entsprechend auffällig wird dann sogar die dezente Dynamik und die seltenen Soli. Und Miss Sophie sitzt (und steht auch manchmal und tanzt sogar überraschenderweise selbstverloren) dazwischen und erzählt mit ihrer berührenden Geschichte ihre Geschichten, unspektakulär, aber doch den Nerv der 400, 500 Fans pro Ort während ihrer eher seltenen Tourneen treffend.

Mehr als von der Musik selbst, als vor ihrer Karriereführung ziehe ich den Hut. Wer abgeschieden mit Mann und Kind auf dem Land lebt, damit auskommt, einmal im Monat den Manager anzurufen, fast keine Interviews gibt und ohne jeglichen Hype auskommt und dennoch seit Jahren kontinuierlich Platten verkauft, muss was Besonderes sein. Und sympathisch ist sie allemal. Und sie spricht auch tatsächlich mit ihrem Publikum, zum Beispiel „Hope you like Dylan, too...“ bevor sie zu einem Cover von „Most Of The Time“ vom 89er Album „Oh Mercy“ (dem, wo Produzent Daniel Lanois Dylans Stimme sexy klingen ließ) ansetzte, das – von Big Johnny mit der Mundharmonika (virtuoser als der Meister selbst) veredelt – gegen ende immer wilder wurde, was aber nicht allein Lou Reed und „Walk On The Wild Side“ auf den Plan rief. Das wurde wohl tatsächlich zitiert, wie der Song davon merklich nach Leonard Cohen klang. Gute Hausnummern. Miss Sophie hat Geschmack und ihre Musik klingt eh nach den Weiten Amerikas wie auch die anderer Skandinaverinnen wie Siri Gjaere (mehr Folk und Country) oder Maria Mena (mehr Mainstream), sicher eine Landschafts- und Ambient-Frage.


Billy Bragg

Billy Bragg spielt sicherlich wieder ewig“, lautete die Botschaft aus der Batschkapp, die eh auf dem Heimweg lag. Und tatsächlich. Als ich nach 23:30 Uhr dort aufschlug, hatte die rote Socke laut Wahrnehmung eines Kollegen schon 17 Songs und ebenso viele Anekdoten hinter sich, spielte aber noch fünf Songs bis zu Zugabe, die dann noch mal so lang war. Bei anderen Künstlern also ein vollwertiges Konzert. Allein auf der Bühne, aktiv wie immer, das ewig Powerpack machte er mit seine Telecaster mächtig Lärm dank seiner zwei Kofferverstärker. „Cool, dass ihr so gut drauf seid in dieser dunklen Bar an einem Sonntagabend“, nahm er seine Fans – ohnehin textsicher und in jeder Minute bei ihm – in die Verantwortung. „Den nächsten Song singt ihr!“ Und das taten sie nur allzu gerne und gingen dann mit „New England“ (was sonst?) im Ohr glücklich nach Hause.


Katia und Marielle Labèque

Montag und Kontrastprogramm. Erst mal in die Alte Oper zum pro Arte-Konzerte der Piano-Schwestern Katia und Marielle Labèque mit Mozart, Schubert und Ravel auf dem Programm. Gerade Ravel birgt lustige Erinnerungen. Als die beiden vor zig Jahren in der Jahrhunderthalle spielten, wollten wir das Konzert mit dem Journal präsentieren. Was beim damaligen Chef der Halle, Michael Hocks, heute Intendant der Alten Oper, auf Gegenliebe stieß, aber Sony classical, das Plattenlabel, eher ein wenig pikiert reagieren ließ. Denn die hatten zu diesen Zeitpunkt das Crossover-Potential ihrer Künstler wie der Labèques, die im Geiste Bernsteins dessen „West Side Story“ (produziert von Jazz-Gitarren-Legende John McLaughlin und mit Trilok Gurtu am Schlagzeug) in einer Powerversion eingespielt hatten, oder Yo-Yo Ma noch gar nicht erkannt. Katia und Marielle musste sich damals oft noch in Interviews für ihre offene Haltung (und die Tatsache, die sie für Seife Werbung machten) rechtfertigten. Bei unserem ersten Treffen im Foyer des gediegenen Frankfurter Hofs stellte ich mich mit „Sorry, ich bin eigentlich Rock´n´Roller!“ vor, was bei ihnen nur ein „Gott sei dank!“ hervor rief. Und so kamen wir gemeinsam auf die glorreiche Idee, das Konzert in Höchst mit der Überschrift „Ravel ist Rock´n´Roll“ zu versehen was tatsächlich von einigen Zeitungen inklusive Blitz Tip eins zu eins übernommen wurde. Nur die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung mäkelte, das sei doch wohl Nonsens. Den Kollegen konnte man entgegnen, klar, wissen wir auch, das war wegen der Alliteration. Eigentlich ist es ja Jazz, haha.

