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Gib mir das Gefühl zurück

40 Jahre 68 war (und ist und bleibt auch noch) so präsent in der Stadt, dass es nicht verwunderte, dass auch eine Sonderveranstaltung dazu im Summer In The City-Programm des Mousonturms auftauchte, zumal sie den Hof des Historischen Museums mit Jazz im Museum bespielt und ebenda die Ausstellung „Die 68er - Kurzer Sommer, lange Wirkung“ gerade erst verlängert wurde wegen des großen Zuspruchs.


Als Kooperationspartner für die moderierte Gesprächsrunde mit Musik war der Hessische Rundfunk mit im Boot, hr1, um genauso zu sein. Und da war es auch unvermeidlich, dass deren Motto „Gib mir das Gefühl zurück“ die Veranstaltung überschrieb was durchaus für Menschen, die eher ernsthaft mit dem Thema umgehen, eine Art Abschreckung hätte bedeuten können. Schließlich erinnert man sich noch an Plakataktion an Litfasssäulen, wo gestandene Männer und Frauen ihre Jugendbildchen mit verklärtem Blick in die Kamera hielten und sich nostalgisch an ihre Lieblingshits und die damit verbundenen Geschichtchen erinnerten für die Welle, die sich seit geraumer Zeit gerne in Pastelltönen und Feng shui-Optik präsentiert.


Klar, da laufen auch viele Hits der späten Sechziger, gerade auch im Tagesprogramm (wie auch bei vielen nicht öffentlich-rechtlichen Sendern, von denen man sich eigentlich absetzen sollte). Und die kommen – unkommentiert und unmoderiert und damit auch irgendwie sinnentleert) aus der Rotation des Computers. Musikjournalistische recherchierte und liebevoll von wissenden Moderatoren gestaltete Sendungen sind da nur noch bedingt und im Rahmen der vorgegeben Möglichkeit in der Musiklounge möglich. Wie als passt und geht das zusammen?



Danielle Baumeister als Moderatorin hatte sich jedenfalls vielen Gedanken gemacht und nicht weniger Mühe, eine illustre Gesprächrunde zusammen zu bekommen. So saßen da also in Sesseln rund um den Nierentisch aus dem Fundus (nicht als wirklich stilecht, aber liebevoll zusammen getragen wie Bluna, Afri Cola, Lambrusco-Bastflaschen, Eierlikör und Schaumwaffeln (aktuelle Version: Zuckerfrei) Zeitzeugen, Nachgeborene und ein Mann mit der Gnade der frühe(re)n Geburt, v.l.n.r. Frank Wolff, Cora Stephan als Autorin Anne Chaplet, die Kuratorin der Ausstellung, Autorin Beate Schappach, Musikjournalist Volker Rebell (mit einer dem Käseigel Konkurrenz machenden Frisur), Bürgermeisterin Jutta Ebeling, Jazz-Saxophonist Heinz Sauer und – als Medienpartner unverzichtbar – Rundschau-Feuilletonchef Arno Widmann.


Schnell war zu erkennen, dass es hier nicht wirklich um schwere politische Diskurse gehen sollte (war in den letzten Wochen und Monaten nicht ohnehin schon alles gesagt worden?), sondern um wirklich persönliche Geschichten, die dann auch die Eigen-Promotion der momentanen Rolle eher sympathisch in den Hintergrund drängte. Was damit gemeint ist? Jutta Ebeling allen voran war als Mensch, nicht als Politikerin auf der Bühne. Und so entwickelte sich auch ein wirklich leichtes, unterhaltsames Potpourrie an Anekdoten, die auch so Zeitgeschichte wichtige Fragen aufwarf wie: war Cora Stephan nach einem heißen Tänzchen mal ernsthaft verliebt in Frank Wolff? Die Themen im einzelnen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Heintje versus Hendrix in den Charts dies- und jenseits des Atlantik, war Janis Joplin eine schöne oder hässliche Frau, Ess- und Trinkgewohnheiten in den Wohngemeinschaften, die sich emanzipierende Frau im Machoumfeld der Studentenrevolution, Adorno-Vorlesungen und die schnelle Erkenntnis, man muss ihn nicht wirklich verstehen, um von ihm/seinen Thesen „angestoßen“ zu werden, die freie Liebe, die Pille, Dreiecksbeziehungen und und und.


Klar kam auch das Bekenntnis der Frauen (ging´s Männer damals anders?), auch auf Demos oder Sit ins gegangen zu sein, um Typen zu treffen. Klar gab es auch damals schon eine Menge Scheußlichkeit wie z.B. Eierlikör mit Kirschlikör-Topping, genannt Blutgeschwür. Und natürlich wollte man vor allem auch Spaß am Leben haben statt sich nur durchs „Kapital“ zu quälen. Die meisten Bekenntnis waren unverklärt und machten die „Diskutanten“ eher sympathischer. „Ausfälle“ gab es auch, die waren dann aber wenigsten ehrlich wie FR-Mann Widmanns Schelte an Dylan, die ich teilen kann. Aber sagt man so was in offizieller Funktion und läuft dann Gefahr, in harten Zeiten weitere Abonnenten zu verlieren? Später versuchte sich der Feuilletonist mit Schadensbegrenzung indem er das Podium verließ und das Publikum am Käseigel teilhaben ließ.


Eine ganz besondere Rolle kam Heinz Sauer zu, der erst – wie immer askestisch wirkend und schweigend – der Rund beiwohnte, dann aber – als Jahrgang 32 autoritär erzogen – dann bekannt: „Realtime fand ich das Scheiße...“ Ein Grund: nachmittags mit der Straßenbahn unterwegs, sorgte so manche Demo für lange Wartezeiten. Die Musik, die zwischendurch lief, vom stilecht gestylten „DJ“ im Bühnenhintergrund eingespielt, stammte tatsächlich aus dem erlaubten Rotationfundus von hr1, Ausnahme „The Times They Are A-Chaning“ von Bob Dylan. Denn von dem wird eher „Blowin’ In The Wind“ gespielt. Garantiert nicht Wellen-kompatible war das für Frank Wolff typische „Erkennen Sie die Melodie?“-Medley auf dem Cello. Ein kleines Highlight des Abends die spontane Improvisation von Wolff und Heinz Sauer, der sich dann doch erweichen ließ, sein Instrument auszupacken.


Am Ende standen dann ganz persönliche und keineswegs romantisch verklärte Fazits, was die 68er jeden Einzelnen und auch dem Rest der Menschheit beschwert hatten – jenseits des Mythos. Auch hier war es Sauer vorbehalten, mit einem Bon mot zu glänzen, passend zu den eingeblendeten Dias auf dem Bühnenhintergrund. „In Berlin kreuzt die Rudi-Dutschke-Straße die Axel-Springer-Straße. Die Dutschke-Straße ist länger und hat Vorfahrt“. Und auch das Leben im Frankfurt war noch Thema, Gelegenheit für Volker Rebell, gegen die neue, weitere Startbahn zu wettern, denn als Oberräder, der er – nahe am Waldrand lebend – gerne und aus Überzeugung ist, ist es beim momentan en Verkehrsaufkommen als akustisch agierender Mensch kaum mehr aushaltbar und Wegzug bei Ausbau für ihn unvermeidlich. Widmann nutze die Chance, den Ball an Ebeling zurück zu spielen, die ihre Position als Grüne nicht noch mal erläutern musste, aber ganz klar sagte, dass Rebell dann wohl leider Oberrad verlassen müsse, denn sie sähe bei schwarzer Beteiligung an der Regierung keine wirkliche Chance, den Ausbau zu verhindern.

 
25. August 2008, 19.00 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
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