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Welpen und Wahnsinn

cs0308_1Kurz vor Weihnachten bin ich in eine neue Welt eingetreten – in die der Hundehalter. Ich bin nun Besitzer eines Dackels, genauer gesagt: eines Kaninchenrauhaarteckels. Ich wusste auch lange nicht, dass es so etwas gibt. Selbstverständlich ist mein Hund der hübscheste Hund der Welt. Im Vorfeld bin ich gewarnt worden: Dackel, so sagte man mir, seien zwar wahnsinnig anhängliche, reizende und charakterstarke Tiere, aber auch unglaublich stur. Jetzt weiß ich: Dackel sind wahnsinnig anhängliche, reizende und charakterstarke Tiere, aber auch unglaublich stur. Das macht gar nichts, das bin ich auch.

cs0308_2Einen Hund bekommen sei wie ein Kind bekommen, sagt man. Ich habe noch nie ein Kind bekommen, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass frischgebackene Kindsväter vier- bis fünfmal pro Nacht aus dem Bett herausstürzen, um auf der Terrasse in Pyjama und Pantoffeln ein winziges Geschöpf auf eine Zeitung zu setzen, und dann die Worte „Mach schön“ in vollendeter Blödheit so lange wiederholen, bis das Tier sich endlich erleichtert hat. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass der Anblick eines frischen Kackhaufens bei einem Kindsvater so große Begeisterung auslöst wie bei einem Hundebesitzer („Ja, SCHÖN hast du gemacht!“). Der frische Kackhaufen bedeutet nämlich: mindestens zwei Stunden halbwegs ungestörte Nachtruhe. Aber diese Phase geht schnell vorbei.

Apropos Kackhaufen: Man bekommt auch eine völlig neue Perspektive auf die Stadt. Ich sage
Ihnen: Frankfurt ist von oben bis unten zugeschissen. Ich wähle bei der nächsten Kommunalwahl diejenige Partei, die die Stabsstelle Sauberes Frankfurt auf 20?000 Mitarbeiter vergrößern will. Man kann beim Spazierengehen in der Stadt gar nicht mehr ausweichen; jedes Fitzelchen Grün, jeder Straßenrandstreifen ist eine einzige Kloake, in die dann noch zusätzlich hi­neingekotzt und in der Altglas entsorgt wurde. Jedenfalls kommt es mir so vor. Streberhafterweise füge ich hinzu, dass ich immer Küchenpapier und Plastiktüte zur Entsorgung bei mir führe.

Die großartigste aller Erkenntnisse ist jedoch folgende: Ich werde nie mehr allein sein. Wenn ich irgendwann 70 bin und einsam, kaufe ich mir wieder einen Dackelwelpen und laufe damit durch die Straßen von Sachsenhausen. Binnen einer Stunde bin ich verheiratet, wenn ich das will. Ich kenne mittlerweile, da bin ich sicher, jede Seniorin meines Stadtteils. Auf der Schweizer oder der Textorstraße kann ich keine 20 Meter weit gehen, ohne von quietschenden Menschen angehalten zu werden. Die Menschen rufen: „Ist das süß!“, sie scharen sich um mich, alle wollen anfassen, alle stellen die gleichen Fragen, die ich hier noch einmal pauschal beantworte: Fine von Rehblick, geboren am 14.10.2007, ja, die wächst noch, aber nicht mehr allzu viel.

Doch nicht nur Senioren jubeln mir mit wie im Wahnsinn aufgerissenen Augen zu, auch Kinder, Jugendliche, Mütter, Väter, Arme und Reiche. Im Gemalten Haus stürzen schwedische Austauschstudentinnen zu mir hin und suchen das Gespräch (behaupten sie); in der Willemerstraße sagte ein nicht eben vertrauenerweckender Jugendlicher (!) mit Migrationshintergrund (!!) im Vorbeigehen: „Echt cooler Hund, ey“; pubertierende Schüler der benachbarten Schule lauern mir in den Pausen auf; auf der Darmstädter Landstraße hält ein Auto mitten auf der Straße: „Is des en Dackel?“, fragt der Fahrer, und als ich nicke, streckt er nur stumm den Daumen nach oben. Demnächst gründe ich einen Fanclub.

Erschienen im Journal Frankfurt, Ausgabe 03/2008.
 
26. Januar 2008, 12.28 Uhr
Christoph Schröder
 
 
Fotogalerie:
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