Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs

The First Take Is The Deepest

Tom Ripphahn setzt mit seinem neuen Label Analoghaus auf Handgemachtes

Der Abgesang auf den guten alten Tonträger wird jeden Tag aufs Neue angestimmt. Die Plattenindustrie (oder was davon übrig geblieben ist) hat keinen Plan, die Umsätze brechen ein und die Download-Generation sucht sich ihre Wege, um an Musik zu kommen. Gerne an den Töpfen der Labels vorbei. Da könnten Musiker und Macher angesichts der prekären Situation den Kopf in den Sand stecken oder in Depressionen verfallen oder in einer Jetzt-Erst-Recht-Haltung die Not zur Tugend machen und sich ihre Nische suchen. Das tut Tom Ripphahn, einst Sänger, Gitarrist und Songschreiber der regionalen Helden Hands On The Wheel mit Deal beim Major EMI, der in der Dögelmühle vor den Toren Frankfurts in Karben seit Jahren sein Studio betreibt, das jetzt konsequenterweise Analoghaus nennt und unter diesem Namen gleich auch sein eigenes Label lanciert.

Der Name Analoghaus ist dabei Programm: Im Beinahe-Wohnzimmer-Wohlfühl-Ambiente der Dögelmühle erinnert nichts an sterile Hightech-Studios in London oder Los Angeles. Alte Bandmaschinen, alte Mikros und Hallgeräte, erstklassiges, nicht gerade billiges Equipment hat Ripphahn da zusammen getragen, immer wieder im weltweiten Netz (diesbezüglich ist das digitale Informationszeitalter für ihn eine große Hilfe) recherchiert und Interviews gelesen, was für Hilfsmittel haben seine Lieblingsproduzenten und Toningenieure, Leute wie Daniel Lanois (der nicht nur für Peter Gabriel und U 2 arbeitete), Jim Scott (der Stings “Dream Of The Blue Turtle“ aufnahm, mit Tom Petty und den Barenaked Ladies im Studio war), Ethan Johns (Ryan Adams, Ray LaMontagne, Rufus Wainwright) oder Craig Street (Cassandra Wilson, Me’shell Ndegeocello)? „Da las ich dann oft dieselben Namen von Mikros, Hallgeräten etc. Und die habe ich mir dann besorgt.“

Wenn man weiß, dass heute ein gutes altes 2-Zoll/24 Spur-Tonband für 30 Minuten Aufnahme locker mal 300 Euro kostet, kann man sich vorstellen, dass dieses Geld sauer verdient werden musste, um dieses Luxus leisten zu können. Tom, Musiker aus Leidenschaft und zwischendurch oft auch nur mit Klampfe und Stimme bewaffnet in deutschen Clubs unterwegs nachdem die Band aufgelöst war, hatte sich zwischenzeitlich auch mal als Werbemusikschreiber und –Produzent verdingt, „gehurt“ wie er sagt, da sogar mit digitalem Equipment gearbeitet. So haben ihm Auftrageber wie Ariel und – ja auch – Pampers geholfen, der Verwirklichung seines Traumes näher zu kommen. Und daraus macht Ripphahn kein Geheimnis, sondern geht ganz offensiv damit um. Man kann es bei den Referenzen auf seiner Website nachlesen. Das Digitale dient ihm heute nur noch als Speichermedium – mehr nicht.

„Die Musiker lieben es, wenn das Band rollt, das ist ein körperliches Gefühl“, schwärmt Ripphahn von der Arbeit „ohne doppelten Boden“ mit handgemachter, von der Band live eingespielter Musik, am liebsten First Take, ohne Korrekturen, die das digitale Arbeiten so beliebig macht. „Es ist ein rein akustisches Arbeiten, kein optisches“, spielt er darauf an, dass viele Kollegen an ihren Bildschirmen die Musik nur noch Spur- und Häppchen-weise als verschieden farbige optische Ausschläge akustischer Signale wahrnehmen während er immer das Gesamtbild vor Augen hat, nicht die Einzelteile. Und das – so ist sicher Ripphahn – erziehe die Künstler auch zu besseren Musikern. Denn bei richtigen Bandaufnahmen Fehler auszubügeln, ist ein weitaus komplizierteres Unterfangen, als beim Digitalen einzelne Passagen rauszuschneiden und durch bessere Takes zu ersetzen. Denn so entsteht nur Flickwerkhaftes, nichts wirklich Reales, gar Authentisches.

„Ich finde, dass sich zu wenige Künstler sich vor einer Produktion über die Wahl der Waffen – oder sagen wir lieber Wahl der Mittel – Gedanken machen. Denn das bestimmt den ganzen Weg, den man gehen will. Bei echter, handgespielter, zudem live eingespielter Musik ist es für mich nur folgerichtig, mit Bandmaschinen zu arbeiten. Das Digitale wäre da die falsche Wahl der Mittel“, ist Ripphahns Erfahrung. Dass der analoge Sound wärmer, homogener, „menschlicher“ ist, ist für ihn keine Mär. „Das Rauschen ist unser Freund“, lacht Tom.

