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Vom Main an den Rhein

Weil es noch ein (Theater)Leben jenseits des JOURNALS gibt, fahre ich morgen nach Köln. Dort beginnt morgen das Festival Impulse, für das ich als Scout tätig war. Auf diese Reise könnt Ihr mich begleiten, und zwar im Westropolis-Blog:
Was ein Scout tut?


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Scout zu sein ist eine Un-Tätigkeit. „Informell“ nannte sie mal jemand, und das trifft es wohl auf den Kopf. Scout zu sein heißt: Stille Post spielen. In vollem, manchmal auch heiligen Ernst. Schließlich geht es um etwas. Für uns, für die Künstler, für ihre Arbeiten, mit denen wir uns tagtäglich auseinandersetzen. Und dabei am besten stets vergessen sollten, dass wir es tagtäglich tun, um die Sinne offen zu halten, um aufmerksam zu sein, wenn das Ungeheuerliche geschieht: ein Moment der Rührung, der Überraschung, ein, ja – Impuls. Ein Wort, eine Geste, eine Idee, die etwas in Bewegung setzt: Impuls, der; Antrieb, Anregung, [An]stoß, Anreiz. Doch was treibt, was stößt, was reizt? Letztendlich suchen wir etwas, von dem wir nicht wissen, wie es aussehen soll – was die Suche nicht gerade erleichtert. Was man suchte, weiß man erst, wenn man es gefunden hat, wenn man im Theater sitzt und es sieht, hört, riecht, schmeckt, spürt.

Doch einen Schritt zurück, wieder das Wörterbuch zur Hilfe: Scout [skaut] Späher, Aufklärer, Pfadfinder, (British English) Fuchs, aber auch: erkunden, spähen, als lächerlich ablehnen. Was für eine wunderliche Begriffsverknüpfung, die nicht nur die Beobachtung, Aufklärung, Erkundung von (fremdem) Terrain und ein Wildtier, sondern auch ein mögliches Urteil umfasst. Liegt doch gerade im Theater die Gefahr der Lächerlichkeit so nah wie kaum sonst, schmerzt das Scheitern doch selten so sehr wie in der eigenen körperlichen Gegenwart.

Scouts liegen also auf der Lauer, sie sind Jäger, vielleicht auch Sammler seltener Momente. Und letztlich heißt das untätig-tätig sein bloß: Ich habe in den letzten 12 Monaten noch mehr Theater gesehen als ich ohnehin schon sehe. Habe kleine Texte dazu verfasst, Nachrichten aus der Provinz, mich mit den anderen vom Impulse-Team ausgetauscht. Aber den größten Teil des Jahres sitzt man etwas auf verlorenem Posten – das ist ja auch der Sinn der Sache. Ich bin hier, um Zeug zu sehen, das sonst keiner sehen kann. Darum bekam ich auf meinem Späherposten irgendwann das Fieber in den Blick, die Sehnsucht danach, etwas zu finden, das noch niemand gesehen hat. Mein ureigenes weißes Kaninchen, das ich aus dem Hut zaubern könnte mit einem verdammt glücklichen Lächeln und leisem Triumph.

Doch natürlich läuft man in erster Linie irgendwelchen Karnickeln hinterher, purzelt in ihre Bauten – Keller, Tonstudios, Fabrikhallen, Sternwarten, Hörsäle oder wo sich die Off-Szene sonst so zeigt –, erlebt dort merkwürdige Dinge und denkt danach: Das war’s jetzt? Stellt mit kaltem Entsetzen oder mildem Achselzucken (das wechselt) fest, wie schmal das Feld ist, in dem man sich bewegt, wie viel allen Unkenrufen zum trotz produziert wird, und wie wenig davon berührt, verstört, interessiert. Klare Sache, denn wer versucht, sich dem Theater von seinen Rändern her zu nähern, fährt größeres Risiko. Wie performativ kann Playmobil sein? Wie agiert ein Computerspiel auf der Bühne? Ein einarmiger Bandit? Wie wird die Komplizenschaft geknüpft zwischen Publikum und Performern, Tänzern, Vortragenden? Warum erzählen die Macher den Alltag einer Kosmetikerin, die Einsamkeit der Cowboys, die Todessehnsucht Halbwüchsiger, von ungarischer Politik, Frauenfiguren im Mittelalter und Eulen in Athen?

Aller Abgeklärtheit zum trotz: Das Pathos bleibt. Martin Seel nannte es jüngst so schön, „Agent seiner eigenen Überraschung“ zu sein. Da zu sein, wenn ‚es’ passiert. Und an den vielen Abende davor.

 
20. November 2007, 12.19 Uhr
Esther Boldt
 
 
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