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Foto: Pexels
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Polizeieinsatz auf der Zeil

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen

In der Nacht von Samstag auf Sonntag eskalierte eine Personenkontrolle auf der Zeil. Der Polizeibericht und ein Privat-Video zeigen den Einsatz aus zwei sehr unterschiedlichen Perspektiven. Wirklich eindeutig ist jedoch keine der beiden Versionen.
Der Ruf der Frankfurter Polizei hat in den vergangenen Monaten aufgrund der NSU 2.0-Drohschreiben immens gelitten. Hinzu kommen nach einem Vorfall in Alt-Sachsenhausen, bei dem ein Mann von Polizisten getreten und geschlagen wurde, Vorwürfe des Racial Profiling und der unverhältnismäßigen Gewaltanwendung. Im August bestritt der Frankfurt Polizeipräsident Gerhard Bereswill die Vorwürfe. Racial Profiling gebe es nicht bei der Frankfurter Polizei, so Bereswill. Ein Vorfall vom vergangenen Sonntag wirft nun jedoch erneut Fragen auf. Bei einer Personenkontrolle seien Beamte mit „äußerst provokanten Aussagen und Beleidigungen“ konfrontiert gewesen. Ein privat aufgenommenes Video gibt dem allerdings nur bedingt recht – und zeigt noch eine andere Perspektive. Eine Gegenüberstellung.

Der Polizeibericht

Gegen Mitternacht habe die Polizei am Sonntag auf der Zeil zwei Männer aufgefordert, ihre Personalien zu zeigen, nachdem die Beamten einen der Männer, 26 Jahre, dabei beobachtet haben wollen, wie dieser gegen eine Wand uriniert habe. Dessen Kompagnon, 35 Jahre, habe noch mit offener Hose dagestanden, jedoch ohne zu uriniern . Nach Angabe der Polizei soll der 35-Jährige während der Personenkontrolle die Beamten beschimpft haben: „Ihr scheiß Rassisten“, „Nur weil ich schwarz bin“, „Ich bin Boxer, wenn ich will, ficke ich dich“, „Ich werde allen sagen, dass ihr mich geschlagen habt“, „Ich werde dafür sorgen, dass ihr morgen eure Jobs los seid“ und „Wenn ich sage, dass ihr mich rassistisch behandelt habt, werdet ihr suspendiert“ sollen einige der Äußerungen gewesen sein. Darauf habe die Polizei mit mehreren Platzverweisen reagiert. Einen Ausweis soll der 35-Jährige nach eigenen Angaben nicht bei sich getragen haben; auch bei einer Durchsuchung habe man keinen Ausweis gefunden. Der 26-Jährige habe sich dagegen kooperativ verhalten.

Damit ist der Einsatz allerdings noch nicht beendet: Eine Passantin, die die Kontrolle beobachtet hat, soll plötzlich laut geschrien haben. „Innerhalb kürzester Zeit“, so die Polizei, hätten sich daraufhin rund 150 Personen versammelt, die die Maßnahmen filmten. Nach Angaben der Polizei habe die Frau weiter geschrien: „Seht her, wie wir alle unterdrückt werden“, „Rassisten“ und „Kommt her, seht her, hier war noch ein Weißer, der auch gepisst hat und dieser wurde einfach gehen gelassen“. Als dann die Polizei den 35-Jährigen zwecks der Feststellung der Personalien sowie der Ausnüchterung mit auf die Wache habe nehmen wollen, heißt es weiter in dem Bericht, habe sich die lautstarke Passantin vor den Einsatzwagen gestellt, um diesen am Fortfahren zu hindern.

Auf Twitter erhielt die Polizei Frankfurt nur wenig Verständnis. So könne nun auch die Polizei erfahren, wie sich Racial Profiling anfühle, schrieben mehrere Nutzerinnen und Nutzer. Nach den Anschuldigungen und der „Geheimniskrämerei“ von Verantwortlichen seien diese Reaktionen der Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar, lautete ein weiterer Kommentar. Fridays for Future Frankfurt schrieb: „Würde uns stinken wenn wir ihr wären. Muss hart gewesen sein, die Leute wie euer Kollege nicht sofort mit ner Waffe zu bedrohen (sic)“.

