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Davide Monteleone im Fotografie Forum
Die Narben eines Landes
Das Fotografie Forum zeigt als erstes deutsches Ausstellungshaus Davide Monteleones Projekt „Spasibo": Es ist die Dokumentation einer Kultur, die im Tschetschenien der Nachkriegszeit auf der Suche nach ihrer Identität ist.
Seine Schwarzweißfotografien erzählen Geschichten voller Sehnsucht, Geschichten des Erinnerns und des Vergessens, traurige ebenso wie schöne Geschichten: Davide Monteleone, italienischer Fotograf, dokumentierte vier Monate lang das Leben und die Kultur der Menschen in Tschetschenien.
Die Bilder bewegen, zeigen sie doch ein Land, das in den vergangenen 20 Jahren einen enormen Wandel erlebt hat und in dem Leid und Freude oft Hand in Hand gehen. Als Schauplatz zweier Kriege hat die im Nordkaukasus gelegene Republik einige Narben davon getragen. Gewalt, Gehirnwäsche, Unterdrückung: Davide Monteleone prangert mit seinen Fotografien eine ungerechte Politik an, welche die Menschen zu Kompromissen und zum Schweigen zwinge. Sehr sensibel und tiefgründig erkundet der Italiener die empfindliche tschetschenische Kultur und macht sich auf die Suche nach der Identität des Landes.
Es ist ein beeindruckendes fotojournalistisches Essay, das Monteleone geschaffen hat und das nun nach Ausstellungen in Paris und Arles erstmals in Deutschland präsentiert wird. In den zahlreichen Landschaftsaufnahmen spiegelt sich die wilde, unberührte Schönheit Tschetscheniens wieder, während die Stadtansichten von dem Einzug der Moderne, aber auch von den Trümmern des Krieges erzählen.
Doch es sind besonders die Alltagsaufnahmen, die einen fesseln. Eine Braut, die ihren Schleier aufs Haupt gelegt bekommt, Jungen und Mädchen in Schuluniform, die fröhlich lachend Luftballons steigen lassen, eine Familie beim Abendessen, Soldaten mit ihren Maschinengewehren, ein junger Mann mit nur einem Bein im Rollstuhl, und immer wieder das Antlitz Putins – scheinbar banale Szenen treffen auf verstörende Bilder.
Doch die Nachwehen des Krieges gehören noch immer genauso zum Alltag der Tschetschenen wie eine Hochzeit oder eine Schulfeier. Die Fotografien Davide Monteleones gehen einem nahe und machen die Verunsicherung sichtbar, die sich unter der scheinbar friedlichen Oberfläche einer gebeutelten Gesellschaft versteckt.
Foto oben: "Rada, 14 Jahre, bei der Anprobe eines von ihrer Schwester entworfenen Hochzeitskleides im Inneren eines Busses während der Dreharbeiten eines Films über die tschetschenische Deportation. In der tschetschenischen Tradition war das Verheiraten kleiner Mädchen wie in zahlreichen anderen muslimischen Ländern Gang und Gäbe. Obwohl auch Präsident Kadyrow ein leidenschaftlicher Befürworter der Rückkehr zu den tschetschenischen Traditionen und zum islamischen Gesetz ist, wurde er vor Kurzem von den russischen Behörden gezwungen, das in ganz Russland gesetzeswidrige Verheiraten von Kindern öffentlich zu verurteilen."
>> Davide Monteleone: Spasibo
Fotografie Forum Frankfurt, Braubachstr. 30–32, bis 28.9., Di/Do–So 11–18 Uhr, Mi 11–20 Uhr, Eintritt: 6,–/erm. 3,–
Die Bilder bewegen, zeigen sie doch ein Land, das in den vergangenen 20 Jahren einen enormen Wandel erlebt hat und in dem Leid und Freude oft Hand in Hand gehen. Als Schauplatz zweier Kriege hat die im Nordkaukasus gelegene Republik einige Narben davon getragen. Gewalt, Gehirnwäsche, Unterdrückung: Davide Monteleone prangert mit seinen Fotografien eine ungerechte Politik an, welche die Menschen zu Kompromissen und zum Schweigen zwinge. Sehr sensibel und tiefgründig erkundet der Italiener die empfindliche tschetschenische Kultur und macht sich auf die Suche nach der Identität des Landes.
Es ist ein beeindruckendes fotojournalistisches Essay, das Monteleone geschaffen hat und das nun nach Ausstellungen in Paris und Arles erstmals in Deutschland präsentiert wird. In den zahlreichen Landschaftsaufnahmen spiegelt sich die wilde, unberührte Schönheit Tschetscheniens wieder, während die Stadtansichten von dem Einzug der Moderne, aber auch von den Trümmern des Krieges erzählen.
Doch es sind besonders die Alltagsaufnahmen, die einen fesseln. Eine Braut, die ihren Schleier aufs Haupt gelegt bekommt, Jungen und Mädchen in Schuluniform, die fröhlich lachend Luftballons steigen lassen, eine Familie beim Abendessen, Soldaten mit ihren Maschinengewehren, ein junger Mann mit nur einem Bein im Rollstuhl, und immer wieder das Antlitz Putins – scheinbar banale Szenen treffen auf verstörende Bilder.
Doch die Nachwehen des Krieges gehören noch immer genauso zum Alltag der Tschetschenen wie eine Hochzeit oder eine Schulfeier. Die Fotografien Davide Monteleones gehen einem nahe und machen die Verunsicherung sichtbar, die sich unter der scheinbar friedlichen Oberfläche einer gebeutelten Gesellschaft versteckt.
Foto oben: "Rada, 14 Jahre, bei der Anprobe eines von ihrer Schwester entworfenen Hochzeitskleides im Inneren eines Busses während der Dreharbeiten eines Films über die tschetschenische Deportation. In der tschetschenischen Tradition war das Verheiraten kleiner Mädchen wie in zahlreichen anderen muslimischen Ländern Gang und Gäbe. Obwohl auch Präsident Kadyrow ein leidenschaftlicher Befürworter der Rückkehr zu den tschetschenischen Traditionen und zum islamischen Gesetz ist, wurde er vor Kurzem von den russischen Behörden gezwungen, das in ganz Russland gesetzeswidrige Verheiraten von Kindern öffentlich zu verurteilen."
>> Davide Monteleone: Spasibo
Fotografie Forum Frankfurt, Braubachstr. 30–32, bis 28.9., Di/Do–So 11–18 Uhr, Mi 11–20 Uhr, Eintritt: 6,–/erm. 3,–
Web: www.fffrankfurt.org
1. September 2014, 11.25 Uhr
rom
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. Mehr von Ronja
Merkel >>
Fotogalerie: Davide Monteleone: Spasibo
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