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Reitzes Tiefschläge



Journalistenpreisverleihungen sind ja so eine Sache. Eine langweiliige meist. So war ich nicht weiter erstaunt, als der Strothoff-Journalistenpreis mit langweiligen Reden begann, wobei für mich persönlich die Rede des Namensgebers, ein gewisser Herr Strothoff, eindeutig zu den langweiligsten Reden gehörte, die mir bislang untergekommen sind. Aber gut: ein erfolgreicher Unternehmer muss ja nicht gleich ein brillanter Redner sein. Der große Vorteil an der Preisverleihung war jedenfalls, dass sie im Filmmuseum stattfand und man sich im halbabgedunkelten Saal in die Kinosessel lümmeln konnte. Der Typ in der Reihe vor mir machte jedenfalls in der ersten Dreiviertelstunde nichts anderes als E-Mails mit seinem Blackberry zu lesen. Er öffnete eine Mail nach der anderen, entschied sie zu löschen oder auch nicht, ich habe eine Zeitlang sogar mitgelesen, weil man sagen muss, dass dieser Blackberry-Bildschirm recht kontrastreich ist, aber das war nur so Geschäftskrempel. Irgendwann klingelte dann der Blackberry und der Typ verschwand, um draußen zu telefonieren – soviel Anstand hatte er wohl doch noch.

Schließlich ging Herr Reitze auf die Bühne, das ist der Intendant des hr. Er sagte, er habe sich lange überlegt, ob er hier sprechen solle. Und dann noch kurz, wie wichtig solche Journalistenpreise seien, gerade in dieser Zeit der sinkenden Qualität im Journalismus. Der Preis wird für Berichte über den Facheinzelhandel vergeben. Darüber hatte Herr Strothoff schon einiges erzählt, vielleicht kam Herr Reitze deswegen gleich auf was anderes. Den Emig-Prozess nämlich. Dazu muss man wissen, dass einige Journalisten ganz scharf drauf waren zu erfahren, ob nur Herr Emig ein Schmierlappen ist oder gleich der ganze Sender hinter ihm auch, ob es "nur" ein System Emig oder auch ein System hr gebe. Herr Reitze musste da auch aussagen und ein Fotografenkollege von mir meinte, an dem Tag sei er ganz, ganz mies draufgewesen, sei nach der Verhandlung rausgestürmt ohne ein Wort zu sagen. Nun, beim Strothoff-Preis verriet er auch, warum. Es sei nämlich interessant gewesen, einmal auf der anderen Seite zu stehen, also Objekt der Berichterstattung gewesen zu sein, da könne man einiges lernen über den Berufsethos einiger Kollegen. Da gebe es nämlich nicht wenige, die hätten geurteilt, ohne auch nur ein einziges Mal im Gerichtssaal gewesen zu sein, hätten ihn in Kommentaren niedergemacht, ohne recherchiert zu haben, sonst wären ihre Urteile anders ausgefallen. Es habe sich gezeigt, dass die Journalisten um so ausgewogener und objektiver berichtet hätten, je länger sie am Prozess teilnahmen. Andere hingegen hätten auch so geschrieben. Besonders dieser eine von einer großen Frankfurter Tageszeitung. Reitze setzt zu juristisch einwandfreien Beleidigungen an. Eigentlich weiß zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich jeder im Saal, dass mit der Zeitung die FAZ gemeint ist mit diesem einen Medienredakteur. Gut, dass der nicht da ist. Wäre er es, man würde sich nicht wundern, wenn Herr Reitze ihm zum Abschluss seiner Festrede das Pult über den Kopf geknüppelt hätte. Stattdessen entschuldigt er sich, soviel über seine eigene Person erzählt zu haben, aber schließlich ginge es doch um Qualität im Journalismus. Über den Fall selbst hingegen, sagt er, wolle er keine weiteren Worte verlieren. Schade eigentlich.

Ach, und um das noch hinzuzufügen: der Rest der Veranstaltung, nämlich die eigentliche Preisverleihung, wurde dann doch noch sehr amüsant. Ich erfuhr, dass die n-tv-Moderatorin Carola Ferstl ebenso groß wie charmant ist. Dass Einspielfilmchen über die Preisträger nicht vor Klischees strotzen müssen. Dass Siegerreden auch lustig sein können. Und dass Journalistenpreisverleihungen nicht immer eine langweilige Sache sein müssen. Den Typ mit dem Blackberry habe ich aber leider aus den Augen verloren. Wollte ihn unbedingt noch fragen, wie er's denn so fand.
 
15. November 2008, 00.12 Uhr
Nils Bremer
 
 
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