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Lampen-Spezialist Max Weidmüller aus Wiesbaden

Monsieur Petitot und das Art déco

Wenn die ersten Rollgitter der Pariser Metro hochgezogen werden, macht sich Max Weidmüller aus Wiesbaden auf den Weg zu Orten, die nur Eingeweihte kennen. Eine wahre Schatzsuche.
Schon sein Vater war Antikhändler. Seine Mutter ist Schmuck- und Modedesignerin. Dass Max Weidmüller selbst eine etwas verrückte Karriere einschlagen würde, wurde ihm praktisch in die Wiege gelegt. Seinen Weg bestimmte das Schicksal, als es ihm als Teenager einen französischen Lampenkatalog der 20er-Jahre zuspielte. Er entwickelte erst Neugierde für die ungewöhnliche Lektüre und schließlich eine Leidenschaft für die Epochen des Art déco und des Jugendstils. Seit fünf Jahren handelt der heute 26-Jährige mit Lampen dieser Zeit. Sein Wissen darüber hat er sich sorgsam erarbeitet. In seiner Privatsammlung finden sich zahlreiche seltene Kataloge, Rechnungsbücher, Vorzeichnungen und andere Originaldokumente verschiedener Glasmanufakturen. Er hütet alles wie einen Schatz.

Seine Lampen findet er bei Haushaltsauflösungen, in den Lagerbeständen befreundeter Händler und auf Antikmärkten. Die besten Funde macht er dabei in Frankreich. Ob Avignon, Marseille oder Lyon – Max Weidmüller reist regelmäßig quer durch das ganze Land. Doch die große Liebe des Kunstgeschichts- und Französischstudenten ist Paris. Alle paar Wochen verlässt er seinen Geburts- und Wohnort Wiesbaden und fährt „nach Hause“. Es ist „seine“ Stadt, wie er selbst sagt. Wo genau die Antikmärkte liegen, möchte er nicht verraten. Nur so viel – hierher verirrt sich sicher kein Tourist. Es sind düstere Gegenden, in denen hinter jeder Ecke eine Gefahr zu lauern scheint. Man muss tief in die Banlieues eindringen, in die Vororte von Paris, um die Händler zu finden.

Sobald die ersten Rollgitter der Metro am Morgen hochgezogen werden, macht sich Max Weidmüller auf den Weg zu den Orten, die nur Eingeweihte kennen. Graffiti säumen den Weg, Uringeruch liegt in der Luft, und schnell verliert man in dem unübersichtlichen Häuserlabyrinth jede Orientierung. Es ist noch dunkel, wenn er sein Ziel erreicht, doch vor dem Eingang einer Gasse hat sich bereits eine Menschentraube gebildet. Schatzjäger, so wie er. Manche nicken ihm zu – man kennt ihn, den jungen Mann aus Deutschland. „Monsieur Petitot“ nennen sie ihn, dabei ist Petitot nur einer von vielen Glaskünstlern, auf die er spezialisiert ist. „Als ich das erste Mal herkam, war ich ein Niemand für die anderen Antikhändler“, sagt Max Weidmüller über seine Anfänge als Lampenhändler. „Einige haben versucht, mich bei den Geschäften übers Ohr zu hauen. Heute traut sich das keiner mehr.“ Sein Wissen und die Souveränität, mit der er auftritt, haben ihm den Respekt und die Anerkennung seiner zumeist wesentlich älteren Kollegen eingebracht.

Lässt man ihn einfach reden, kann er stundenlang mit faszinierender Leidenschaft von der Besonderheit „seiner“ Lampen erzählen. „Das Dekor, die Farbigkeit, der Schliff des Glases – alles trägt eine individuelle Handschrift und verrät den Künstler. Kennt man die Merkmale, weiß man, ob man ein Original vor sich hat.“ Um die Zeichen zu lesen, braucht es sowohl Feingefühl als auch jede Menge Wissen. Einige der Lampen tragen Signaturen, doch längst nicht alle. Für eindeutige Zuordnungen braucht es einen Kenner. Dass er ein solcher ist, zeigt sich, wenn man mit ihm in Paris auf Schatzsuche geht. Redet er sonst ohne Unterbrechung, verfällt er mit Betreten des Antikmarktes in einen Zustand ernsten Schweigens und höchster Konzentration. Auf der Jagd nach einer neuen Trophäe fegt er mit rasantem Tempo durch die engen Gänge. Er wird fündig. Immer. Als könne er sie riechen, nimmt Monsieur Petitot eine seiner Namensgeberinnen schon aus drei Metern Entfernung wahr. Versteckt im Halbdunkel, zwischen aufgetürmten Möbeln, hängt sie in einer Ecke und wartet auf ihn. Wie er sie so schnell entdecken konnte? „Erfahrung und ein geschulter Blick“, lautet die knappe Antwort.

Seine Kunden schätzen den jungen Mann, der seine Ware mit einem alten, klapprigen Bäckerfahrrad ausliefert. Sie wissen um seine Kenntnisse und seine Ehrlichkeit. Nicht Profit zählt für ihn, sondern die Hingabe zur Kunst. Durch seine guten Kontakte kann er häufig auch verschollen geglaubte Gläser wiederfinden. Beim Restaurieren achtet er darauf, nicht zu viel zu verändern und den originalen Charme zu erhalten. Seine Fähigkeiten machen seine Jugend vergessen. „Die meisten reagieren sehr überrascht, wenn sie mich das erste Mal treffen und merken, wie jung ich bin. Aber ich kann eigentlich alle sehr schnell von mir überzeugen“, sagt der Student, der gerade seine Magisterarbeit schreibt. Natürlich über Art-déco- und Jugendstil-Lampen. Sein Professor ist dabei kein Geringerer als Gregor Wedekind, der Kurator der Théodore-Géricault-Ausstellung, die gerade in der Schirn-Kunsthalle zu sehen ist.

Einen Laden hat Max Weidmüller nicht – dafür fehlt dem Studenten, der im Anschluss an den Magister promovieren möchte, die Zeit. Auf seiner Homepage zeigt er eine kleine Auswahl seiner Lampen. Interessenten können mit ihm einen Termin vereinbaren und sich alles zeigen lassen. „Wenn ich mal groß bin, ist ein Geschäft vielleicht eine Überlegung wert.“ Doch bis dahin ist noch viel Zeit, und so lange liefert Monsieur Petitot seine Lampen weiter mit dem Bäckerfahrrad aus und verschwindet dann und wann „nach Hause“, nach Paris.

>> Infos unter www.wies-baden.de, Termine über artdeco@wies-baden.de oder 0178 1387136.

Zuerst erschienen im Journal Frankfurt vom 5. November 2013.
 
27. Dezember 2013, 11.20 Uhr
Ronja Merkel
 
 
Fotogalerie:
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