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Vor Gericht: Wer und wo ist Ali?

Manchmal sitzt man als Zuhörer vor den Schranken des Hohen Gerichts und wundert sich einfach nur. So in diesem Fall: Angeklagt ist Herr I., ein bulliger Mann mit schlechter Haut und kahlrasiertem Kopf, 30 Jahre alt. Würde man ein Adjektiv suchen, um ihn zu beschreiben, man würde sehr schnell auf „brutal“ kommen. Schon die Anklage klingt recht diffus: Herr I. soll einem Mann, dem er einen Kiosk verkaufen wollte, eine Pistole unter die Nase gehalten und 8000 Euro abgenommen haben. Herr I. sagt, dass er weder jemals einen Kiosk habe verkaufen wollen noch eine Waffe besessen habe, und hat im Übrigen nicht die geringste Ahnung, warum er eigentlich hier ist.

Nun wird’s noch konfuser: Auftritt Herr G., der vermeintliche Kioskkäufer, der behauptet, an Herrn I. durch einen anderen Kioskbesitzer in Bockenheim vermittelt worden zu sein. Den nennt Herr G. konsequent „Ali“, obwohl er in Wahrheit ganz anders heißt – wenn er es denn überhaupt ist. Auch nichts verstanden? Aha. Zudem sagt Herr G. so wirr aus, dass selbst der herbeigerufene Dolmetscher immer wieder nachfragen muss. Der Vermittler, nennen wir ihn der Einfachheit halber weiter „Ali“, hat Herrn I. in seiner Aussage schwer belastet; zum Gerichtstermin ist er allerdings nicht aufgetaucht, weil er angeblich krank ist. Ein Attest gibt es nicht, versteht sich. Herr G. ist im Übrigen erst 20 Tage nach dem Vorfall zur Polizei gegangen, was „in diesen Kreisen“ durchaus üblich sei, wie der ermittelnde Kommissar aussagt. Was er damit meint, bleibt offen. Wie alles.

Der Richter hat sich mittlerweile sein eigenes Bild gemacht und will Ali gar nicht mehr hören. Die Staatsanwältin dagegen wohl, also beantragt sie, den Prozess zu vertagen, bis Ali wieder gesund ist. Dass der dann auftaucht, glaubt kein Mensch. Also wird zur Sicherheit gleich ein dritter Termin festgelegt, zu dem Ali, der nicht Ali ist, zwangsvorgeführt wird, wenn er zum zweiten nicht erscheint. Herr I. mosert, weil er wenig Zeit hat, der Anwalt auch, der Richter kann sowieso nichts ändern. So kann man seine Zeit auch verbringen.

Erschienen im Journal Frankfurt, 20/2008
 
18. November 2008, 10.52 Uhr
Christoph Schröder
 
 
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