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Foto: Wolfram Ziltz
Foto: Wolfram Ziltz

Paulskirchenjubiläum

Mike Josef spricht über die Wahrung der Grundrechte

In der Paulskirche wurde die Grundlage für unser heutiges Grundgesetz gelegt, das uns ein demokratisches Leben in Politik und Gesellschaft ermöglicht. Ein Gastbeitrag von Oberbürgermeister Mike Josef.
Demokratie – für viele ist sie heute in der westlichen Welt ganz selbstverständlich: Sie ist der Schlüssel für ein würdiges und erfülltes Leben in Freiheit und Selbstbestimmung, und sie ermöglicht die Teilhabe aller an der politischen Willensbildung. Bürgerinnen und Bürger, die in ihr leben, entscheiden in freien Wahlen darüber, von wem sie regiert werden wollen, Gesetze sind für alle Menschen gleich. Doch Demokratie ist nicht selbstverständlich, das lehrt uns die Geschichte: Über eine demokratische Gesellschaftsform – wie wir sie heute kennen – wurde hier, in unserem Frankfurt, einst heftig debattiert. In der Paulskirche versammelten sich 1848 die Mitglieder des ersten gesamtdeutschen Parlaments, um über eine freiheitliche Verfassung zu beraten und zu diskutieren.

Alle Deutschen sollten in Freiheit in einem Staat mit den gleichen Grundrechten leben. Das Projekt ist damals zum Unglück für Deutschland gescheitert. Doch in der Paulskirche wurde mit dem Katalog der Grundrechte, zu denen die Gleichheit vor dem Gesetz, die Meinungs- und Glaubensfreiheit, das Recht auf Freizügigkeit und Versammlungsfreiheit oder der Schutz vor staatlicher Willkür gehörten, die Grundlage für unser heutiges Grundgesetz gelegt, das uns ein demokratisches Leben in Politik und Gesellschaft ermöglicht. Deshalb gilt die Paulskirche als die Wiege der deutschen Demokratie. Das ist sie auch für mich.

Paulskirche in Frankfurt: Höhepunkt der Revolution


Auf dem Höhepunkt der Revolution von 1848 wählten die Bürger der deutschen Staaten eine Nationalversammlung. Unsere Stadt kann stolz darauf sein, dass mit dem Sitz dieses ersten gesamtdeutschen Parlamentes hier unsere Demokratie ihren Ausgang nahm. Die damalige Wahl Frankfurts als Sitz der demokratischen Nationalversammlung war nur konsequent. Denn die Stadt nahm als Wahl- und Krönungsort der deutschen Könige und Kaiser schon immer eine Sonderstellung ein, sie wurde in ihrer Geschichte nicht von einem Fürsten regiert, sondern von einem selbstbewussten Bürgertum – wenngleich die meisten Stadtbewohner kein Bürgerrecht besaßen und von der Stadtregierung ausgeschlossen waren. Das hat sich zum Glück mittlerweile grundlegend geändert.

Gerne wäre Frankfurt, wie das zumindest die radikalen Demokraten in der Nationalversammlung anstrebten, Hauptstadt eines demokratischen Deutschlands geworden. Dieser Traum ist geplatzt. Er erfüllte sich auch nicht nach dem Zweiten Weltkrieg, als Frankfurt sich schon als Hauptstadt der neuen Bundesrepublik sah, dann aber doch noch von Bonn geschlagen wurde, weil Kanzler Adenauer nicht an den Main umziehen wollte. Doch bis heute ist Frankfurt eine Stadt der Demokratie, ich würde sogar sagen: die Stadt der Demokratie in Deutschland. Schon im Studium beeindruckte mich die Paulskirchenverfassung und die Diskussionen um diese.

Paulskirche ist eine Stärke für Frankfurt


Es war für mich dann ein sehr besonderer Moment, als ich das erste Mal die Paulskirche betrat und den Ort dieser Diskussionen für mich vor Augen hatte. Für mich persönlich steht sie für eine der besonderen Stärken unserer Stadt. Hier habe ich viele feierliche Stunden erlebt und kam in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen. Wer dort einmal eine wichtige Veranstaltung erlebt hat, zum Beispiel die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, spürte ihre besondere Stimmung und Atmosphäre. Es ist immer ein erhebendes Gefühl, dort zu sein. Nicht zuletzt deshalb werden in der Paulskirche Preise verliehen und Menschen geehrt, die sich in besonderer Weise für unser Land und unsere Stadt eingesetzt haben.

