Newsletter
|
ePaper
|
Apps
|
Abo
|
Shop
|
Jobs

Die Mildtätigen



Ich glaubte tatsächlich an eine Erscheinung. Plötzlich stand er mitten im Kaisersaal, breit grinsend wie immer, um dabei zu sein, wie einer seiner frühen Künstler, Paquito D’Rivera am Vorabend der Musikmesse 2008 den Frankfurter Musikpreis entgegen nahm. Götz Wörner, der mit seinem Plattenlabel Messidor aus der Frankfurter Jazzgass heraus in den Achtziger mit hunderten von Veröffentlichungen den Weg für die lateinamerikanische Musik in Deutschland bereitet hatte, war jahrelang völlig untergetaucht. Denn als Wim Wenders den Buena Vista Social Club zum Mainstream und kommerziellen Erfolg machte, war Messidor längst am Ende, Künstler wie Astor Piazzolla und Gonzalo Rubalcaba von den großen Labels aufgekauft und Wörner geschäftlich wie privat am Ende. Was hatte man dank Götz, der in den Latinovierteln New Yorks genauso wie in Havanna oder Panama hofiert wurde, alles erfahren können, Topmusiker wie Mario Bauza oder Ruben Blades (wahrscheinlich bald Präsident von Panama) und deren Geschichte kennen gelernt, viele interessante Abende verbracht, tolle Konzerte erlebt, ein Stück Musikgeschichte hautnah und hier am Main erlebt.

Noch bei dieser Feierstunde erfuhr man von Wörners Schicksal und einer neuen Idee, die ihn befügelte: einen Verein Kultur für alle zu gründen, der einen Kulturpass für arme und arbeitslose Menschen herausgibt. Ein paar Monate später kam dann der Anruf von Götz. Wir sollten uns im Café Voltaire treffen. In Ausgabe 15 des JOURNAL FRANKFURT berichteten wir dann im Sommer als erste über Wörners Pläne:

Kultur für Alle
Mit seinem Label Messidor war Götz Wörner ein Pionier des Latin Music in Deutschland. Von der Frankfurter „Jazzgass“ aus lancierte erfolgreich Acts wie Astor Piazzolla, Ruben Blades, Paquito D'Rivera, Mario Bauza, Gonzalo Rubalcaba u.a. Er verschaffte der Kultur Gehör – lange vor dem Buena Vista Social Club. Dann lockten die großen Plattenkonzerne die Musiker weg. 1999 ging das Label in Konkurs. Seitdem macht Götz Wörner Erfahrungen als Hartz IV-Empfänger. „Verhungern muss hier Keiner“, verweist er auf Einrichtungen wie die Frankfurter Tafel oder helfender Hände wie Bruder Wendelin. „Aber kein armer, verarmter Menschen (in Frankfurt zur Zeit um die 80.000) kann sich Konzerte, Theater, Oper oder Kino leisten.“ Hier will er mit seinem Verein Kultur für alle e.V. (frei nach Hilmar Hoffmann) ansetzen, ist im Gespräch mit vielen Vertretern der Hoch- und Subkultur, Restticket-Kontingente für Inhaber eines Kulturpasses für ganz kleines Geld zur Verfügung zu stellen, und hat darauf viele positive Feedbacks bekommen. In Wien funktioniert das schon. Jetzt braucht er Finanziers und Unterstützer für seine Idee. Nehmen Sie Kontakt auf unter kultur-fuer-alle@gmx.de.


Jetzt ist der Verein gegründet und mit dem Monat Oktober geht´s los wie Götz Wörner dieser tage bei einer Pressekonferenz im Alten Literaturhaus verkündete.Die Buchmesse gab den Ausschlag für den Starttermin, denn die Messe hat ein großzügiges Kontingent an Tickets zur Verfügung gestellt. „Und irgendwann muss man ja auch mal starten, um zu ziegen, wie das Ganze funktionieren soll“, meint Wörner, der bis dato eigentlich fast nur auf positive Resonanz bei den Kulturschaffenden gestoßen ist, von denen allerdings viele in Beobachtungsposition sind und gerade die Museen sich erst noch untereinander verständigen wollen oder logistische Probleme (Ticketsystem, Abrechnung, Buchhaltung etc.) zu bewältigen haben.

