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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Große 68er-Schau auf dem Campus Bockenheim

Von der Kunst der Revolte

Wem gehört die Stadt? Und welche Impulse hat 1968 in ästhetischer Hinsicht gegeben? Eine Ausstellung und eine Veranstaltungsreihe suchen auf dem Campus Bockenheim nach neuen Antworten.
Es ist wieder so weit: 1968 feiert einen runden Geburtstag, den 50. dieses Mal. Und wir warten schon ein wenig ängstlich darauf, dass die üblichen Verdächtigen in die üblichen Sende- und Erinnerungsformate eingeladen werden, dass die gewohnten ideologischen Frontlinien noch einmal gezogen werden, dass die alten Geschichten zum x-ten Male aufgewärmt und aufbereitet werden. Wie war das nochmal, Joschka Fischer, vom Steinewerfer zum Außenminister. Der Marsch durch die Institutionen. Undsoweiter.



Das Studierendenhaus, früher – beim Frauenkongress ...

Einen komplett anderen Weg geht die Ausstellung „Kunst der Revolte // Revolte der Kunst“, die mit einem umfangreichen Begleitprogramm neue Blickwinkel, neue Schlaglichter auf das Jahr 1968 und das, was sich in Frankfurt ereignet hat, werfen will. Die den Fokus verschiebt auf Akteure, die bislang möglicherweise nicht genug beachtet wurden. Und die vor allem das aufrührerische, gesellschaftliche und künstlerische Potential untersuchen will, das von 1968 bis in die Gegenwart hinein wirkt.

Verschiedene kulturelle Institutionen aus dem Rhein-Main-Gebiet haben an der Konzeption des Projekts unter der Federführung des Offenen Hauses der Kulturen mitgearbeitet, darunter das Universitätsarchiv, die Hochschule für Gestaltung in Offenbach (HfG) und die Hessische Theaterakademie. Die Ausstellung wurde kuratiert von Andrea Caroline Keppler und Michaela Filla-Raquin, die an der HfG zum Thema „Kunst und Revolte an der Goethe-Universität Frankfurt in den 60er Jahren“ promoviert. Und genau darum geht es den Veranstaltern: Zu zeigen, dass 1968 nicht nur eine politische Revolution, sondern auch eine ästhetische Revolte darstellte.



Die Macher der Ausstellung "Kunst der Revolte // Revolte der Kunst"

Es gibt keinen passenderen Ort für ein Treffen als das Studierendenhaus auf dem Campus Bockenheim. Ein zentraler Ort, ein Symbol, wie Tim Schuster vom Offenen Haus der Kulturen es ausdrückt, für eine demokratische Hochschule. Dass Frankfurt 1968 zu einer Hochburg der Studentenbewegung wurde, so Schuster, habe hauptsächlich mit den Akteuren zu tun: „Die Rückkehr exilierter Wissenschaftler, die versucht haben, hier etwas komplett Neues aufzubauen, war maßgeblich.“ Wenn Michaela Filla-Raquin beginnt, über den historischen Hintergrund der Ausstellung zu sprechen, spannt sich ein weiter Bogen: Vom Studentenmagazin „Diskus“, an dem heute namhafte Künstler mitgearbeitet haben, über das Pariser „Atelier populaire“, Charlotte Moormans Fluxus-Aktionen gegen den Vietnamkrieg, bis hin zur Entwicklung des Studententheaters „Neue Bühne“, das sich zu einem der wichtigen Aufführungsorte avantgardistischer Theaterkunst entwickelte.

Alternativräume schaffen
Das Konzept, das sowohl der Ausstellung als auch dem Veranstaltungsprogramm zugrunde liegt, erläutert Philipp Schulte von der Hessischen Theaterakademie: „Wir sind von unserem heutigen Standpunkt ausgegangen und haben rückwirkend den Zusammenhang von Ästhetik und Politik untersucht.“ Die Fragen, die sich gestellt haben, lauten unter anderem: Welche Rolle können Kunst und Kultur heute spielen? Was kann die Kunst leisten, was sonst kein anderes Medium leisten kann? Von besonderer Bedeutung ist der Ort, an dem sich das Programm, das vom Kulturamt der Stadt Frankfurt unterstützt wird, abspielt: Gerade in Frankfurt, einer Stadt mit knappem Raum, eröffne sich, da sind sich Michaela Filla-Raquin, Tim Schuster und Philipp Schulte einig, geradezu zwangsläufig ein Diskussionsraum: Wie geht eine Stadt mit ihrem symbolischen Kapital um? „Es verschwinden“, so drückt Schulte es aus, „permanent Spuren, die für unsere Geschichte wichtig sind. Der AfE-Turm ist bereits weg. Was, wenn man sich plötzlich nicht mehr an Dinge erinnert?“



Blick auf den geplanten Kulturcampus.

In der Ausstellung will in einem Zeitstrahl nicht nur die Diskurse der 60er-Jahre dokumentieren, sondern auch die Entstehung des symbolträchtigen AfE-Turms in einer Collage präsentieren. Der Kulturcampus Bockenheim, dessen zukünftige Gestaltung noch immer in der Schwebe ist, erscheint als idealer Ausgangspunkt für eine Diskussion darüber, wem die Stadt gehört und wer die Gestaltung urbaner Prozesse lenkt und beherrscht. Kulturdezernentin Ina Hartwig wird zum Abschluss der Reihe in einem Podiumsgespräch Auskunft geben über ihre Vorstellung der Zukunft des Studierendenhauses. Aber es wird auch direktere, performative Zugriffe auf den Stadtraum geben: Die Performance „Operation Nichtstaat – wir sind nur ein Karnevalsverein“ geht in einem Karnevalsumzug außerhalb der Saison hinaus auf die Frankfurter Straßen. Eine angemeldete Demonstration mit offenem Ausgang, die erkunden will, inwieweit öffentlicher Raum frei sein kann von Restriktionen. Ein Experiment im Wortsinn, wie Philipp Schulte erläutert: „Man legt Parameter fest, drückt den Startknopf und guckt, was passiert. Das ist die Kunst der Teilhabe.“

Den Begriff der Revolution betrachten Filla-Raquin, Schuster und Schulte eher skeptisch. Wenn sie über gesellschaftliche Änderungsprozesse sprechen, ist ihnen das Wort „Revolte“ näher. „Die Revolte“, so Michaela Filla-Raquin, „ist die Konsequenz dessen, dass man den derzeitigen Zustand nicht als gegeben betrachtet. Die Revolte schafft Räume, in denen etwas stattfinden kann, nach Alternativen gesucht werden, Möglichkeiten ausprobiert werden.“ Daran, so fährt sie fort, glaubten viele Menschen heute nicht mehr. Wo aber wäre der Raum für einen Gegenentwurf, wenn nicht in Bockenheim?

Kunst der Revolte // Revolte der Kunst
Ausstellung, Studierendenhaus Campus Bockenheim, Mertonstraße 26 –28
Ausstellungsraum Dante 9, Dantestraße 9, 9.3.–5.5., Eröffnung: 8. März 2018, Öffnungszeiten: Do. 16–20 Uhr, Fr–So 14–18 Uhr. Das Veranstaltungsprogramm finden Sie unter www.offenes-haus-der-kulturen.de

Eine Version dieses Artikels ist zuerst in der Druckausgabe des Journal Frankfurt vom 22. Februar 2018 erschienen. Hier können Sie ein Abonnement abschließen.
 
8. März 2018, 10.35 Uhr
Christoph Schröder
 
 
Fotogalerie:
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