Die Ästhetik dieser Produktionsphilosophie bestimmt bedingt auch die Auswahl der Künstler fürs eigene Label. Da Ripphahn, der nach wie vor richtige Alben als Sammlung von Songs liebt und produzieren möchte, Musik präsentieren will, die die Zeit überdauert und sich nicht an Modetrends orientiert, mag er auch nicht mit Nebenbei-Musikern arbeiten, sondern nur mit solchen, die sich ihre Musik voll und ganz widmen. Hobby-Künstler haben bei ihm keine Chance. „Da denke ich aber auch ganz pragmatisch. Wenn ein Künstler viel unterwegs ist, verkauft er auch CDs“, will sich der Analoghaus-Macher nicht auf Dritte verlassen, ihm gute Stückzahlen zu garantieren. Präsenz schafft hier den Markt und von daher ist es kein Zufall, dass Robert Carl Blank mit „Soul Circus“ im Juni die erste Veröffentlichung auf Analoghaus ist. Am 20.6. erscheint die CD, am 27.6. gibt es eine Release Party im Bett. Der Singer/Songwriter ist quasi ständig on the road, hat sich seine Fans erspielt bei 150 bis 200 Auftritten pro Jahr. „Für Robert ist es eine natürliche Lebensgegebenheit, Musiker zu sein.“

Solche Typen sucht Ripphahn und hat in Amri Pardo & Phase 4 mit ihrem Psychedelic Neoloverock und Tonfront (zwischen Rock & Roll, Jazz, Punk und Avantgarde, zwischen Tool und Led Zep) für August die nächsten Veröffentlichungen terminiert. Die letzte Konsequenz für Ripphahn und Analoghaus könnte tatsächlich sein, eines Tages (wenn es auch finanzierbar ist) die Produktion auch wieder auf Vinyl zu veröffentlichen. Noch Zukunftsmusik, aber längst angedacht.

[credit ovty.de]
 
26. Mai 2008, 21.49 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
 
 
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
Historisches Museum Frankfurt
Zeitgenössische Kunst von Wanda Pratschke
Im Lichthof des Historischen Museums Frankfurt werden anlässlich ihres 85. Geburtstags Positionen zeitgenössischer Kunst von Wanda Pratschke präsentiert. Im Mittelpunkt steht die Bronze namens „Traum“.
Text: Sina Claßen / Foto: Historisches Museum Frankfurt © Stadt Frankfurt LUMEN
 
 
 
 
 
 
 
Ältere Beiträge
 
 
 
 
20. April 2024
Journal Tagestipps
Pop / Rock / Jazz
  • The Nina Simone Story
    Frankfurter Hof | 20.00 Uhr
  • The Musical Box performs Genesis
    myticket Jahrhunderthalle | 20.00 Uhr
  • Nacao Zumbi
    Brotfabrik | 20.00 Uhr
Nightlife
  • 1001 Queer Oriental Night
    Orange Peel | 23.00 Uhr
  • Gibson loves Saturdays
    Gibson | 23.00 Uhr
  • KukiDance
    Lilium | 21.00 Uhr
Klassik / Oper/ Ballett
  • Heute Abend: Lola Blau
    Theater im Palast | 19.30 Uhr
  • Öffentliche Probe
    Hochschule für Musik und Darstellende Kunst | 19.00 Uhr
  • Orchester hautnah
    Neue Kaiser | 15.00 Uhr
Theater / Literatur
  • Das dreißigste Jahr
    Freies Schauspiel Ensemble im Titania | 20.00 Uhr
  • Die Ehe der Maria Braun
    Schauspiel Frankfurt | 19.30 Uhr
  • Elvis – Das Musical
    Alte Oper | 20.00 Uhr
Kunst
  • Homo sapiens raus! Heimspiel für Greser & Lenz
    Kunsthalle Jesuitenkirche | 10.00 Uhr
  • Heilige Räume – Neue Konzepte
    Haus am Dom | 11.00 Uhr
  • Laura J. Padgett
    Jüdisches Museum | 10.00 Uhr
Kinder
  • Ein Schaf fürs Leben
    Kinder- und Jugendtheater Frankfurt | 16.00 Uhr
  • Swingin'
    Theaterhaus | 18.00 Uhr
  • Der Mistkäfer
    Staatstheater Mainz | 10.00 Uhr
und sonst
  • Wein am Main
    Goethe-Universität, Casino | 12.00 Uhr
  • Green World Tour Frankfurt
    myticket Jahrhunderthalle | 11.00 Uhr
  • | Uhr
Freie Stellen