Die Paulskirche als Ort der Nationalversammlung feiert in diesem Jahr ihr 175. Jubiläum. Das Paulskirchenfest zu diesem Anlass wird ein Fest der Demokratie sein. Mit Veranstaltungen auf dem Römerberg, dem Paulsplatz, auf dem Weckmarkt, dem Hühnermarkt und dem Domplatz sowie dem Mainkai. Hunderttausende Besucherinnen und Besucher werden dazu in unserer Stadt erwartet.

Das in der Paulskirche mitbegründete freiheitliche Miteinander in der Gesellschaft, die Meinungsfreiheit und die Wahrung der Grundrechte – all das ist für mich ein Schatz, den es zu bewahren und zu schützen gilt. Diese Werte sind die Basis von allem, ohne sie gibt es keine freiheitliche Gesellschaft, keine lebendige Demokratie. Wir sehen das an Ländern, die autoritär regiert werden. Die dort fehlenden oder mangelhaften demokratischen Strukturen führen zu Ungerechtigkeit und Bestechlichkeit, zu Armut und Krieg. Noch heute kämpfen in zahlreichen Ländern Menschen für ein Leben in Würde und Selbstbestimmung. Sie erinnern uns daran, dass Demokratie auch Verantwortung bedeutet. Wir müssen für sie einstehen und sie nach Kräften bewahren.

„Unterschätzen wir nicht die Gefahren, die unserer Demokratie drohen?“

Die Eröffnung der Nationalversammlung in der Paulskirche am 18. Mai 1848 soll und muss gefeiert werden. Aber wir sollten uns zu diesem Jubiläum auch kritischen Fragen stellen. Lodert in uns noch die Flamme der Freiheit wie seinerzeit in den Abgeordneten und in großen Teilen des olkes oder brennt unser Wille zur Freiheit und zur Demokratie nur noch auf kleiner Flamme, weil diese uns selbstverständlich geworden sind? Unterschätzen wir nicht die Gefahren, die unserer Demokratie drohen im Innern durch extreme Parteien etwa oder durch enttäuschte Bürger, die nicht mehr zur Wahl gehen und die Politik verachten? Und im Äußeren durch autoritäre und reaktionäre Regime wie jenem in Russland, das in der Ukraine einen verheerenden Krieg angezettelt hat?

Es stellen sich uns angesichts des Jubiläums auch ganz neue Fragen, die wir im Kontext der Weiterentwicklung unserer Demokratie beantworten müssen. Es sind nicht nur die großen Veranstaltungen, auf denen für Inhalte und Personen geworben wurde, die die Öffentlichkeit strukturieren. Social-Media-Kanäle verändern die Art der Kommunikation: kurz, schnell, mit Bildern und Slogans emotionalisiert. Weiter: Die gesellschaftliche Wirklichkeit wird mit der Entwicklung künstlicher Intelligenz uneindeutiger. Die Ablösung von Individuum und wahrgenommener Artikulation lässt die gesellschaftlichen Verhältnisse unschärfer werden: Wer oder was ist es, das uns im politischen Diskurs gegenübertritt? Wer generiert künstliche Wirklichkeiten, die interessenbehaftet Kommunikationsprozesse beeinflussen? Im Kontext des Paulskirchenjubiläums ist da einiges zu diskutieren.

Ich wünsche mir zum 175. Geburtstag der Paulskirche, dass wir uns auf die Stärken unserer freiheitlichen Demokratie besinnen und sie weiterdenken. Immer wieder wird sie bedroht.

Wir haben aus der Geschichte gelernt: Friede und Demokratie sind nicht selbstver-
ständlich. Ich wünsche mir, dass wir für unsere Demokratie einstehen und sie schüt-
zen. Damit sie auch in 175 Jahren wieder gebührend gefeiert werden kann.
 
13. Mai 2023, 10.29 Uhr
Mike Josef
 
 
Fotogalerie:
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