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Zu Gast bei Waldbesetzern



Im aktuellen Journal Frankfurt steht eine Reportage über die Besetzer des Kelsterbacher Walds. Sie protestieren gegen den Flughafenausbau dort wo einmal die Nordwestlandebahn stehen soll. Hier steht, was sie zu sagen haben.

Marco, 27 Jahre: Ich denke, das die momentane Pseudo-Marktwirtschaft mit einer eigentlichen Herrschaft des kapitalistischen Finanzwesens eine völlig falsche Entwicklung ist. Der Mensch läuft damit auch von seiner Evolution her in eine Sackgasse. Es ist eine ganz natürliche Entwicklung, dass die Menschen sich zusammenfinden und neue Ansätze verfolgen. Sich etwa als integrativer Bestandteil des Ökosystems sehen. Der Protest hat also für mich nicht nur eine politische, sondern ebenso eine spirituelle Komponente. Ich habe durch viele Reisen und Erfahrungen gemerkt, wie wertvoll mein Leben ist, wie wichtig es ist, es für die richtigen Dinge einzusetzen. Meine persönlichen Ziele, dass ich in der Natur leben möchte oder in einem idealerweisen autarken Ökodorf, kann ich hier gut verwirklichen und zugleich anderen Menschen dieses Leben auch nahezubringen. Ich bin nicht links oder von der Antifa. Natürlich besitzt man bei gewissen Themen Emotionen, die in Gewalt münden könnten. Aber ich finde es wichtig, diese Energie in andere Formen zu lenken. Gewalt kann keine Lösung sein. Da würde man nur Teil eines Bereichs werden, der derzeit sowieso im Aufschwung begriffen scheint: polizeiliche Gewalt, verbale Gewalt, mediale Gewalt. Die wichtigste Waffe ist heute die Information. Und ein ganz großer Effekt dieser Aktion hier, ist nicht unbedingt, das der Wald nicht gerodet werden kann. Das ist illusorisch angesichts der Tatsache, das die Fraport hier bereits Fakten im Vorfeld einer Gerichtsentscheidung schafft, die in keinster Weise legitimierbar sind. Aber wir können es vielleicht schaffen, Menschen dafür interessieren, was hier überhaupt passiert, das sie ins Nachdenken kommen und sagen: Moment, da läuft irgendwas falsch.

Lulu, 18 Jahre: Ich interessiere mich sehr für die derzeitige Klimaproblematik. Für dieses Thema können wir an eben dieser Stelle viel Aufmerksamkeit bekommen. Flugzeugabgase sind hammerschlecht für die Atmosphäre. Der Wald hier ist wunderschön, das der gefällt werden soll, dagegen will ich mich einsetzen. Sicher, es gibt viele Orte, an denen man für Klimaschutzziele protestieren könnte, doch durch die Startbahn-West-Demos ist dies hier ein geschichtsträchtiger Ort, unseren Protest zu artikulieren. Ich war auch schon auf anderen Aktionen, bei denen öfters Leute vorbeikamen, um uns schlicht anzumotzen – das ist hier nicht der Fall. Seit bekannt ist, das wir hier sind, halten immer öfter Fahrradfahrer, bleiben Spaziergänger, um mit uns zu reden, um uns zu unterstützen. Seit einem dreiviertel Jahr mache ich an solchen Aktionen mit, etliche Genmais-Feldbesetzungen organisiert, auch Baumbesetzungen. Ganz schwindelfrei war ich anfangs nicht, aber das wird langsam.

Christian, 21 Jahre: Ich bin schon länger im Umweltschutzbereich tätig, daher habe ich schon länger gewusst, das hier was passieren wird. Ich will es einfach nicht länger mit ansehen, wie einige Mächtige, einige Konzerne den Planeten zerstören. Im vergangenen Jahr war ich mit Robin Wood schon mal zum Probeklettern hier, da fand ich den Wald schon sehr, sehr schön. Dass der nicht nur abgeholzt, sondern dass hier auch ein Flughafen entstehen soll, macht es nur schlimmer: der Flugverkehr ist der Klimakiller Nummer Eins. Das hier ist so organisiert, das eigentlich immer jemand hier ist, was mir die Chance gibt, zwischenzeitlich auch mal wegzufahren – aber ich werde zurückkommen und habe vor, bis zum bitteren Ende zu bleiben. Man merkt bereits die Auswirkungen des Klimawandels auf die Erde, jetzt ist die Zeit, etwas zu tun. Auf allen Ebenen, von der Basis wie solchen Baumbesetzungen hier bis zur juristischen Ebene – wenn alle zusammenarbeiten, dann kann der Flughafenausbau vielleicht auch verhindert werden. Bei der Startbahn West gab es ein Riesenhüttendorf mit zigtausenden Bewohnern. Dass es schließlich so eskaliert ist, mit toten Polizisten und toten Demonstranten, das möchte ich auf keinen Fall, das möchte keiner von uns. Ich hoffe, dass das so bleibt, wenn noch mehr Leute hinzukommen. Der Anspruch der Gewaltfreiheit ist für uns zentral.

