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Foto: Ok & Stock Filmproduktion
Foto: Ok & Stock Filmproduktion

„Carlo, Keep Swingin’“

Hommage an den Jazz in Frankfurt

Als die Filmproduzentin Elisabeth Ok 2008 eine kleine Wohnung am Mainkai bezog, fand sie im Keller einen Schatz: den Nachlass von Jazzpionier Carlo Bohländer. Ein Geschenk aus dem sie einen Film machen musste.
JOURNAL FRANKFURT: Ihr Dokumentarfilm „Carlo, Keep Swingin’“ ist der Frankfurter Jazzszene gewidmet und wird nun im Rahmen des Lichter Filmfestes uraufgeführt, sie leben aber inzwischen in Berlin ...

Elisabeth Ok: Ich habe dort Ende 2011 meine Produktionsfirma gegründet, bin aber schon Anfang 2010 nach Berlin gezogen – mit meinem Mann zusammen, einem Darmstädter. Der Nachlass lagert zurzeit in unsere Wohnung in Berlin.

Warum nach Berlin – weil man da im Filmbereich besser arbeiten kann?

Ich habe nach wie vor meine ganzen Freunde in Frankfurt und ich hänge auch sehr an Frankfurt. Es war wegen der Arbeit meines Mannes, der ist Verrechnungspreis Spezialist bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Da muss man auch sehr kreativ sein. Ich bin dann einfach mit ihm mit. Für mich sind die Entfernungen kein Problem.

Berät er Sie, ob sich die Projekte auch rechnen?

Er bindet sich eher kreativ ein. Er hat die Webseite für den Film gemacht.

Diese inzwischen berühmt gewordene Wohnung am Mainkai, die eine Freundin vermittelt hat. War das nicht Anita Bohländer? Wusste sie nichts vom Schatz im Keller?

Ja, sie hat die Wohnung vermittelt, aber sie wusste nichts über den Umfang des „Nachlasses“. John (Carlos Sohn) hat das da gelagert weil es sehr umfangreich war.

Und Sie sind eher zufällig drüber gestolpert ...

Ja und ich hatte vorher keine Kenntnis der Jazzgeschichte Frankfurts, ich wusste gar nicht, dass es solche Auswirkungen hatte. Ich war echt verblüfft.

Ein wirklich Jazz-affiner Mensch waren Sie vorher nicht ?

Doch.

Also, da Sie auch Sängerin sind, selber Jazz gesungen?

Standards.

Was hat das mit Ihnen gemacht als Sie das Material gesichtet haben? Man sieht so was und wird sich der Tragweite wohl erst sukzessive bewusst ...

Der Tragweite werde ich mir jetzt erst richtig bewusst,

Durch die Zeitzeugengespräche haben Sie ja erfahren, dass diese Geschichte einfach erzählt werden muss, auch weil Carlo Bohländer von Typ her nicht einer war, der so stark in der Öffentlichkeit stand. Wahrgenommen wurden eher Fritz Rau, Albert Mangelsdorff, die den Jazz in Frankfurt in der Wahrnehmung der Menschen repräsentierten, auch Emil Mangelsdorff. Aber der eigentliche Wegbereiter drohte in Vergessenheit zu geraten ...

Mit der Zeit ist er tatsächlich nahezu wie viele seiner Wegbegleiter in Vergessenheit geraten. Carlo war für viele Musiker sehr wichtig, seine Theorie war damals für die großen Musiker wie Albert und Emil Mangelsdorff, Carlo hat viele Lebensläufe über die Landesgrenzen hinaus beeinflusst. Gustl Mayer, Günter Lenz u.v.a sehr hilfreich und sehr wichtig. Es gab nix zu dieser Zeit vergleichbares. Dieser Film ist nicht nur Carlo Bohländer gewidmet, gleichzeitig ist es es ist eine Hommage an den Jazz in Frankfurt und Deutschland. Carlo hat viele Lebensläufe über die Landesgrenzen hinaus beeinflusst und berührt. Dusko Goykovich konnte zum Beispiel nur mit Hilfe Bohländers aus dem ehemaligen jugoslawien ausreisen. Er hatte viele Korrespondenzen mit recht bekannten Zeitgenossen, sie tauschten sich oft wegen seiner Harmonielehre und seinem immensen Wissen darüber mit ihm aus. Wenn man so was findet im Keller, kann man nicht einfach sagen ich ignorier das mal. Ich bin ja neugierig und es war ein Gefühl, ich nehme mich jetzt dem an. Man hat im Leben immer nur ein paar Möglichkeiten, ich nenne es ein Geschenk. Ich nahm mich der Herausforderung an, aber mir war damals nicht bewusst in welchem Ausmaß ich mich damit beschäftigen werden muss.

