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Von Strenge, Schönheit, Spiritualität und Samurais

Nik Bärtsch’s Ronin bei Jazz im Museum.



Die, die gerne nörgeln, dass das, was im Hof des Historischen Museums geboten wird nicht immer wirklich Jazz sei, sind am frühen Sonntagmorgen am Römerberg längst in der Minderheit. Und diese wird bald den bereits abgewanderten zum Frühschoppen andersorts bei irgendeiner Dixieland-Kapelle folgen. Gestern ging nur ein Besucher demonstrativ in der Pause heim. Ihm war die Musik von Ronin „zu kopfig“ – eine Kritik, mit der die Schweizer sicher leben können. Denn der Pianist und Komponist Nik Bärtsch hat aus einer Konzertkritik das Credo der Band abgeleitet: durch Askese zur Ekstase. Tatsächlich wird von „Zen-Funk“ gesprochen, auch von „ritual groove music“, fernöstliches Denken gehört zum Selbstverständnis von Ronin und der Projektnamen geht zurück auf einen herrenlosen Samurai. Viel Stoff also, über den man sich im Vorfeld informieren könnte, sollte man der Meinung sein, dies sei absolut notwendig, um die Musik auch verstehen zu können. Man kann es aber auch bleiben lassen und sich – wie das das Jazz im Museum-Publikum längst gerne tut – ganz einfach auf das, was auf der Bühne passiert, einlassen.


Die fünf Musiker kommen alle – Ausnahme des E-Bassisten mit gemustertem Oberteil – in Schwarz auf die schwarz ausgeschlagene Bühne. Das wirkt streng, ernst, asketisch. Der Einstieg ins erste Set wirkt wie eine Meditation. Leise, fast still ist das erste Stück zunächst. Doch der Spannungsbogen, der sich langsam aufbauen soll, wird jäh unterbrochen durch heftiges Glockengeläut. Das gehört dazu am Römerberg. Die Musiker reagieren gelassen, fast amüsiert. Und überhaupt: wer geglaubt hat, die Disziplin und Konzentration, die diese Musik durchaus verlangt, könne dazu führen, den ganzen Vormittag nur in angestrengte, ernste Gesichter der Musiker zu schauen, die vor lauter Kunst den Spaß vergessen, sehen sich schnell eines anderen belehrt. Die fünf Jungs haben mächtig Spaß bei dem, was sie tun, haben ihre wohl strukturierten Kompositionen zu verinnerlicht, dass sie mit Leichtigkeit und Lässigkeit spielen können. Und obwohl sich ein paar der Solisten schon aus dem Sandkasten kennen, vermögen sie sich nach wie vor gegenseitig zu überraschen was für herzliches, offenes Lachen auf der Bühne sorgt und das Publikum zusätzlich für sie einnimmt.



Selbst die Soli, ob vom 6-saitigem Bass von Björn Meyer oder auch Schlagzeug von Kaspar Rast, wirken komponiert, obwohl innerhalb der festen Form Raum für Improvisation ist. Von der Band als beweglichem Organismus ist im Booklet der aktuellen CD die Rede. Und da bewegt sich viel trotz all der repetitiven Mustern und Patterns von Tasten und Gebläse (Sha an Saxophon, Bass Klarinette und – besonders beeindruckend, optisch wie klanglich – Kontrabass-Klarinette), mehr als bei Minimal Music. Die „Kopfmusik“ fährt in die Beine, denn sie groovt selbst in den langsamen Passagen. Und obwohl sie „multimetrisch“ angelegt ist. Oft scheinen die fünf Musiker auf unterschiedlichen Trips unterwegs zu sein. Aber sie befinden sich auf der gleichen Straße, dem selben Weg, und sind am Ende immer wieder „zusammen“. Fünf Individualisten funktionieren so als Kollektiv.


Alle Kompositionen von Bärtsch heißen – durchnummeriert – „Modul“, sind Bausteine eines großen Ganzen und suggerieren Abstraktes. Was die Leute konkret zu dem einen oder anderen Stück assoziieren, wäre sicher einmal interessant herauszufinden. Möglich, dass die Musiker mal einen kleinen „Wettbewerb“ im Netz dazu starten. Auch über die scheinbar offensichtlichen Einflüsse auf die Musik ließe sich sicher trefflich streiten. Da klingt bei den Bassklarinetten gelegentlich was Orientalisches an. Und bei der Percussion von Andi Pupato mit teils selbstgeschweißten Instrumenten wie einer Wasserharfe oder dem Alien Wok (zwei Woks mit Drumpad und Schalltrichter) mag Indisches und Balinesisches (Gamelan) im Spiel zu sein. Wie auch immer: Die Strenge steht nicht im Widerspruch mit Schönheit und Spiritualität im Spiel.


Fotos: Kinsler

 
18. August 2008, 09.27 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
Fotogalerie:
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