Zwei Videos und eine Gegendarstellung

Die besagte Passantin, Amira, ist Mitglied der Initiative Be heard Ffm die unter anderem die Black Lives Matter-Demonstrationen in Frankfurt ins Leben gerufen hat und weiterhin veranstaltet. Dem JOURNAL FRANKFURT sagte sie, sie sei mit Freunden an dem Abend über die Zeil gelaufen und habe den Mann gesehen, den die Beamten später zur Feststellung der Personalien mit auf die Wache genommen haben. Den ebenfalls im Polizeibericht erwähnten 26-Jährige habe sie zu Beginn des Einsatzes noch gesehen, dieser sei dann allerdings kurze Zeit später nicht mehr zu sehen gewesen. In einem Video, das Amira aufgenommen hat und das dem JOURNAL FRANKFURT vorliegt, ist zu hören, wie die junge Frau die Beamten fragt, ob der Mann einen Ausweis dabei habe, was schließlich verneint wird. Da dies als ausreichender Grund gilt, eine Person mit auf die Wache nehmen zu können, habe sie daraufhin – entgegen der Schilderung im Polizeibericht – die Arbeit der Polizei nicht weiter blockiert. Auch habe sie sich nicht vor den Einsatzwagen gestellt.

In dem Video sind rund 20 Polizisten zu sehen; zwei fixieren einen Mann am Einsatzwagen, die übrigen Beamten haben sich rundherum aufgestellt. Dann ruft der von den Polizisten festgehaltene Mann mehrfach: „Nur weil ich schwarz bin. Nur weil ich schwarz bin, werde ich kontrolliert“. Er ruft noch anderes, das ist jedoch nicht klar verständlich. Passanten sind auf der Aufnahme nur vereinzelt zu sehen. Amira schätzt, dass rund 60 Personen den Einsatz beobachtet hätten, „auf keinen Fall“ seien es 150 Menschen gewesen. Zum Ende des Videos fragt ein Passant, der nicht im Bild zu sehen ist: „Nur weil er gepisst hat?“. Amira antwortet: „Ja, nur weil er gepisst hat.“ Dann beginnen „ACAB“-Rufe. Mehr ist in diesem Video nicht zu sehen, so auch nicht Der Beginn des Einsatzes ist im Video nicht zu sehen, zum Ende des Videos ist der 35-Jährige nicht mehr zu sehen. Blockiert werden die Polizeiwagen den umstehenden Personen zu diesem Zeitpunkt nicht.

Zweites Video zeigt Hergang nach der Personenkontrolle

Zwei Minuten nach der Personenkontrolle sei sie gegangen, dann habe man sie jedoch wieder zurückgerufen, sagt Amira. Dabei ist ein weiteres Video entstanden. Hier zu sehen: Zehn bis 15 Polizeibeamte versammeln sich um zwei junge Männer, die im ersten Video bereits im Vorbeilaufen zu sehen waren. Laut Amira handle es sich dabei um zwei der Männer, die bei der vorangegangen Kontrolle ebenfalls vom Rand aus gefilmt hätten. Umstehend sind sechs Polizeiwagen zu sehen. „Warum werdet ihr kontrolliert?“, fragt Amira die Männer. „Wir sollen Beamte beleidigt haben“, antwortet daraufhin einer. „Habt ihr sie beleidigt?“, fragt Amira daraufhin. Der Mann verneint.

Knapp 15 Minuten dauert dieses Video, in dem Amira die Polizisten immer wieder auffordert, ihre Dienstnummern zu nennen, während die beiden Männer gegen eine Wand gelehnt durchsucht werden. Als einer der Beamten mit einem Abstand von etwa 30 Zentimetern an einen der festgehalten Männer herantritt, weißt Amira diesen auf den Corona-Abstand hin. Nach einem kurzen Wortgefecht entgegnet der Beamte dem Mann: „Du bist hier nicht der Macker, ich bin der Macker.“ Schließlich erteilt die Polizei den beiden Männern einen Platzverweis für Hauptwache und Konstablerwache. Daraufhin fragt Amira mehrfach: „Was ist die Begründung dafür?“ Die Beamten antworten, dass die Männer mehrfach „ACAB“ gerufen haben. Beweisen könne man es jedoch nicht, weshalb es keine Anzeige wegen Beleidigung gebe, sondern lediglich den Platzverweis. Das Video endet schließlich damit, dass einige Umstehende den Beamten mehrfach zurufen: „Ohne Helm und ohne Knüppel seid ihr nichts“. Polizeibericht und Videos, sie unterscheiden sich teils deutlich. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.
 
23. September 2020, 14.12 Uhr
Johanna Wendel
 
Johanna Wendel
Jahrgang 1993, Technikjournalismus-Studium an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, seit Januar 2019 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Johanna Wendel >>
 
 
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