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App - Der Film

Die Midlife-Crisis des ZDF

Man lade eine App herunter und schaue einen Film über eine App. Das ZDF zeigt erstmals im deutschen Fernsehen einen Film mit Second-Screen-Technologie. Es ist der verzweifelte Versuch, sich zu verjüngen.
Dass der gemeine Zuschauer des ZDF seine goldenen Zwanziger schon eine Weile hinter sich gelassen hat, ist allgemein bekannt. Als gewinnorientiertes Unternehmen möchte dieser öffentlich-rechtliche Sender natürlich ein möglichst breites Publikum erreichen. Aber wie lockt man am besten die „jungen Leute“ an? Man geht auf ihre Vorlieben ein. Und alles, wofür sich die Generationen Y und Z ja bekanntlich interessieren sind Facebook, Twitter und Smartphones. Das Zweite Deutsche Fernsehen hat sich diese Interessen kurzerhand zu Nutze gemacht und das unbändige Verlangen nach digitaler Technologie in abendliches Fernsehvergnügen integriert.

„App – der Film“ ist ein niederländischer Thriller; mit seiner Ausstrahlung am Montagabend im ZDF feierte er seine Free-TV-Premiere. Konkret geht es um, wie könnte es anders sein, eine App. Sie heißt Iris und hat ein eigenes Bewusstsein. Und sie hat beschlossen, die Studentin Anna zu terrorisieren. Iris ist nicht gerade eine nette App und deshalb müssen nach und nach alle Menschen, mit denen Anna zu tun hat, sterben. Das ist die banale Zusammenfassung einer banalen Story. Das Besondere an dem Film ist, dass der Zuschauer sich im Vorfeld eine kostenlos zur Verfügung gestellte App auf sein Smartphone herunterladen kann, die einen während des Films mit Zusatzinfos versorgen soll. Da sie auf Töne reagiert, kann sie auch beim Abspielen einer Aufnahme genutzt werden.

Zurück zum Plot: Die Protagonistin Anna ist eine fröhliche Studentin, die auf feuchte Parties steht, mit ausgereiftem Kater in der Uni sitzt und ihr Smartphone kaum einen Moment aus der Hand legt. Nach einer durchfeierten Nacht mit dem Exfreund, aktiviert sich plötzlich wie von selbst die mysteriöse App „Iris“ auf Annas Samsung und lässt sich nicht mehr entfernen. Zu Beginn ist es noch ganz harmlos: Iris möchte von Anna Fragen gestellt bekommen und beantwortet diese prompt und sachlich. Nach und nach greift es aber auch auf andere technische Geräte über, verschickt selbstständig verfängliche Videos. Zum Beispiel von Annas Mitbewohnerin, wie die gerade mit ihrem Dozenten zugange ist. Das machen die jungen Dinger heute nämlich so. Oder es zeigt in einer Vorlesung einfach mal ein Filmchen davon, wie der Psychologie-Prof es vom bekennenden schwulen Kommilitonen oral besorgt bekommt (auch das macht man anscheinend heute so). Der Professor erschießt sich daraufhin in der Uni-Lobby.

Anna durchblickt das alles natürlich recht schnell und versucht das Mysterium zu lösen. Sie erzählt ihrer Mitbewohnerin Sophie davon, die ihr nicht so recht glauben will. Im Gegenteil: Sophie ist sogar davon überzeugt, dass Anna das Schmuddelfilmchen absichtlich an ihren gesamten Bekannten- und Familienkreis versendet hat. Dafür schmollt sie dann aber doch überraschend wenig und begleitet ihre Freundin zum Handyladen, um das Teufelsding umzutauschen. Das gefällt Iris wiederum gar nicht und sie sprengt kurzerhand den Laden in die Luft.

Ich sehe mal davon ab, die gesamte Story an dieser Stelle aufzudröseln. Nach drei Zeilen blickt da ohnehin keiner mehr durch. Iris sprengt dann noch ziemlich viel in die Luft. Außerdem lässt sie Sophie ertrinken und bringt kurz darauf auch deren Freund um (nicht den Dozenten, mit dem vögelt sie nur auf Parties). Fast stirbt auch Annas Bruder, der nach einem Motorradunfall im Krankenhaus liegt und nicht mehr laufen kann.

Die überraschende Lösung von allem: Annas durchgeknallter Exfreund Tim steckt hinter dem ganzen Mist. Ursprünglich wollte er seine (tote) Exfreundin – nicht Anna, sondern Lisbeth – ausspionieren. (Lisbeth ruft übrigens immer mal wieder auf Annas okkupiertem Handy an). Irgendwie macht er aber gemeinsame Sache mit dem Arzt, der Annas Bruder behandelt. Tim tötet dann beim Showdown auf dem Krankenhausdach den Arzt und will dann natürlich auch Anna umbringen. Doch halt! Da klingelt sein Smartphone und wie jeder normale junge Mensch, der in eine solche Situation gerät, nimmt er das Gespräch an. Die blutverschmierte Anna wartet geduldig. Am Apparat ist die tote Lisbeth. Und dann ist der Ex selber tot – Iris erschießt ihn nämlich. Anscheinend ist sie jetzt doch auf Annas Seite. Ganz sicher bin ich mir nicht.

Die nicht ganz so ausgereifte Story – nett ausgedrückt – wird leider auch nicht durch die unglaublich innovative Second-Screen-Technologie aufgefangen. Im Gegenteil: Die Infos, die man zwischendurch erhält, tragen weder zu einer Entwirrung der Geschichte bei, noch passiert etwas besonders Spannendes. Man sieht nichts, was man nicht auch durch das reine Betrachten des Films erfährt. Der einzige Effekt ist noch mehr Verwirrung. Schaut man jetzt auf den Fernseher oder auf sein Handy? Wo passiert jetzt das wirklich Wesentliche? Laut ZDF-Gebrauchsanweisung sollte man sich auf das Smartphone konzentrieren, sobald sich die App aktiviert. Wahrscheinlich soll dieser Rat davon ablenken, wie grottenlangweilig und schlecht synchronisiert der Film ist. Und was soll überhaupt diese gewollt coole Jugendsprache?

Und die App? Die muss man den gesamten Film über geöffnet lassen, damit sie einen an den „Specials“ teilhaben lässt. Und das, liebes ZDF, ist für Smartphone-Süchtige fatal. Denn wie soll ich denn parallel bei Twitter, Facebook und Whatsapp meine fantastischen Erlebnisse teilen, wenn ich Angst haben muss, dass mir dann eure spannenden Zusatzinfos entgehen?

Was lässt sich nun abschließend über das Experiment mit der Second-Screen-Technologie sagen? Es gibt bestimmt Menschen, die damit Spaß haben können, wenn man das ganze Konzept optimiert. Mit ein wenig Überarbeitung und Feinschliff, lässt sich daraus sicher ein nettes Gadget entwickeln. Doch das Publikum lässt sich so bestimmt nicht verjüngen. Auch die ausgereifteste Technik kann leider nicht verschleiern, dass das Zweite Deutsche Fernsehen keine Ahnung von Jugendkultur hat.
 
26. Mai 2014, 23.36 Uhr
Ronja Merkel
 
 
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