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So stand es im Pflasterstrand (19. Dez. 1981)
Eine Doppelnummer! Zu Weihnachten! "Für eiskalte 4,- DM!" Das 56-Seiten-starke Stück müssen wir natürlich gebührend würdigen. Und damit es Euch über die Feiertage nicht zu langweilig wird, werden wir ab und an kleine Versatzstücke aus der Jahresabschlussnummer bloggen (heißt das wirklich so?). Denn: der nächste Pflasterstrand erscheint erst am 16. Januar 1982. Also werfen wir einen Blick ins "coole magazin aus frankfurt". Im Inhaltsverzeichnis erkennen wir gleich: "kein Wort" zur "Startbahn West". Dafür aber: "Noch ist Polen nicht verloren - ein Kommentar, Sonntag abend geschrieben", dazu noch: "Die Frankfurter Volkshochschule wird eingemacht" (und zwar von der Frankfurter CDU), ein Weihnachtsmärchen von Mike Knös, eine Reportage aus einem Kibbuz und ein Artikel über Irans neue Führung. Klingt spannend.
Beginnen wir mit einem Veranstaltungstipp von Anderes Ufer:
Beginnen wir mit einem Veranstaltungstipp von Anderes Ufer:
Für alle Leute, die nach dem Weihnachtsstress im Schoß der Familie, nach Frustvöllerei, zu vielen Hallelujas und Christbaumkugeln, wohlbehalten zurückgekehrt sind und sich, bevor der Alltag weiter geht, erstmal davon erholen wollen, findet am Samstag, dem 26.12. ab 20 Uhr im Schwulenzentrum Anderes Ufer, Gaußstr./Ecke Mercatorstr. ein großes Fest statt (garantiert ohne Christbaum). Kommet zuhauf!Ach wie schön. Das führt uns zu den Pflasterstrand-Plänen für 1982.
Besser, schöner, schnellerGenau. Und wenn das JOURNAL FRANKFURT im kommenden Jahr doppelt so viele Abonnenten hätte, dann ... Kommen wir zur Frankfurter CDU.
Und teurer. Nein, nicht das Heft selbst, sondern die Kleinanzeigen. Zur finanziellen Situation, zu unseren redaktionellen Zukunftsplänen und den Schwierigkeiten haben wir in der letzten Nummer schon einiges gesagt: Die Ausweitung der inhaltlichen Arbeit bedeutet Neuanstellungen. Und da wir mit unserem Magazin Ideen von der Werbeindustrie nicht unterstützen werden, brauchen wir den Kredit des Lesers. Vor allem durch Abonnements. Könnten wir innerhalb des nächsten Vierteljahres doppelt soviel Leser regelmäßig per post beschicken, wäre unsere Zukunft gesichert. Abos kann man auch zu Weihnachten schenken. (...) Jede normale Kleinanzeige kostet ab jetzt FÜNF DEUTSCHE MARK pro 6 Zeilen. Jede zusätzlichen 2 Zeilen kosten ZWEI DEUTSCHMARK mehr (Geschenkanzeigen und dumme Sprüche in Grenzen sind weiter kostenlos). (...) Von den Mehreinnahmen können wir uns bald eine halbe Kulturredaktionsstelle zusätzlich leisten. Das ist auch dringend nötig.
Nur noch ein Drittel wird bis zum Sommer 1982 von der VHS Frankfurt übrigbleiben. Was inhaltlich mit Volksbildung einmal gewollt war, ist dann so gut wie tot. Kita und TAT waren die Etappenziele nach dem ersten CDU-Wahlsieg in Frankfurt. VHS und "unnötiges Gestrüpp" im Öffentlichen Dienst, unkontrollierbare Jugendtreffs und unliebsame Jugendorganisationen sind unter anderem die Zielscheiben nach dem zweiten Sieg, auf die geschossen werden kann und soll. (...) Der Frankfurter CDU geht es nicht nur darum, was an Gebührenerhöhungen sie noch für sozial zumutbar halten will (und für wen?), sondern auch darum: Welche "Bildung" ist noch nicht erwünscht und welche nicht!So weit Rainer. Paul Planet (den regelmäßigen Pflasterstrand-Lesern dürfte dieser Name bekannt sein) hat ein Interview mit dem Führer der Volksmodjahedin, Massud Radjawi, geführt. Unter der Überschrift "Iran die zukünftigen machthaber stellen sich vor" antwortet Radjawi unter anderem:
Zunächst einmal, wir sind keine Anhänger Schariatis. Und was Sie über unterschiedliche Interpretationen und Kommentierungen des Korans sagten, ist keine besonders uns betreffende Angelegenheit.Bleibt noch zu erwähnen, dass Radjawi 1986 nach Frankreich emigrieren musste und die Modjahedin nicht ganz den erwünschten Erfolg hatten. Zum Abschluss noch etwas Besinnliches, nämlich eine Kleinanzeige:
Es ist eine natürliche Sache, daß unterschiedliche Klassen und Schichten sich der Ideologie bedienen, die mit ihren Interessen am weitestgehenden übereinstimmt. Aber wie können wir die Unterschiede zwischen ihnen verstehen? Ich denke, Sie stimmen bei philosophischer Betrachtung darin mit mir überein, daß Praxis das einzige Kriterium für die Geltung der verschiedenen Theorien ist. Nehmen wir als Beispiel die Tudeh-Partei (die KP des Irans) - wir nennen sie im Iran übrigens "Nachrichten-Partei". Sie arbeitet für Chomeini wie einst der Savak für den Schah und wir haben genügend Dokumente, die dies beweisen. Sie selbst bezeichnet sich als marxistisch-leninistische und revolutionäre Partei, die den neuen Typus der Arbeiterpartei verkörpert. Aber im Iran weiß jeder, daß dies ein schlechter Witz ist. Haben Sie jemand eine neue proletarische marxistisch-leninistische Partei gesehen, de das nachbetet, was die rechte traditionelle Kleinbourgeoisie vorkaut? Deshalb braucht man weder von Marx auf der einen Seite noch von Mohamat auf der anderen Seite grundlegend enttäuscht zu sein. Nun, soweit es uns betrifft, ich meine die Volksmodjahedin, hatten und haben wir unsere Prinzipien und Ideologie, für die wir kämpften und weiterhin kämpfen werden. Ich will sagen: Chomeinis Islam ist brutal, diktatorisch, betrügerisch und statisch. Der Islam, von dem wir ausgehen, ist wirklich demokratisch, nicht bürgerlich-demokratisch, sondern populistisch und der Feind von Kolonisation und Ausbeutung.
Wir sind wild entschlossen, einen alternativen, also giftfreien landwirtschaftlichen Betrieb aufzubauen. Margot, 32, Christian, 28. Rainer, 27 - lebt als Künstler m. uns. Den üblichen Schwierigkeiten zum Trotz. - Aber wir haben nicht nur Lust zur Maloche, sondern auch zu anderem phantasievollen Tun. 4-6 Leute können die WG bevölkern, der Hof ist schon da. Interessenten m. ein wenig Frusttoleranz: T. 06668/xxxxTja, liebe Margot, lieber Christian und lieber Rainer - wenn Ihr noch lebt, dann sagt uns doch mal, was draus geworden ist auf dem alternativen, giftfreien Betrieb. Frohe Weihnachten!
19. Dezember 2006, 12.09 Uhr
Nils Bremer
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