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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Stadtteilporträt

Eintauchen in Rödelheim

Dort, wo sich Europas größtes Schwimmbad befindet und der älteste Ginkgobaum Deutschlands Schatten spendet – Rödelheim ist ein Stadtteil, der unterschätzt wird und überrascht. Wir waren zu Besuch im Nordwesten der Stadt. Teil zwei.
Anarchie herrscht In der Au 14-16, denn hier steht das am längsten besetzte Haus Deutschlands. Seit 39 Jahren gibt es das „autonome Wohn- und Kulturzentrum“. Ursprünglich gehörte das Gebäude der Deutschen Bibliothek, die es 1988 an die Stadt Frankfurt verkaufte. Immer wieder gibt es Forderungen aus dem Römer, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner beim Meldeamt registrieren und einen Mietvertrag unterschreiben sollen – zuletzt im vergangenen Jahr von der CDU. Einer Räumung wollen die Grünen nicht zustimmen und so wird das autonome Zentrum wohl im kommenden Jahr ein rundes Jubiläum In der Au feiern.

Eintauchen in Europas größtem Freibad

Ein zweifellos idyllischer Ort ist der Brentanopark, den der Kaufmann und Bankier Georg Brentano in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts anlegte. Im Nordwesten wird der Park von der Nidda begrenzt, im Nordosten liegt das Brentanobad, das nicht nur das größte Freibad Frankfurts, sondern Europas ist. Das Schwimmbecken – ein langgezogenes Kreissegment – ist beachtliche 220 Meter lang, misst an der breitesten Stelle 50 Meter und hat eine Wasserfläche von 11000 Quadratmetern. Im Brentanopark befindet sich auch ein Mahnmal, das an die zerstörte Synagoge erinnert, die im November 1938 von SA-Männern in Brand gesteckt wurde. 2015 wurde der Gedenkort auf Initiative des Heimat- und Geschichtsvereints, der Kirchengemeinden und engagierten Bürgerinnen und Bürgern erweitert. Heute machen Pflastersteine die Umrisse der Synagoge wieder sichtbar, die Sitzreihen werden durch acht Steinquader angedeutet. Jenseits der Nidda steht ein Haus, das durch seine alpenländisch anmutende Architektur ungewöhnlich wirkt: Das Petrihaus wurde um 1720 als Fachwerkhaus errichtet. 1819 erwarb es Georg Brentano vom Rödelheimer Bäckermeister Johannes Petri für 1150 Gulden und baute das Haus 1820 zum klassizistischen Schweizerhaus um. Brentano nutzte es als sein persönliches Refugium mit Salon, Arbeitszimmer und Schlafraum, das Anwesen war ein beliebter Romantikertreff.

Von der Terrasse aus schweift der Blick über die Nidda, die leise vor sich hinmurmelt, zum Brentano-Park und man mag es fast nicht glauben, aber lange Zeit sah es so aus, als ob das Petrihaus nicht mehr zu retten ist. Professor Wilhelm Bender, ehemaliger Fraport-Vorstandsvorsitzender und Rödelheimer, kennt das Gebäude seit frühester Jugend. „Ich habe beobachtet, wie der Zustand mit den Jahren immer schlechter wurde.“ Bender gründete 1998 einen Förderverein und startete einen Spendenaufruf, um das Bauwerk zu retten. Schon nach kurzer Zeit fanden sich 18 Mitstreiterinnen und Mitstreiter. „Wir haben dann sofort erste Maßnahmen ergriffen, um die marode Bausubstanz zu retten.“ Ein Architekt, der auf historische Bauten spezialisiert ist, hat das Petrihaus wiederaufgebaut. Rund eine Million Euro hat der Wiederaufbau des Petrihauses gekostet. „Es ist alles privat finanziert“, betont Bender nicht ohne Stolz. Auch das benachbarte Atelier Petrihaus geht auf das bürgerschaftliche Engagement des Fördervereins zurück. Privatleute und Unternehmen haben für das Veranstaltungshaus gespendet, das 2,5 Millionen Euro gekostet hat und 90 Menschen Platz bietet. Damit hat Rödelheim ein Versammlungsgebäude bekommen, denn einen Saalbau oder ähnliches gibt es nicht im Stadtteil.