Ab Freitag nächster Woche können Kulturinteressierte bei Kultur für alle vorsprechen. Wer das darf und wo er das kann, erfährt man über die gerade gestartete Website www.kulturpass.net, auch welche Partner bereits im Boot sind und für welche Veranstaltung Tickets zu haben sind. Wörner Kulturbegriff meint übrigens nicht nur die Hochkultur, sondern genauso den „Rock´n´Roll oder Fußball, die Dippemess oder Weintrinken auf dem Wochenmarkt“. Raus aus dem Getto, raus aus der Isolation ist der nicht zu unterschätzenden Nebenfaktor der Aktion. Denn wer kein Geld hat, am sozialen Leben teil zu nehmen, bleibt zu Haus. Vor allem ganz bitter für Kinder und Jugendliche, wie Wörner erfahren hat. Auch da soll geholfen werden.

Dass seine Idee ankommt, erfährt Wörner in vielen tollen Feedbacks. Für seinen Kulturpass bekam er das OK der Chagall-Erben, das „Commedia dell'Arte“-Gemälde zu verwenden – kostenlos. „Da passt ganz wunderbar. Darauf sind alle Künste zu sehen, es ist sehr bunt und spricht auch Kinder an und hat mit Frankfurt zu tun“, sagt Wörner und regt einen Besuch im Ikonenmuseum an, um das Original in ganzer Pracht zu bestaunen. Und das Finanzamt hat dem Verein wenn auch nicht Gemeinnützigkeit, so zumindest Mildtätigkeit vorläufig bescheinigt. Nahziele sind nun, etwa einen Fritz Rau für den Beirat zu gewinnen und ein ebenerdiges, täglich besetztes Office in der Innenstadt zu finden, das geradezu zum Besuch durch die Betroffenen einlädt und „Schwellenängste abbaut“. Wörners Langzeitziel sind gut 8.000 Pässe im umlauf zu bringen. Mit 1.500 nach dem ersten Jahr würde er sich übrigens erst mal zufrieden geben. Alle weiteren Informationen finden Sie auf der Website www.kulturpass.net.

Foto: Detlef Kinsler
 
2. Oktober 2008, 23.53 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
Fotogalerie:
{#TEMPLATE_news_einzel_GALERIE_WHILE#}
 
 
 
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
Der zweite Ableger des Fantasy Filmfests macht vier Tage lang in den Hamonie-Kinos Halt. Zudem kommt die beliebte John Sinclair-Hörspielserie in der Astor Film Lounge zu Ehren.
Text: Gregor Ries / Foto: © Plaion Pictures
 
 
 
 
 
 
 
Ältere Beiträge
 
 
 
 
25. April 2024
Journal Tagestipps
Pop / Rock / Jazz
  • The Dorf
    Theater Rüsselsheim | 20.00 Uhr
  • Telquist
    Zoom | 19.00 Uhr
  • Endless Wellness
    Mousonturm | 20.00 Uhr
Nightlife
  • Afterwork Clubbing
    Gibson | 22.00 Uhr
  • VinylGottesdienst
    Johanniskirche Bornheim | 19.30 Uhr
  • Play
    Silbergold | 23.59 Uhr
Klassik / Oper/ Ballett
  • Eliott Quartett
    Holzhausenschlösschen | 19.30 Uhr
  • Göttinger Symphonieorchester
    Stadthalle am Schloss | 19.30 Uhr
  • hr-Sinfonieorchester
    Alte Oper | 19.00 Uhr
Theater / Literatur
  • Jörg Hartmann
    Centralstation | 19.30 Uhr
  • Mike Josef
    Haus am Dom | 19.00 Uhr
  • Stephan Bauer
    Bürgerhaus Sprendlingen | 20.00 Uhr
Kunst
  • Dialog im Dunkeln
    Dialogmuseum | 09.00 Uhr
  • Friedrich Stoltze
    Stoltze-Museum der Frankfurter Sparkasse | 10.00 Uhr
  • Geschichtsort Adlerwerke: Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager
    Geschichtsort Adlerwerke: Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager | 14.00 Uhr
Kinder
  • Kannawoniwasein – Manchmal muss man einfach verduften
    Staatstheater Mainz | 10.00 Uhr
  • Salon Salami
    Theaterperipherie im Titania | 19.30 Uhr
  • Schirn Studio. Die Kunstwerkstatt
    Schirn Kunsthalle Frankfurt | 16.00 Uhr
Freie Stellen