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Foto: Dirk Ostermeier
Foto: Dirk Ostermeier

Schwimmunterricht

Wer nicht übt, geht unter

Beim Schwimmen ist Übung alles. Nach über einem Jahr eingeschränktem Bäderbetrieb aufgrund der Pandemie blicken die DLRG und Frankfurter Schwimmvereine mit Sorge auf die Badesaison 2021 – und mahnen zur Vorsicht.
Platsch! Und weg war er. Als mein Sohn vergangene Woche das erste Mal seit der pandemiebedingten Schließung der Frankfurter Schwimmbäder am 2. November 2020 in ein anderes Gewässer als unsere heimische Badewanne sprang, wurden er und wir Eltern schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: Beim Schwimmen ist Übung alles. Gerade für Schwimmanfänger:innen gilt: Wer nicht übt, geht unter wie ein Stein. Zum Glück war mein Sohn mit einiger Anstrengung in der Lage, den Beckenrand aus eigener Kraft wieder zu erreichen. Doch der Schreck war groß und ebenso unsere Fassungslosigkeit darüber, wie schnell Schwimmanfänger:in-nen durch Nicht-schwimmen wieder zu Nichtschwimmer:innen werden können. Nun ist mein Sohn seit bald zwei Jahren stolzer Träger des Seepferdchenabzeichens, doch mit der Schwimmroutine war das seit dem 13. März 2020 eher schwierig und seit November 2020 geradezu unmöglich. Nach über einem Jahr eingeschränktem Bäderbetrieb aufgrund der Pandemie liegt die Vermutung nahe, dass das degenerative Schwimmvermögen meines Sohns kein Einzelfall ist. Im Gegenteil. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e. V. (DLRG) warnt explizit vor den Folgen der Pandemie für das Schwimmvermögen nicht nur, aber insbesondere von Kindern.

Nichtschwimmerland Deutschland

Wie ein kurzer Blick in die Vergangenheit deutlich macht, verstärkt Corona einen Negativtrend, der in Deutschland schon länger vorherrscht. 2018 brachte DLRG Bundesverbandssprecher Achim Wiese dies auf die einfache Formel: Deutschland werde zum Nichtschwimmerland. Hintergrund der Aussage war eine repräsentative Forsa-Umfrage, nach deren Ergebnis damals bereits knapp sechzig Prozent der Kinder im Grundschulalter und rund die Hälfte der Erwachsenen nicht oder nicht sicher schwimmen konnten. Die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, erklärt Rainer Schwebs, Ausbildungsleiter beim DLRG Frankfurt, hätte nun zu einem bundesweiten historischen Hochstand an Nichtschwimmer:innen geführt. Hessen sei da leider keine Ausnahme. Ursache des rapiden Anstiegs, seien vor allem die fehlenden Schwimmausbildungsmöglichkeiten seit Beginn der Pandemie durch geschlossene Schwimmbäder, ausgefallenen Schwimmunterricht an Schulen und den generell eingeschränkten Bäderbetrieb. „In 2020 hatten wir bundesweit 70 Prozent weniger vorbereitete Schwimmprüfungen, 75 Prozent weniger abgenommene Schwimmabzeichen und rund zwei Drittel weniger Rettungsschwimmerprüfungen. Insgesamt hinken wir in puncto Schwimmausbildung damit gut zwei Jahre hinterher“, fasst Schwebs zusammen. Dabei läge der geschätzte Anstieg an Nichtschwimmer:innen in Deutschland bei rund einer Million Menschen.

Im Hinblick auf das Schwimmvermögen von Kindern und Jugendlichen müsse man indes davon ausgehen, dass derzeit knapp siebzig Prozent nicht oder nicht sicher schwimmen können. Für Schwebs und die DLRG heißt dies vor allem eines: „Wir rechnen leider mit hohen Todeszahlen.“ Besondere Sorge würden Schwimmanfänger:innen bereiten, die meinen, (noch) schwimmen zu können, aber durch mehr als ein halbes Jahr ohne jegliche Schwimmmöglichkeiten komplett aus der Übung sind – und das nicht nur in Hinblick auf korrekte und damit effektive Schwimmtechnik, sondern auch, was die körperliche Fitness anbelangt. Hinzu komme, dass gerade Eltern den Effekt fehlender Schwimmroutine tragisch unterschätzen würden.

