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Schöffling & Co.

Frankfurt liest ein Buch – aber welches?

Seit 2010 erfreut sich die Stadt an der Reihe "Frankfurt liest ein Buch". Dahinter steht ein öffentlich geförderter Verein, der maßgeblich vom Verleger Klaus Schöffling gesteuert wird. Ein Interessenkonflikt?
Als vor gut dreieinhalb Jahren ganz Frankfurt ein Buch las, war noch nicht klar, wohin die Reise geht. Das Konzept: Ein einzelnes Werk über Wochen in über 100 Veranstaltungen in den Mittelpunkt stellen. In Lesungen, Aufführungen, Diskussionen. Fürs Debüt wurde Valentin Sengers Werk "Kaiserhofstraße 12" wieder aufgelegt, längst war es vergriffen, ja vergessen. Nun erklomm es im Zuge der vielen Lesungen, im Zuge einer breiten, auch überregionalen Berichterstattung die Spiegel-Bestsellerliste. Ein Erfolg, auch für den Frankfurter Verlag Schöffling & Co. Von dort hieß es postwendend: Wir geben hier nur den Startschuss, von nun an sind auch mal andere Verlage dran. Und tatsächlich: 2011 kam Wilhelm Genazinos "Abschaffel" bei Carl Hanser heraus. Wieder ein Jahr später: Silvia Tennenbaums "Straßen von gestern" – erschienen bei Schöffling. Im vergangenen Frühling: Suhrkamp mit Kracauers Ginster. Gibt es da einen zweijährlichen Automatismus zugunsten jenes Verlegers, der die Idee nach Frankfurt importierte?

Klaus Schöffling, der Verleger, verneint dies. Die Bücher von Senger und Tennenbaum hätten die bisherigen Verlage nicht noch einmal auflegen wollen. Dennoch ist eine Verquickung zwischen der Veranstaltungsreihe und dem Verlag offensichtlich. Der Vorstand des Vereins "Frankfurt liest ein Buch" besteht aus drei Personen. Klaus Schöffling ist Vorsitzender, eine seiner Mitarbeiterinnen ist Schatzmeisterin und Angestellte des Vereins, als dritter im Bunde und quasi in der Minderheit fungiert Matthias Arning, der frühere Referent von Oberbürgermeisterin Petra Roth.

Ebenjener dreiköpfige Vorstand fällt die Entscheidung über das Buch, das Frankfurt liest – nach einer, so Schöffling, "umfangreichen Vorschlagsliste der Vereinsmitglieder und Frankfurter Bürger". Doch inwieweit werden die wirklich berücksichtigt?

Norbert Rojan vom B3-Verlag hat da so seine Zweifel. Die Vorschlagsliste jedenfalls bleibe ungenannt, der Entscheidungsprozess intransparent. Dieser Tage richtet Rojan das Augenmerk auf Henry Jaeger, einem Frankfurter Schriftsteller, der eine große Nummer in den Feuilletons der Nachkriegsära war, dessen Bücher Bestseller waren, "Die Festung" wurde mit Hildegard Knef verfilmt. Jetzt 50 Jahre später, kommt der Streifen auf DVD, idealer Anlass auch für den B3-Verlag auf seine Reihe "Die Frankfurt Bibliothek" aufmerksam zu machen, die sich um vergessene Bücher und Autoren verdient macht.

Wäre dieser Jaeger nicht ein idealer Kandidat für "Frankfurt liest ein Buch"? Doch der Verein, in dem Rojan auch Mitglied ist, beschied das Ansinnen abschlägig. In Norddeutschland gibt es einen weiteren Verlag, der ebenso abblitzte - öffentlich äußern möchte man sich dort jedoch nicht. Dabei muss, wer sich die Statuten des Vereins durchliest, zum Schluss kommen, dass der Vereinszweck vor allem in der Förderung der Literatur im Allgemeinen und literarischer Veranstaltungen in Frankfurt im Besonderen liege. Über die Modalitäten der Buchauswahl verrät die Satzung nichts. Die Bücher, hieß es in den Ablehnungen schlicht, passten nicht ins Programm. Laut Klaus Schöffling sind solche Anfragen anderer Publizisten selten: "Die Verlage rennen uns nicht die Bude ein", sagte er auf einer Mitgliederversammlung.

Wohl aber enthält die Satzung den Passus, dass der Verein selbstlos tätig sei und keine eigenwirtschaftlichen Zwecke verfolge. So gelang es in der Vergangenheit auch, größere Fördertöpfe aufzutun. Allein das Literaturreferat der Stadt Frankfurt gab pro Jahr 30.000 Euro. Ein Beitrag, der aber kein Automatismus sei, sondern jährlich neu beantragt werden müsse, wie es aus dem Kulturamt heißt. Auch Institutionen wie die Stiftung Polytechnische Gesellschaft oder das amerikanische Generalkonsulat leisteten hie und da Finanzierungen. Der größte Geldsegen kommt aber von Verlagen, deren Bücher in den Mittelpunkt gestellt werden. Suhrkamp und Carl Hanser sind hier zu nennen. Sie sollen mit bis zu 35.000 Euro dabeisein, um die Gesamtkosten zu decken. Im Kassenbericht von 2012 ist nachzulesen, dass der Schöffling-Verlag selbst dem Verein eine deutlich geringere Summe zukommen lässt: 10.000 Euro waren es bei Silvia Tennenbaum.

Im Protokoll der Vereinssitzungen heißt es außerdem, dass die Gesamtkosten bei rund 60.000 Euro liegen. Ein Gutteil davon wird für Marketingleistungen ausgegeben. Der vom Verein bestellte Organisator Lothar Ruske bekommt circa 15.000 Euro pro Veranstaltung, fürs Layout des Programmhefts und Druck der Plakate fielen weitere 13.000 Euro an, laut Experten eine recht hohe Summe. Kleckerkram, könnte man nun auch meinen. Doch der wirkliche Schatz, so sehen es Norbert Rojan und andere Kritiker der Verquickung zwischen einem Unternehmen wie Schöffling und Co. und einem selbstlosen Verein, liegt im Buchverkauf. "Damit macht der Schöffling-Verlag ordentlich Gewinn", ist sich Rojan sicher. Vor allem, weil die vielen Veranstaltungen – auch finanziell – von den beteiligten Institutionen getragen würden, nicht vom Verein. Der versucht nur zu möglichst vielen Events anzuregen, und diese dann fürs Programm zusammenzutragen

Dass alle zwei Jahre Schöffling selbst von dem Großprojekt profitiere, sei gewiss kein Zufall. In einem Sitzungsprotokoll heißt es: "Der Verein verfügt über eine Vorschlagsliste von Altenburg über Goethe, Henscheid und Kracauer bis Zweig. Bei der Realisierung des Lesefestes sei Klaus Schöffling dann aber meist auf sich selbst zurück geworfen." Im Frühjahr 2014 erscheint eine Lizenzausgabe von Eckhard Henscheids Werk "Die Vollidioten". Bei Schöffling und Co. Vom 31. März an wird Frankfurt dieses Buch lesen. Und ein bisschen weiß man jetzt auch warum.
 
3. Dezember 2013, 10.53 Uhr
Nils Bremer
 
 
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