Jörn, 31 Jahre: Ich studiere in Mainz, deswegen bin ich nicht kontinuierlich hier. Mein Demokratieverständnis ist, Grundrechte wie Meinungsäußerung mit Leben zu erfüllen, sich nicht von Obrigkeiten einschränken zu lassen. Der Protest hier, macht dies sichtbar, und sei es auch nur für die Chronik. Damit wird die Marketingabteilung der Fraport ein Problem bekommen, das eigentlich alle vom Flughafen profitierten und niemand wirklich etwas dagegen habe. Das Hüttendorf in den 80ern ist nicht auf sein tragisches Ende zu reduzieren, aber viele Menschen scheinen davon immer noch traumatisiert, manche legen eine übertriebene Zurückhaltung an den Tag, was Meinungsäußerungen angeht. Das Einbringen der eigenen Meinung, diesen Aufwand muss man schon betreiben. Das bedeutet auch einen eigenen Lebensstil zu entwickeln, anstatt nur auf Traditionen zu setzen. Der internationale Flugverkehr ist eine Art Omnibusverkehr, der bei vielen Pauschaltouristen für eine eher geringe Erlebniswelt sorgt. Sie versuchen räumliche Distanz zu ihrem Leben zu schaffen, das ist meist schon alles. So gesehen hemmt der Flughafen die persönliche Entwicklung. Man ist überall so ein bisschen, aber nirgends wirklich. Wenn ein Geschäftsreisender für einen Nachmittag nach Hamburg fliegt, weil dort ein Büro aufgegeben wurde, dann ist das ein ebensolcher Rückschritt. Auch deswegen, nicht nur aus Klimaschutzgründen, sollte der Flughafen eher zurück- als ausgebaut werden.

Alexander, 43 Jahre: Ich komm aus Hamburg, war aber schon mehrmals hier in der Region - etwa bei der Abholzung für die A380-Halle. Auch damals war der Rückhalt in der Bevölkerung schon sehr groß, nicht nur vonseiten der Bürgerinitiativen. Der Unterschied ist, das wir uns hier in einem freien Gelände bewegen und nicht mehr Sicherheitsdienste und Polizei überlisten mussten, um diese Bäume zu besetzen. Diese Situation hier wird entweder politisch gelöst, was ich persönlich nicht glaube, weil dazu zu viel Profitmöglichkeiten hinter dem Ausbau stehen, die andere Möglichkeit ist eine Räumung dieses Geländes. Auf eine Eskalation sind wir nicht aus, aber wir werden auch nicht kooperieren. Von meiner Geschichte her haben mich politische Situationen seit jeher gereizt, bei denen die Meinung eines großen Teils der Bevölkerung von Leuten mit großen wirtschaftlichen Interessen schlichtweg ignoriert wurde. Das ist hier auch so. Schon in den 80er-Jahren haben sich hier ganz normale Leute, die ansonsten weit entfernt waren von politischem Protest, zusammengefunden und engagiert, haben auch zum Teil den Wald bewohnt. Ähnlich war es auch im Wendland. Da spürt man eine starke Solidarität. Ich bin bei Robin Wood, das ist sehr basisdemokratisch organisiert. So wurde auch diese Besetzung hier nicht generalstabsmäßig geplant, sondern wer Interesse hatte, hat sich eingebracht. Ich sehe keine großen Chancen diese Landebahn zu verhindern, aber wenn diese Solidarität in der Bevölkerung anhält, dann werden sich weitere Großprojekte der Fraport wenn nicht verhindern, so doch sehr lange verzögern lassen. Bei der Startbahn West hieß es noch: Kein Baum wird mehr fallen. Doch es gibt hier ein exponentielles Wachstum - nochmal werden sie nicht 20 Jahre warten, bis nach der Nordwestlandebahn das nächste Projekt angegangen wird. Eine Aktiengesellschaft braucht nun mal Nahrung in Form von Kapital und so werden sie auch nicht darauf verzichten irgendwann die zehnte Landebahn hierhin zu setzen.

Siehe auch: Friede den Hütten

Fotos: Harald Schröder

 
10. Juni 2008, 12.24 Uhr
Nils Bremer
 
 
Fotogalerie:
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