Zu wenig Unterricht, zu wenig Kurse, zu wenig Wasser

Frankfurter Schwimmschulen und Vereine teilen die Einschätzung der DLRG. Als Sportdirektor der Schwimmgemeinschaft Frankfurt (SGF), Vorsitzender des Schwimm Sport Club Sparta und sportlicher Leiter des Ersten Frankfurter Schwimmclubs (EFSC), zu dem auch die Schwimmschule Frankfurt gehört, hat Michael Ulmer einen guten Überblick über die Situation in Frankfurt: „Die Zahl der Nichtschwimmer steigt seit Jahren, während die Zahl der sicheren Schwimmer sinkt. Corona hat das noch verschlimmert.“

Ulmer sieht vor allem drei Ursachen für die schon vor der Pandemie herrschende schlechte Ausgangssituation: So gebe es selbst unter normalen Bedingungen erstens zu wenig Schwimmunterricht an den Schulen und zweitens zu wenig Schwimmausbildungen, was beides drittens mit einem Mangel an Wasserflächen zusammenhänge. In Frankfurt, erklärt Ulmer, sind von insgesamt sieben Schulschwimmbecken derzeit zwei defekt und die übrigen fünf nicht komplett im Einsatz. Der Mangel an verfügbaren Schulschwimmbecken sei aber nicht der einzige Grund dafür, dass vor allem in den Grundschulen der laut Lehrplan obligatorische Schwimmunterricht nicht überall wie vorgesehen umgesetzt werde. Organisatorische Gründe, wie der, dass die jeweilige Lehrkraft eine Zusatzqualifikation als Rettungsschwimmer:in benötigt, spielen ebenso eine Rolle.

Ulmer sieht ein weiteres Problem: „Bislang gibt es an Grundschulen Schwimmunterricht für ein Jahr ab der dritten Klasse. Meiner Meinung nach, müsste es ab der ersten Klasse und bis zum Ende der Grundschule Schwimmunterricht geben.“ Mit der kürzlich erfolgten Wiederaufnahme des Schwimmunterrichts würde nun deutlich sichtbar, wie wichtig Routine und Kontinuität sind, um sicher schwimmen zu lernen. Letztlich habe seit dem 13. März 2020 kein regelmäßiger Schulschwimmunterricht mehr stattfinden können: „Was wir nun von den Schullehrern hören“, berichtet Ulmer, „ist, dass die Kinder zum Teil alles verlernt haben und wieder von vorne anfangen müssen. Insgesamt fehlen uns am Ende durch Corona zwei ganze Jahrgänge.“

Zu wenig Schwimmunterricht an den Schulen sei aber nur ein Teil des Problems, so Ulmer weiter. Es gäbe generell zu wenig Schwimmausbildungen. Wer als Eltern schon einmal versucht hat, für sein Kind einen der raren Schwimmkursplätze in Frankfurt zu ergattern, kann bestätigen: Die Nachfrage ist weder gering noch rückläufig. Allein die Schwimmschule Frankfurt habe genügend Anfragen, um doppelt so viele Kurse durchzuführen, als es gerade der Fall ist, so Ulmer: „Jeder Kurs ist ausgebucht und die Wartelisten sind lang. Nicht die Nachfrage, sondern der Mangel an Wasserflächen ist das Problem. Hätten wir mehr Wasserflächen, könnten wir und alle anderen Vereine und Institutionen, die Schwimmkurse anbieten, auch mehr Kurse geben.“ Das sieht Ulmer derzeit aber nicht kommen.