Wenn Sie sich nicht irgendwann eine Deadline gesetzt hätten, wäre das ganz sicher auch eine Never ending story geworden...

Auf jeden Fall, es geht ja jetzt auch noch weiter. Noch eine Buchauswertung zum Film ist geplant, wenn das alles durch ist, würde ich den Nachlass John Bohländer dann geben. Der Keller ist jetzt in 30 Kisten sortiert.

Und dann ins Jazzarchiv oder Historische Museum?

Oder ins Jazzinstitut ...

Wie hat sich die Arbeit dann weiter gestaltet? Sie haben sich auf eine riesengroße Entdeckungsreise begeben. Normalerweise wenn einen Film plant, schreibt man ein Script, hat eine Idee, wie der Film anfangen und aufhören soll, hier nehme ich an – und da ist die Analogie zum Jazz – war auch viel Improvisation im Spiel, denn Sie mussten erst mal hören was erzählen die Zeitzeugen, was birgt das Archivmaterial des Hessischen Rundfunks und erst danach konnten Sie anfangen so richtig zu arbeiten ... . Vorher im Kopf vorgestalten war ja eher unmöglich ...

Das ging nicht weil ich erst den roten Faden finden musste. Ich wusste nicht worauf ich mich konzentrieren soll. Was will ich hier erzählen. Ich konzentriere mich auf Carlo und die Nachkriegsgeschichte. Er ist der rote Faden, es ist ein menschliches und persönliches Portrait. Am Anfang des Filmes zeige ich die Kellerbilder mit den Animationen. Die Kellerszenen werden immer wieder im Film eingeblendet, als Kapitel und dadurch wird auch subtil meine Entdeckungsreise durch diese Zeit erzählt. Im Untergrund begann alles, Carlo hat im Keller sein Domicile du Jazz gegründet, und ich habe den Nachlass in seinem Keller gefunden, so schließt sich der Kreis.

Also haben Sie nicht kontinuierlich daran gearbeitet, sondern auch „Brotjobs“ dazwischen gemacht ?

Genau, das habe ich so gemacht.

Wie viel Rohmaterial hatte Sie am Ende?

Interviews, die ich selber gemacht habe und mit dem Konzert mitschnitt zusammen gar nicht mal so viel, ca. 45 Stunden inklusive Konzert mit Paul Kuhn, Gustl Mayer, Günter Lenz, Keith Copeland und Anita Honis im Jazzkeller 2010, VHS Material aus Carlos Archiv, Jazzinstitut Darmstadt und Heiner Merkel Archiv ca. 25 Stunden, dann gab es noch etliche Dokumente, Urkunden, Fotos , Briefe, Magazine, Zeitungen u.v.m. Dazu das Material vom HR, Magnetophonbänder, VHS-Cassetten, Kassetten, Tonbandaufnahmen ca. auch mehr als 40 Stunden die ich alle selber digitalisiert und dafür Geräte bei eBay gekauft habe. Ausser den Magnetofonbändern, diese hat der Kameramann Stefan Neudeck digitalisiert, Ich bin als Autodidakt da eingestiegen und habe mir alles selber beigebracht. Allerdings habe ich nicht selber geschnitten, das hat eine Cutterin, Susann Maria Hempel für mich gemacht, weil ich da schon an meine Grenzen gestoßen wäre.

Es gab keine Finanziers?

Das ist schwierig in der Filmlandschaft, es gibt zu viele Filmmacher, dazu war ich Newcomer, eine Quereinsteigern, denn ich komme nicht von der Filmhochschule. Es gibt auch zu viele Filme, die gefördert werden wollen. Es war recht schwierig mit den Förderanträgen, aber das war kein Hindernis.

