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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Kolumne von Ana Marija Milkovic

Lola Arias

Unsere Kolumnistin ist überrascht: Sie hat eine Arte-Dokumentation über Jugoslawien gesehen, die sie für angemessen hält. Die deutsche Berichterstattung empfand sie bis dato als das komplette Gegenteil.
An einem Dienstag am späteren Abend strahlte Arte die zweiteilige Dokumentation "Illusion Jugoslawien" aus. Das war eine außergewöhnlich gut aufbereitete wenngleich straffe Dokumentation über die Heimat meiner Eltern, die in der Mediathek nun abrufbar ist. Ich war in Aufruhr, dass es möglich geworden ist, in deutscher Sprache sachlich und neutral über den Zerfall Jugoslawiens zu berichten. Über Jahrzehnte habe ich die Berichterstattung über Jugoslawien der deutschen Medien einseitig, anmaßend, manipulierend und arrogant erlebt. Am Ende zerfiel das Land sprichwörtlich über Nacht in Arbeitslose, Nationen und Massengräber. Alle Ethnien waren betroffen. Auch der Körper meines Vaters wurde 13 Jahre nach seinem Tod aus einem geborgen. Mein Vater starb in einem der Kriege, in denen Katholiken, Orthodoxe und Moslems sich systematisch gegenseitig vertrieben, Zivilisten töteten und Soldaten starben.

Ich teile die Ansicht Noam Chomskys, dass Srebrenica eines unter vielen Massakern war. Ich zitiere den Sprachwissenschaftler, weil die historische Betrachtung auch über sprachliche Relevanz entsteht. In der Umgebung von Srebrenica geschahen Massaker an moslemischen Soldaten und männlichen Zivilisten. Vor den Massakern von Srebrenica fanden sich Massengräber gefüllt mit tausenden orthodoxen Christen, Frauen und Kindern, durch Moslems und Katholiken getötet. Diese Massengräber haben keine Namen. Die Geschehnisse in gegenseitige Relation zu setzen, macht es für die Hinterbliebenen leichter und hat mir geholfen, das eigene Leid ohne Hass zu ertragen. Arte gab Betroffenen aus dem ehemaligen Jugoslawien Gelegenheit unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Sie kritisierten, dass die Trauer und Schuld ungeteilt bliebe.

Minefield von der argentinischen Regisseurin Lola Arias wurde vor kurzem im Mousonturm aufgeführt. Das Stück handelt vom Krieg auf den Falklandinseln, die in Argentinien Malwinen genannt werden. Sechs ehemalige Soldaten traten auf der Bühne im Mousonturm auf. Im Krieg kämpften sie auf verschiedenen Seiten, um ein Stück Vogelscheiße auf einem nackten Felsen. Ich gehe davon aus, dass die heutigen Schauspieler damals Menschen getötet haben. Am Ende des Theaterstücks sah ich in den Gesichtern der Darstellern vom Krieg gezeichnete Menschen. Auf diese Wendung war ich nicht vorbereitet.

Im Theaterstück erleben wir ein Interview, das auf eine Leinwand projiziert wird. Es wird ein junger britischer Soldat interviewt, der um einen argentinischen Soldaten weint. Dieser Mann steht nun ergraut auf der Bühne. Er erzählt, wie er sich über Jahre für seine Tränen schämte. Der Veteran weinte um seinen Feind, er machte sich Vorwürfe, dass er nicht um seinesgleichen weinte. An diesem Abend nahm ich aus dem Stück mit, dass der Nächstenliebe die Scham entgegen stehen kann, wenn wir sozialen Erwartungen nicht genügen. In meiner Haltung zu Jugoslawien habe ich die öffentliche Erwartung häufig genug nicht erfüllt. Geschämt hätte ich mich bislang nur dafür, wenn ich statt Haltung nur Betroffenheit gezeigt hätte, wie so viele Betroffenheit mit Haltung verwechseln. Was aber, wenn Haltung aus sozialer Erwartung entsteht?
 
13. April 2017, 10.24 Uhr
Ana Marija Milkovic
 
 
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