Immerhin, während der DLRG Bundesverband vor einem regelrechten Bädersterben in Deutschland warnt, sind sich Ulmer und Schwebs einig: Von einem Bädersterben als Ursache des Mangels an Wasserfläche könne in Frankfurt nicht die Rede sein. „Der Punkt ist aber“, so Ulmer, „dass keine neuen Wasserflächen dazukommen, und das ist quasi das Gleiche. Frankfurt wächst stetig, während die Wasserflächen schon jetzt zu wenige sind.“ Das lässt sich nicht von der Hand weisen.

Badesaison 2021

Ebenso nicht von der Hand weisen lässt sich aber auch und trotz allem: Der Sommer steht vor der Tür, und mit insgesamt acht Freibädern, drei Erlebnis- und vier Hallenbädern sowie unzähligen Badeseen und kleineren Schwimmbädern im Frankfurter Umland können sich die Frankfurter:innen auf die Badesaison 2021 freuen. Nachdem andere Kommunen in Hessen aufgrund sinkender Inzidenzen bereits Ende Mai wieder ihre Schwimmbäder für die Öffentlichkeit öffnen konnten, kann seit dem 7. Juni auch in Frankfurt wieder nach Herzenslust in acht städtischen Freibädern geplantscht und geschwommen werden. Geöffnet sind das Silobad, Brentanobad, Freibad Hausen, Freibad Eschersheim, Freibad Nieder-Eschbach, Freibad Riedbad Bergen-Enkheim und das Stadionbad. Seit dem 14. Juli hat auch das Panoramabad wieder geöffnet.

In Anbetracht der gestiegenen Anzahl an Nichtschwimmer:innen und aus der Übung geratenen Schwimmanfänger:innen appellieren die DLRG und Schwimmvereine: Eltern sollten in jedem Fall vorsichtig sein, stets zusammen mit dem Kind ins Wasser gehen und spielerisch, ohne Druck überprüfen, wie es um die Schwimmfähigkeiten des Kindes bestellt ist. Generell gilt: Schwimmanfänger:innen nie unbeaufsichtigt schwimmen lassen, weder am See noch im Schwimmbad. Unachtsamkeit ist das größte Problem, betont Rainer Schwebs. Vor allem Handys hätten am Wasser nichts verloren. Auch nicht, um kurz ein Foto der kleinen Wasserratten an die Oma zu schicken. „Es reichen 30 Sekunden“, gibt Schwebs unmissverständlich zu verstehen. „Wird ein Schwall Wasser eingeatmet, führt das zu einem Stimmritzenkrampf, man bekommt keine Luft mehr und wird bewusstlos.“

Außerdem sollten sich Eltern darüber bewusst sein, das Schwimmhilfen, wie Schwimmflügel oder -reifen, die Achtsamkeit der Eltern nicht ersetzen können. Schwebs und Ulmer geben zudem gleichermaßen zu bedenken, dass eine bestandene Seepferdchenprüfung nicht bedeutet, dass ein Kind ohne ständige Aufsicht schwimmen kann. Genau genommen ist ein See-pferdchen nach der Deutschen Schwimmprüfungsordnung von 2020 überhaupt kein Schwimmabzeichen, sondern nur eine vorbereitende Qualifikation für die echten Schwimmabzeichen: Bronze, Silber und Gold. Erst beginnend mit dem bronzenen Schwimmabzeichen gilt jemand als sichere:r Schwimmer:in. Freilich schützt auch das nicht vor möglichen Badeunfällen. Doch weil gegen Nicht-Schwimmen nur Schwimmen hilft, lautet die Devise: Üben! Üben! Üben! Am besten unter professioneller Anleitung in einem Schwimmkurs. Das lange Warten und Schlange stehen wie vor dem Apple-Store kann nicht nur Leben retten. Planschen zu können wie ein Fisch im Wasser, macht einfach richtig Spaß.

Dieser Text ist bereits in der Juli-Ausgabe (7/2021) des JOURNAL FRANKFURT erschienen.
 
19. Juli 2021, 11.55 Uhr
Sebastian Schellhaas
 
 
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