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Foto: Harald Schröder
Foto: Harald Schröder

Müll und Kriminalität: Beschwerden häufen sich

Der Müllsheriff soll’s richten

„Wie nach einem Bombenanschlag“ hatte jemand die Müllsituation gegenüber Oberbürgermeister Feldmann beschrieben. Die Stadt ist gezwungen, endlich Maßnahmen zu ergreifen – und holt sich Hilfe bei Peter Postleb, dem bereits pensionierten ehemaligen Leiter der Stabsstelle Sauberes Frankfurt.
In Frankfurt ist der Lockdown kaum noch zu spüren: Die innerstädtischen Cafés und Bars sind vollbesetzt, vor den Geschäften warten Menschen in langen Schlangen, große Gruppen ziehen nach Feierabend durch die Straßen. Nur die Clubs sind nach wie vor geschlossen und Konzerte finden ebenfalls nicht statt. Ein Termin für die Wiederöffnungen steht noch aus. Doch die Frankfurterinnen und Frankfurter haben sich Alternativen gesucht: Opernplatz, Friedberger Platz und Mainufer werden an den Abenden am Wochenende von Tausenden Menschen belagert, die trinken, essen – und die Abfälle liegen lassen. Bürgerinnen und Bürger und anliegende Gastronomiebetriebe fordern ein Einschreiten der Stadt bei einem Problem, das jedoch schon viel älter ist als die gutbesuchten Corona-Treffen.

Erst kürzlich berichtete das JOURNAL FRANKFURT über die zunehmende Verwahrlosung insbesondere des Bahnhofsgebiets. Mit der Vermüllung nimmt auch die Kriminalität zu: Bereits 1982 veröffentlichten die US-amerikanischen Sozial- und Politikwissenschaftler James Wilson und George Kelling in The Atlantic Monthly einen Essay, der den Zusammenhang zwischen dem Verfall von Stadtgebieten und einer steigenden Kriminalitätsrate erläuterte. Laut der sogenannten Broken-Windows-Theorie müsse ein zerbrochenes Fenster schnellstmöglich repariert werden, um weitere Zerstörungen und damit den Eindruck, sich in einem rechtsfreien Raum zu bewegen, zu verhindern.

Ein zerbrochenes Fenster, das nicht repariert wird, sei ein Zeichen dafür, dass es niemanden interessiere, was in der Umgebung passiert. Demgemäß also das Zerbrechen eines weiteren Fensters, stellvertretend für jegliches kriminelles Handeln, keine Strafe nach sich ziehe. Damit sinke auch das subjektive Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung, die infolgedessen das Viertel meide und es so wiederrum zusätzlich dem Verfall überlasse. Chaos – sei es in Form von illegalen Graffitis, nicht aufgeräumtem Müll, aggressiver Bettelei, exzessiven öffentlichen Alkohol- und Drogenkonsums, achtlosen Urinierens in den Straßen oder anderer Verwahrlosung – könne demnach eine kriminelle Kettenreaktion auslösen.

Die Frankfurter Polizei zeigt zwar deutlich Präsenz, dennoch berichten insbesondere im Bahnhofsgebiet lebende und arbeitende Frauen seit mehreren Monaten verstärkt, von den Dealern auf der Straße belästigt zu werden. Regelmäßig kommt es zu Handgreiflichkeiten und Auseinandersetzungen. Mehrere Frauen berichten, dass ihnen einzelne Dealer bereits in den Hausflur gefolgt und übergriffig geworden seien.

Höhere Bußgelder und eine mögliche Alkoholverbotszone

Am Mittwoch gab Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) gemeinsam mit Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Bündnis 90/Die Grünen) und Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) bekannt, dass die Stadt nun, auch aufgrund der sich häufenden Beschwerden, mehr für Sicherheit und Sauberkeit tun wolle. „Es geht nicht um kurzfristige spektakuläre Erfolge. Das sind Dinge, die wir nicht in zwei Monaten aufholen können“, so Feldmann. Es gehe darum eine Struktur aufzubauen, die andauere. „Die zuständige Stabsstelle, das Ordnungsamt, die Polizei und viele andere Beteiligte müssen solchen Verunreinigungen härter nachgehen, endlich besser kooperieren“, sagte der Oberbürgermeister. Ein erster Schritt war zum 1. Juli die Einführung höherer Bußgelder, die auch direkt an Ort und Stelle „kassiert“ werden dürfen. Zudem kündigte Frank an, zukünftig zivile Kräfte einsetzen zu wollen, um „Müllsünder in flagranti zu erwischen.“ Die Stadt habe sehr viel Geld investiert um Plätze schöner zu gestalten und so etwas wie in Stuttgart könne in der aktuell „sehr aufgeheizten“ Situation überall passieren, so Frank. Es brauche eine nachhaltige Bewusstseinsveränderung.