Welch Präsenz die Schwestern auf der Bühne haben, machte der Abend in der Alten Oper mal wieder deutlich. Zwei eher zierliche Frauen, zwei Flügel und dann bestehen gegen die Größe und Tiefe der Bühne mit der mächtigen Orgel im Hintergrund, das heißt schon was. Das sie das locker schaffen, egal was sie spielen, unterstreicht ihren Stellenwert in der Klassikszene. Und Mozart und Schubert, der dann vierhändig an einem Flügel, begeisterte die Besucher trotz aller Melancholie beim der Legende nach unglücklich verliebten Schubert in seinem Todesjahr (na hoffentlich stimmen all die Infos, die ich da weiter gebe). Nach der Pause dann Ravel und zunächst „Ma Mère l’Oye“, die Kinderstücke, die zwar simpel gehalten waren, aber nicht minder ausdrucksvoll und vor allem klangfarbenreich ausgestattet wurden. Denn Ravel nutzte immer die – im wahrsten wie übertragenen Sinne – ganze Klaviatur für seine Kompositionen, mal nur die weißen, mal nur die schwarzen Tasten
und zauberte damit unvergleichliche Stimmungen, die in diesem Falle hier auch mal an Satie oder Mussorgsky („Bilder einer Ausstellung“) oder indonesische Gamelan-Musik erinnerten. Dass die Labèques Ravel gefühlsmäßig besonders nahe stehen, liegt wohl nicht nur allein an der Tatsache, dass alle drei aus dem französischen Baskenland stammen. Schön zu sehen, wie sie – auch dieses Stück zu vier Händen – wie in einer Choreographie die vier Händen über die Tasten fliegen und tanzen lassen. Na klar – sie sind auch Showwomen und verstehen sich – dezent, mit Understatement – zu inszenieren.

Auch der Zugabenblock – vier Mal wurden sie heraus geklatscht – passte bestens an diesem Abend. Zunächst Bernsteins „Jet Song“ aus der „West Side Story“ mit mächtigen Akkorden aber auch viel Swing, dann „Still Alive“ von Michel Camilo, einem zeitgenössischen Komponisten mit Jazz-Appeal aus der Dominikanischen Republik. So gleich im Anschluss an Ravels „Rapsodie espagnole“ mit der „Malagueña“ und der „Habanera“ funktionierten dessen Polyrhthmik und ganz sicher auch spanisch geprägte Melodik wunderbar. Hier wird klar, dass die Klassikerinnen auch zu improvisieren verstehen. Und längst nicht nur Katia, die „Wildere“ der beiden Schwestern, sondern auch Marielle, die eher Distinguiertere in der Wahrnehmung der Zuschauer. Noch vor Jahren hätten Klassikfans vielleicht die Nase gerümpft bei so viel Crossover, inzwischen geraten auch die – sorry – „Alten“ aus dem Häuschen bei so viel Spielfreude. Aber der Enthusiasmus der Leute ließ sich glatt noch steigern. Mit einem „Ungarischen Tanz“ von Brahms und einer Berio-Polka.


I'm From Barcelona

Ortswechsel. Mousonturm. Dank einer kleinen Verzögerungen waren I'm From Barcelona gerade erst auf die Bühne gegangen. Erst mal nachzählen wie viel Musiker (die Band hat angeblich 30 Mitglieder) da nun tatsächlich auf der Bühne standen. 14(!), zwei Bläser, akustische Gitarre, E-Gitarre, zwei Sängerinnen, zwei Sänger neben dem main man in der Mitte mit Gesang und Gitarre), Drums, Bass, 2 x Keyboards und Autoharp. Richtig gezählt? Ja. Dem Namen zum Trotz kamen die Jungs bekanntermaßen aus Schweden. Ein lustiger Haufen, ähnlich wie damals wie den Bright Eyes, unterwegs um Spaß zu haben. Und die Musik groovt, hat tolle Melodien, Frontmann Emanuel Lundgren, der ein bisschen wie eine Mischung aus Roy Wood (The Move, Electric Light Orchestra) und Helge Schneider aussieht, immer schräge Geschichten parat („Das solle ein Liebeslied werden, ist eher kein gewöhnliches geworden, denn es geht um einen Goldfisch...“) und die Fans hüpfen freudig erregt im Takt und nehmen dankbar das Spielangebot großer, schwarzer Riesenluftballons an, die von der Bühne regnen und den Saal durchqueren. „Hey, macht mal Licht im Publikum. Ich will, dass alles zu einer Bühne wird, ihr alle mitsingt und zur Band gehört. Denn ihr wisst ja – I think big!“.

Fotos: Detlef Kinsler
 
30. September 2008, 12.10 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
Fotogalerie:
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