In Sichtweite steht Deutschlands ältester Ginkgobaum, ein Naturdenkmal, das um 1750 gepflanzt wurde. Seine ausladenden Äste spenden Schatten und im Herbst trägt er ein leuchtend-gelbes Gewand, bevor er seine schmetterlingshaften Blätter abwirft. Johann Wolfgang von Goethe war im September 1814 bei Georg Brentano in Rödelheim zu Gast und es ist denkbar, dass dieser Ginkgobaum ihn zu seinen Versen im West-östlichen Divan inspiriert hat.

Was steckt hinter Alt-Rödelheim 14-20?

Ein Aufreger ist der Zustand der Zeile Alt-Rödelheim 14 bis 20. Die fünf Häuser stehen seit vielen Jahren leer, Müll lagert an den Gebäuden und zieht Ratten an. Auch der Platz davor kann nicht mehr genutzt werden, weil die marode Häuserzeile seit vergangenem Jahr mit Absperrgittern gesichert werden musste. 2016 gab es eine Ideenwerkstatt mit dem hoffnungsvollen Titel „Vision Ortskern Rödelheim“, doch unklare Eigentümerverhältnisse hatten lange verhindert, dass sich hier etwas tut. Nun scheint Bewegung in die Sache zu kommen: Ein Investor, die Sky Construction GmbH, will dort bauen, wie Ortvorsteher Johannes Lauterwald (Bündnis 90/Die Grünen) berichtet: „Es gibt einen genehmigungsfähigen Bauantrag, der der Bauaufsicht vorliegt.“ Dieser sieht eine drei bis vier geschossige Bebauung vor, 26 Wohnungen sowie Geschäfte sollen entstehen. „Die Bedeutung dieses Projekts für den Stadtteil Rödelheim haben nicht zuletzt die 737 Unterschriften gezeigt, die für eine zügige Beendigung des Status Quo und baldige Gestaltung des Platzes in Alt-Rödelheim gesammelt wurden“, sagt Lauterwald. Viele Rödelheimer wünschen sich, dass der Platz verkehrsberuhigt werden soll, ein Thema, das den ganzen Stadtteil betrifft.

Von einer Verkehrsberuhigung könnte auch der Einzelhandel profitieren. Zwar hat auch Rödelheim das Problem, dass viele Läden leer stehen, aber es gibt viele, die die Stellung halten. Wie etwa Pappmarché in der Alexanderstraße. Dort werden Schreibwaren und Bücher verkauft und die freundliche Verkäuferin bemüht sich redlich für ihren Kunden, eine Pinzette für Briefmarken zu finden. Bei Fisch Schwarz in der Burgfriedenstraße stehen zwei alte Waagen, frisch eingetroffen sind Heilbutt, Aal und Matjes. Wen der Hunger überfällt, findet hier neben einigen Imbissen in der Radilostraße zum Beispiel Seni’s Streetfood, ein Äthiopisches Restaurant, das im Hof ein Zelt mit bunten Wimpeln aufgebaut hat. Gleich zwei Traditions-Bäckereien sind in Rödelheim zu finden, die Confiserie Graff in der Reichsburgstraße sowie die Bäckerei Huck. Tanja und Alexander Huck betreiben den 1936 gegründeten Familienbetrieb. „Mein Großvater ist hier noch mit dem Pferdewagen herumgefahren und hat Eierweck verteilt. Das ist heute noch vielen in Erinnerung“, sagt Alexander Huck.

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Dieser Text ist zuerst als Teil der Titelstory „Eintauchen in Rödelheim“ der August-Ausgabe (8/22) des JOURNAL FRANKFURT.
 
18. August 2022, 12.07 Uhr
Jasmin Schülke
 
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. – Mehr von Jasmin Schülke >>
 
 
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