Bezüglich der viel diskutierten und von der Koalition bereits abgesegneten Alkoholverbots-Zone am Kaisersack äußerte sich Markus Frank vor allem über die Schwierigkeit, eine solche einzuführen. Bereits Ende Mai hatte sich Frank gegenüber dem JOURNAL FRANKFURT zu der Thematik geäußert. „Eine Alkoholverbots-Zone ist juristisch diffizil und muss gut argumentiert werden, damit sie nicht gleich wieder gekippt wird“, so Frank. „Wir müssen nachweisen, dass eine abstrakte Gefahrensituation vorliegt. Dafür sammeln wir aktuell Daten.“ Die Vorbereitung der Begründung bedeute, ebenso wie sämtliche andere Maßnahmen, einen „erheblichen Aufwand, der nicht von heute auf morgen geleistet werden kann.“

Umweltdezernentin sieht Bevölkerung in der Verantwortung

Rosemarie Heilig betonte, dass der Grund für die Vermüllung der Stadt auch mit dem Verhalten der Bürgerinnen und Bürger zusammenhänge. „Ich wollte Umweltdezernentin sein, nicht Mülldezernentin. Dennoch beschäftigte ich mich mit diesem Thema die meiste Zeit“, so die Dezernentin, die auch für die Stabstelle Sauberes Frankfurt zuständig ist. Mit dem Appell an die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger seien die Stabstelle Sauberes Frankfurt und die FES erfolgreich gewesen. Dann sei Corona gekommen, so Heilig. „Seither ist die Stadt vermüllt wie nie zuvor, obwohl die FES seit Monaten bis zum Umfallen arbeitet. Wir kommen mit unserem Engagement an unsere Grenzen.“ Sie begrüße deshalb die Maßnahmen des Ordnungsdezernats und die Einführung eines höheren Bußgelds. „Wir können auch 300 Mülltonnen auf dem Opernplatz aufstellen, aber ich denke nicht, dass dort das Problem liegt. Im Bahnhofsviertel wird den Obdachlosen vorgeworfen, dass sie alles vermüllen, aber am Opernplatz sieht das nicht anders aus. Dort sind es aber die Banker, die ihren Müll liegen lassen.“

Die Stabstelle Sauberes Frankfurt scheint mit der derzeitigen Situation überfordert zu sein. Zumindest legt das die aktuellste Entscheidung der Stadt nahe: Um dem Müllaufkommen entgegenzuwirken, wird Peter Postleb aus dem Ruhestand zurückgeholt. Er war bereits von 2001 bis 2013 Leiter der Stabsstelle Sauberes Frankfurt, führte unter anderem einen Bußgeldkatalog ein und trieb die engere Zusammenarbeit zwischen Stadtpolizei, Landespolizei, Stabsstelle und der FES voran. Der 71-jährige Postleb, dem während seiner Amtszeit Spitznamen wie „oberster Saubermann Frankfurts“ oder „Müllsheriff“ zugeteilt wurden, und der sich aktuell neben einer freien Tätigkeit als Müllberater im Ruhestand befindet, soll nun mit Sofortmaßnahmen das Müllproblem in Ordnung bringen. „Ordnungsrechtliche Aktionstage mit der Stadtpolizei bei der Feierabendszene in der Innenstadt“ sowie die „temporäre Aufstellung von ausreichend Abfallbehältern“ an den großen Plätzen und am Mainufer sind dabei die ersten Vorschläge, die Postleb einbringt. „Wir werden außerdem mit etlichen kleineren Maßnahmen direkt beginnen.“
 
2. Juli 2020, 11.48 Uhr
Ronja Merkel/Johanna Wendel
 
 
Fotogalerie:
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