Also sind Sie voll ins Risiko gegangen?

Ja.

Was die Ästhetik des Films betrifft, die hat sich z.T. auch dadurch ergeben, dass man den schönen alten Aufnahmen die neuen gegenüberstellen konnte, z.B. den jungen Gustl Mayer dem alten Gustl Mayer im Spilt Screen. Was auch noch auffällt: manche historische Aufnahmen wurden wie mit Bleistiftstiften behandelt...

Als Animation. Das war auch sehr aufwendig. Ich habe die Animationsfrau Anja Grosswig über youtube gefunden, gesehen was sie da gemacht hat und habe gesagt: Das ist was ich in meinem Film haben will , weil das auch zu diesem Stil der Fünfziger und Sechziger passt. Sie hat das mit der Hand gemalt. Jedes Bild einzeln abfotografiert.

Welchen Stellenwert hat der Film denn jetzt für Sie? Was hat die Arbeit an diesem Film mit Ihnen gemacht?

Er hat mich sehr geprägt, das ist völlig natürlich, es war ein sehr großes Projekt, mein erstes. Ich bin ins kalte Wasser gesprungen und halte jetzt den fertigen Film in den Händen. Das schönste Erlebnis bis jetzt war die Vorpremiere im Historischen Museum. Da waren die ganzen Zeitzeugen dabei, viele waren gerührt und ich hatte dann einfach Gänsehaut an diesem Abend. Da habe ich verstanden wofür das gut war. Es war ein Geschenk, diese Freude auf den Gesichtern zu sehen. Das war so eine Art Revival für all die Leute an dem Abend. Es war unglaublich emotional, unfassbar schön und ich musste das erst mal ein paar Tage verarbeiten. Es war ja die erste Vorführung des unfertigen Films und ich wusste auch gar nicht wie das ankommt, wusste gar nicht wie sie darauf reagieren würden. Ich war ganz sehr nervös. Wenn man fünf, sechs Jahre daran arbeitet, prägt das einen natürlich. Das geht nicht spurlos an einem vorbei und man fragt sich wo ist die Zeit geblieben? Sie vergeht rasend schnell.

Und die Jazzgemeinde ist ja auch eine schwierige Klientel ...

Und dass man dann quasi ihre Herzen gewinnt und sie einem auf die Schulter klopfen, das ist ein sehr schönes Kompliment. Und die Geschichte hat mich auch zu meiner eigenen Geschichte gebracht und hat mir gezeigt wie vergänglich alles ist. Wir müssen uns mehr mit (unserer) Geschichte auseinander setzen. Nur dann kann man das alles verstehen. Das nächste Projekt wird meine eigene Geschichte sein. Meine Urgroßmutter hat den Armeniergenozid während des ersten Weltkrieges in der Türkei überlebt. Ich würde jetzt gerne in dieser Richtung ein Projekt beginnen.

Muss man sich dann nach dem Lichter Filmfest so banalen Fragen wie nach einem Verleih etc. stellen?

Ich habe den Film schon Fernsehsender angeboten, das ist aber schwierig weil es ein sehr spezielles Thema ist, es braucht seine Zeit. Ich mach den Verleih in Deutschland erst mal selbst, im Eigenvertrieb. Das Konzert nach dem Film wird auch noch gefilmt, ich glaube das erlebt man so auch nicht mehr. Dann suche ich aktuell nach wie vor dringend einen Weltverleih, der den Film ausserhalb Deutschlands auswertet sowie natürlich TV Sender.

>>Carlo, Keep Swingin´, Premiere, Frankfurt, Cantate-Saal, Großer Hirschgraben 21, Frankfurt am Main 18.3., 20 Uhr, Eintritt 8,50 ; ab 22 Uhr Konzert mit Anita Honis Bohländer, Bill Ramsey, Gustl Mayer, Günter Lenz u.v.a.m., Eintritt 15,–, Kombiticket 20,–
 
17. März 2015, 11.28 Uhr
Interview: Detlef Kinsler
 
 
Fotogalerie:
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